Was ist Deglobalisierung?
Die internationale Verflechtung und der weltweite Austausch sind unter dem Begriff Globalisierung allen bekannt. Wissen, Produkte und Technologien können ohne grosse Hürden auf der ganzen Welt ausgetauscht werden. Doch seit geraumer Zeit ruft die Globalisierung aber auch Bedenken und Kritik hervor. Erfahren Sie mehr über das Gegenteil der Globalisierung, der sogenannten Deglobalisierung.
Text: Rolando Seger, Anlagespezialist
Die Globalisierung bestimmt unser Leben wesentlich und praktisch jeden Tag. Sie spielt eine wichtige Rolle in der Wirtschaft, in der Politik und in der Gesellschaft. Unter Globalisierung versteht man die Entstehung weltweiter Märkte für Waren, Kapital und Dienstleistungen, die damit verbundene internationale Verflechtung der Volkswirtschaften und auch den Austausch von Wissen. Der Globalisierungsprozess der Märkte wird vor allem durch neue Technologien im Kommunikations-, Informations- und Transportwesen sowie neu entwickelte Organisationsformen der betrieblichen Produktionsprozesse vorangetrieben. Weltweite Datennetze, Satellitenkommunikation, computergestützte Logistik und hoch entwickelte Verkehrsmittel lösen Arbeit und Produktion, Produkte und Dienstleistungen von den nationalen Standorten und ermöglichen es den Unternehmen, die für sie günstigsten Produktions- beziehungsweise Lieferstandorte auszuwählen und ihre Aktivitäten weltweit zu koordinieren. In immer stärkerem Masse werden dadurch Angebot und Nachfrage aus der ganzen Welt zusammengefasst und die Preisbildung vereinheitlicht.
Hauptakteure der Globalisierung sind multinationale Unternehmen, die mit ihren Investitions-, Produktions- und Produktstrategien zunehmend Charakter und Formen des internationalen Handels bestimmen. Die Nachfrage regelt den Markt und aus Konsumentensicht fällt auf, dass viele Konsumgüter in fernen Ländern hergestellt werden. Man hat sich an die tiefen Preise dieser Artikel gewöhnt, lokal können sie oft gar nicht mehr wirtschaftlich produziert werden.
Globalisierung wird hinterfragt
Seit geraumer Zeit ruft die Globalisierung aber auch Bedenken und Kritik hervor. Insbesondere Nichtregierungsorganisationen weisen auf die negativen Begleiterscheinungen einer als exzessiv empfundenen wirtschaftlichen Globalisierung hin. Es stellen sich ethische Fragen nach fairen Arbeitsbedingungen, gerechter Bezahlung und der Einhaltung von Mindeststandards. Darüber hinaus wächst das Bewusstsein für Nachhaltigkeit, weshalb aus ökologischer Sicht zum Beispiel umweltbelastende Produktionsprozesse oder lange Transportwege zunehmend infrage gestellt werden. Die Globalisierung bietet viele Chancen, birgt aber auch einige Risiken in sich.
Problematische Abhängigkeit
Globale Ereignisse wie die Coronapandemie hatten beispielsweise zur Folge, dass neben der raschen Ausbreitung des Virus auch ganze Liefer- und Transportketten zusammenbrachen. Die Konsequenzen waren für Wirtschaft und Verbraucher deutlich spürbar. Mangelartikel wie Computerchips legten ganze Industriezweige lahm und offenbarten die Verletzlichkeit der eigenen Wirtschaft sowie die gefährliche Abhängigkeit von ausländischen Produzenten. Auch geopolitische Ereignisse wie der jüngste Angriff Russlands auf die Ukraine zeigen schonungslos auf, wie abhängig viele Länder von russischem Erdgas sind, wenn es um die Energieversorgung geht. Produktionsabhängigkeit und eine allgemein zu geringe Diversifikation der Lieferquellen stellen für Volkswirtschaften eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar.
Vor- und Nachteile der Deglobalisierung
Deshalb ist vermehrt von Deglobalisierung die Rede. Der Sicherung von Lieferketten und der Produktion im Inland wird deshalb zukünftig vermutlich eine grössere Bedeutung beigemessen. Das hat allerdings auch seinen Preis: Höhere Lagerbestände, der Ausbau des Lieferantennetzes und die vermehrte Produktion vor Ort führen bei den Unternehmen zu deutlich höheren Kosten, welche sie zumindest teilweise an die Konsumenten weitergeben werden. Andererseits kann die Deglobalisierung im Idealfall aber auch als Treiber für Innovation wirken, beispielsweise bei der Gewinnung und Förderung alternativer und erneuerbarer Energieträger.