Von der Wegwerf- zur Kreislaufwirtschaft
Durch die Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Verbrauch endlicher Ressourcen bietet die Kreislaufwirtschaft eine nachhaltige Alternative zur Wegwerfgesellschaft. Erfahren Sie im Beitrag von Anlagespezialistin Eva Ahlbom, welche Chancen und Risiken damit verbunden sind und welche Rolle Verbraucher und Unternehmen dabei spielen.
Text: Eva Ahlbom, Anlagespezialistin
Heute gibt es kaum einen Unternehmensbericht über die ökologische und soziale Verantwortung, indem die Kreislaufwirtschaft nicht erwähnt wird. Sie beschreibt ein System, in dem natürliche Ressourcen im Idealfall nie zu Abfall werden und die Natur sich nachhaltig regenerieren kann. Produkte und Materialien werden durch Wartung, Wiederverwendung, Reparatur, Recycling und Kompostierung in einem Kreislauf gehalten.
Dies steht im Kontrast zum aktuellen linearen Wirtschaftsmodell, in welchem Rohstoffe abgebaut, Produkte hergestellt, verkauft, konsumiert und grösstenteils weggeworfen werden. Dieser Ansatz wird weder den ökologischen noch den wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft gerecht, da er dem Ökosystem mehr entnimmt als natürlich nachwachsen kann.
In der Schweiz haben wir beispielsweise bereits Ende Mai den Tag erreicht, an dem wir die in diesem Jahr reproduzierbaren Ressourcen aufgebraucht haben. Global gesehen fällt dieser Tag auf den 1. August; das heisst, wir leben derzeit so, als hätten wir 1,7 Erden zur Verfügung. Die unangenehme Wahrheit ist, dass wir nur eine Erde haben.
Die Kreislaufwirtschaft als Chance
Die Kreislaufwirtschaft schont die endlichen Ressourcen der Erde. Sie reduziert auch die Umweltauswirkungen menschlicher Aktivitäten, indem sie beispielsweise das Gesamtabfallaufkommen und die Treibhausgasemissionen senkt. Letzteres je nach Studie um einen Durchschnittswert von 25 Prozent bis 2030. Interessanterweise erhöht die Kreislaufwirtschaft die Widerstandsfähigkeit einer Volkswirtschaft, da sie deren Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen verringert, die nationale Eigenständigkeit fördert und die Anfälligkeit für globale Marktschwankungen senkt. Weiter schätzen verschiedene Studien, dass die Kreislaufwirtschaft bis 2030 weltweit einen beträchtlichen wirtschaftlichen Nutzen von bis zu USD 4,5 Bio. bringen könnte. Sie bietet neue Geschäftsmöglichkeiten, indem sie die Türen für innovatives Produktdesign, neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen – beispielsweise auf Miet- oder Service-Modellen basierend – öffnet. Sie ermutigt Unternehmen, neue Wege der Wertschöpfung zu erkunden. Die Umstellung kann zu Kosteneinsparungen, neuen Einnahmequellen und der Schaffung von Arbeitsplätzen führen. Neben der Überarbeitung angestammter Prozesse erfordert dies das Fachwissen spezialisierter Unternehmen.
Zahlreise Herausforderungen
Was einfach klingt, ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, die technologische, wirtschaftliche, regulatorische und soziale Dimensionen umfassen. Heutige Wertschöpfungsketten sind oftmals komplex sowie global und branchenübergreifend. Die Umstellung erfordert deshalb ausserordentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung. Auch müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher diesen Wandel mittragen. Letztlich sind es vor allem wir, die mit unserem Konsumverhalten die Zügel in der Hand halten.
Die Anlegersicht
Erfreulicherweise gibt es bereits viele Unternehmen, die die Herausforderung angenommen haben, den Wechsel auf die Kreislaufwirtschaft aktiv voranzutreiben. Naturgemäss sind diese Unternehmen dabei ungleich weit fortgeschritten und legen ihren Fokus auf unterschiedliche Aspekte. Aus Anlegersicht ist das auch gut so, denn so ergibt sich eine natürliche Diversifikation. Die führenden investierbaren Betriebe sind typischerweise in den entwickelten Ländern zu finden – von kleineren Betrieben bis hin zu grossen Konzernen, die eher konjunkturzyklischen Sektoren wie Industrie oder Grundstoffe zugehören. Die Reise mit dem Ziel, das wirtschaftliche Wachstum vom Verbrauch endlicher Ressourcen zu entkoppeln, hat begonnen.