Sie war nicht einsam, aber sie war oft allein. Das brauchte sie für ihre Kreativität. Ihre Kriminalromane schrieb sie langsam und virtuos. Die Bücher waren voll von grandiosen Wendungen und dramaturgischen Fallstricken. Sie war Spezialistin für hoch komplizierte Morde, gemeinhin wurde ein Verbrechen von einem Doppelgänger begangen. «Der eiserne Wald» (1942) wurde in drei Dutzend Sprachen übersetzt. «Das Grand Vivek Hotel» (1946) erreichte dreiundachtzig Auflagen. «O du mein Herz, mein schwellendes Herz» (1951) wurde im Lauf der Jahre zum meistimitierten Kriminalroman aller Zeiten. Marguerite Toma bekam alle wichtigen Literaturpreise verliehen, allein damit verdiente sie ein Vermögen.
Keinen Preis nahm sie persönlich entgegen, sie mied die Öffentlichkeit wie der Maulwurf das Licht. Interviews gab sie nicht. Aufgrund des Erfolgs der Autorin waren die Literaturkritiker gezwungen, über ihre Bücher zu schreiben. Kaum jemand schaffte es aber, einen der Romane komplett zu lesen und so sind die damaligen Zeitungsberichte voller Fehler: Hauptcharaktere werden als Nebenfiguren bezeichnet; es ist von Schauplätzen die Rede, die in den Büchern gar nicht vorkommen; vermeintliche thematische Schwerpunkte sind Fehlinterpretationen.
In der Regel fiel das Urteil vernichtend aus: «einfältiges Geschwafel», «sinnesverwirrende Banalität» oder «plumpe Erotik» waren Wortpaare, die oft benutzt wurden. Diese Fallhöhe von rekordhohen Verkaufszahlen und miserablen Kritiken führte dazu, dass sich Linguisten in ihren Doktorarbeiten mit einem Phänomen beschäftigten, das sie irgendwann als «tomaeskes Paradox» bezeichneten.
Je mehr die Journalisten das Werk dieser brillanten Literatin vernichteten, umso mehr begannen sie, sich für ihr Privatleben zu interessieren. Halbwahrheiten wurden publiziert, die zwar im Konjunktiv geschrieben und als Gerüchte deklariert waren, aber mit einer sadistischen Regelmässigkeit in den Feuilletons erschienen, sodass sie irgendwann als Wahrheiten galten und den Weg in Nachschlagewerke fanden.
Die Schönheit der Autorin wurde als eine Mischung aus Marlene Dietrich und Greta Garbo beschrieben – eine tollkühne Übertreibung. Ihr Wohnort wurde fälschlicherweise immer mit Paris bezeichnet. Ihre Staatsbürgerschaft mit Amerika, obwohl sie Kanadierin war. Dass sie sich mit achtzehn Jahren auf eine Reise nach Europa gemacht hatte, war allerdings korrekt.