Mikrofinanz und die Digitalisierung
Die Vergabe von Mikrokrediten ist aufwändig und teuer. Blockchain-basierte Lösungen könnten dies ändern und der Armutsbekämpfung neuen Schwung verleihen. Lesen Sie im Beitrag, wie das gelingen soll.
Text: Jens Schweizer
«Es sind nicht die Menschen, die kreditunwürdig sind. Es sind die Banken, die menschenunwürdig sind.» Mit diesem Credo entwickelte Muhammad Yunus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Instrument, das an der Schnittstelle zwischen Finanzwesen und Armutsbekämpfung liegt: die Mikrofinanzierung. Die Armut, die der Wirtschaftsprofessor in seinem Heimatland Bangladesch erlebte, führte er darauf zurück, dass die Armen vom Finanzsystem weitestgehend ausgeschlossen waren. Um der armen Bevölkerung zu helfen, sich selbst zu helfen, entwickelte er das Konzept der Mikrokredite und baute damit eine Brücke über diese Finanzierungslücke.
Mikrokredite werden meist von lokalen Instituten vergeben. Dies geschieht selten an Einzelpersonen, sondern meist an Gruppen, die solidarisch für die Rückzahlung haften. Auf diese Weise unterstützen sich die Menschen innerhalb der Gruppe gegenseitig, das Ausfallrisiko sinkt. Mittlerweile zählt die Mikrofinanzierung zu den etablierten Grössen der Armutsbekämpfung.
Die euphorische Hoffnung der Anfangszeit, dass Mikrofinanz die Armut vollständig besiegen könnte, ist jedoch verflogen, da die Branche an ihre Grenzen stösst. Aktuelle technologische Entwicklungen könnten dieser Form der Armutsbekämpfung allerdings neuen Schwung verleihen. Die Diskussion über die Digitalisierung der Branche intensiviert sich.
Blockchain verleiht neuen Schwung
Aufgrund fehlender finanzieller und staatlicher Strukturen erfolgt die Vergabe von Mikrokrediten heute oft von lokalen Finanzinstituten über mehrere Intermediäre wie Agenturen, Genossenschaften und andere Dienstleister bis zu den Kreditnehmenden. Das Geld wird auf ein Bankkonto überwiesen oder vor Ort bar ausgezahlt, was eine lokale Vertretung voraussetzt und den Kreis der Bezügerinnen und Bezüger bereits einschränkt. Entsprechend hoch sind der Verwaltungsaufwand und die Zinsen.
Einer Blockchain-basierten Lösung wird hier grosses Potenzial zugeschrieben. Der Datenfluss wäre von Anfang bis Ende der Prozesskette gewährleistet, eine Kredithistorie verfügbar und die Risikobewertung und -überwachung einfacher und genauer. Auch die Identifikation der Kreditnehmenden, einer der derzeit aufwändigsten und anfälligsten Schritte, würde vereinfacht, Korruption und Betrug generell erschwert. Ein Bankkonto oder eine lokale Präsenz wären nicht erforderlich. Der Geldfluss, der oft existenzbedrohend spät eintrifft, wäre pünktlicher. Generell wäre damit die Basis für eine sichere Digitalisierung der Prozesse von Finanzinstituten und Intermediären gelegt. Viele Intermediäre würden damit überflüssig.
Mit dem Mobiltelefon zum Mikrokredit
Der Einsatz aktueller technologischer Entwicklungen könnte den Verwaltungsaufwand und die Zinskosten senken sowie den Empfängerkreis unter Umständen bedeutend erweitern. Plakativ formuliert bräuchte es für den Bezug eines Mikrokredits eigentlich nur noch ein Mobiltelefon. Herausfordernd werden vor allem der Aufbau der technischen Infrastruktur, die Bildung der Akteure und die regulatorische Einbettung. Auch die Anpassung angestammter Strukturen bräuchte Zeit. Allerdings ist die digitale Affinität in Entwicklungsländern meist gross und die Pfadabhängigkeit von anderen Systemen gering. Wo ein Wille zur Armutsbekämpfung ist, ist auch ein Weg!
Die Anlegersicht
Neben der Armutsbekämpfung weisen Mikrofinanzfonds auch aus Anlegersicht besondere finanzielle Eigenschaften auf. Die Renditen korrelieren kaum mit anderen Anlagen wie Aktien oder Obligationen. Auch ist die Volatilität relativ gering. Häufig in Private Debt und Private Equity investiert, sind Mikrofinanzfonds illiquid, für Zeichnungen und Rücknahmen gelten Fristen bis zu mehreren Monaten. Investitionen in Mikrofinanzfonds erfordern daher, genau wie die Armutsbekämpfung, einen langfristigen Zeithorizont.