«SNB dürfte weitere Franken­aufwertung zulassen»

Wie es mit dem schwachen Euro weitergeht und was dieser für die Schweizer Wirtschaft bedeutet – Elias Hafner, Senior Investment Strategist bei der Zürcher Kantonalbank, sagt es im Interview.

Interview: Johanna Stauffer

«Aktuell sehen wir keine Anzeichen für eine globale Wachstumserholung»: Elias Hafner. (Bild: Andreas Guntli)

Der Euro ist jüngst zeitweise unter 96 Rappen gefallen – das entspricht einem Rekordtief. Handelt es sich hierbei um eine Euro-Schwäche oder eine Franken-Stärke?

Insgesamt handelt es klar um eine Euro-Schwäche. Das lässt sich auch daran erkennen, dass der Euro seit Anfang Jahr gegenüber vielen Währungen abgewertet hat, nicht nur gegenüber dem Franken. Der Fall unter Parität beim Euro-Franken-Kurs ist zuletzt aber schnell vonstattengegangen. Dies war einerseits durch die überraschend starke geldpolitische Kehrtwende bei der Schweizerischen Nationalbank im Juni getrieben, andererseits durch die Rolle des Frankens als sicherer Hafen.

Warum ist der Euro so schwach?

Wir sehen dafür vor allem geldpolitische und konjunkturelle Gründe, die direkt oder indirekt mit höheren Energiepreisen zusammenhängen. So ist die Eurozone – wie viele Volkswirtschaften – seit letztem Sommer mit deutlich steigenden Inflationszahlen konfrontiert, und diese sind hauptsächlich durch höhere Energiepreise getrieben. Während andere Notenbanken – allen voran die angelsächsischen – seit Ende letzten Jahres zu normalisieren begonnen haben, blieb die Europäische Zentralbank (EZB) lange sehr zögerlich. Dies hat den Euro als Anlagewährung unattraktiv gemacht. Zwar konnten sich die EZB-Vertreter schliesslich im Juli auf eine erste Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte verständigen und sie werden wohl im September im gleichen Tempo fortfahren; angesichts der Höhe der Inflation im Euroraum wäre aber ein noch stärkeres Gegensteuern angebracht.

… und konjunkturell?

Wegen der starken Importabhängigkeit der Eurozone herrscht – verbunden mit dem Ukraine-Krieg und den Sanktionen – eine grosse Unsicherheit in Bezug auf die Energieversorgung während des kommenden Winters. Dies hat auf den europäischen Gas- und Strommärkten, die viel stärker regional verankert sind als beispielsweise der globale Ölmarkt, die Preise massiv ansteigen lassen, viel stärker als beispielsweise in den USA. Die hohen Energiekosten schmälern die Realeinkommen, was den Konsum in der Eurozone belasten wird. Und in energieintensiven Wirtschaftszweigen kommt es bereits vereinzelt zu einer Aussetzung der Produktion, da sich diese bei den aktuellen Energiekosten nicht mehr rechnet. Gleichzeitig schwächelt die chinesische Wirtschaft, ein wichtiger Exportmarkt für die Eurozonenländer. Und die globale Straffung der Geldpolitik kühlt auch in den Industrieländern die Konjunktur ab. Insgesamt dürfte damit in wichtigen Eurozonenländern wie Deutschland und Italien eine Rezession anstehen. All dies lastet auf der Gemeinschaftswährung Euro.

Was bedeutet der schwache Euro für die Schweizer Wirtschaft?

Die Preise in der Eurozone sind über die letzten zwölf Monate deutlich schneller angestiegen als in der Schweiz. Besonders frappant ist der Unterschied bei den die Firmen betreffenden Produzentenpreisen. Bei vielen Unternehmen hat die relative Preisveränderung gegenüber dem Ausland den schwächeren Euro kompensiert, auch wenn natürlich einzelne Branchen unterschiedlich davon betroffen sind. So dürfte die Schweizer Exportwirtschaft insgesamt nicht an Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst haben – und dies trotz nominaler Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro von 10 Prozent innert Jahresfirst. Überdies profitieren die privaten Haushalte und Unternehmen, die mehr importieren als exportieren, von einem schwächeren Euro. Entsprechend steht der Franken nicht zuoberst auf dem Sorgenbarometer der Schweizer Wirtschaft. Absolut gesehen sind auch die Unternehmungen und Haushalte in der Schweiz durch höhere Energiepreise und eine sich abschwächende Konjunktur betroffen, aber beides in gedämpfter Form.

Wie reagiert die Schweizerische Nationalbank?

Die Schweizerische Nationalbank hat darauf hingewiesen, dass die Aufwertung des Frankens durch eine höhere Inflation im Ausland ausgeglichen wurde. Den Franken bezeichnete sie im Juni nicht mehr als «hoch bewertet». Entsprechend hat sie über die letzten Monate weitestgehend von Devisenkäufen abgesehen, auch als der Euro-Franken-Kurs unter Parität gefallen ist. Zudem hat sie klar gemacht, dass ihr primäres Ziel die Inflationsbekämpfung ist und sie hat deshalb aus unserer Sicht die Präferenz für eine schwächeren Franken aufgegeben. Die Schweizerische Nationalbank hält zwar die Geschwindigkeit der Frankenaufwertung im Auge und tempodrosselnde Interventionen sind aktuell wieder möglich. Sie dürfte allerdings als Schutz vor einer importierten Inflation eine weitere nominale Aufwertung des Frankens zulassen. Wir gehen davon aus, dass die SNB den Leitzins im September um 50 Basispunkte auf plus 0,25 Prozent erhöhen wird.

Wie wird es mit dem Euro weitergehen?

Die Euro-Schwäche dürfte vorerst anhalten. Denn: Die Energiekrise wird uns sehr wahrscheinlich durch den Winter begleiten. Die mittelfristige Aussicht hängt vom weiteren Verlauf dieser sowie auch der wirtschaftlichen Lage ab. Aktuell sehen wir aber keine Anzeichen für eine globale Wachstumserholung. Ein anderer Einflussfaktor ist die Geldpolitik: Sobald die US-Fed ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen hat und die EZB weitere Zinsschritte verkündet, sollte sich der Zinsabstand wieder etwas reduzieren. Dies wiederum dürfte den Druck auf den Euro mindern.