US-Wahlen: Das grosse Rückspiel

Wenn die US-Wahl heute stattfände, hätte Donald Trump gute Chancen, erneut zum Präsidenten gewählt zu werden. Joe Biden dagegen kämpft mit schlechten Zustimmungswerten und liegt in den Umfragen hinten. Erfahren Sie im Video sowie im Beitrag, welchen Wahlausgang die Experten der Zürcher Kantonalbank erwarten und was das für Konsequenzen nach sich zieht.

Text: Christian Brändli

«Eine zweite Amtszeit von Trump brächte viel Unberechenbarkeit», erklärt Christian Brändli. (Bild: Getty Images)
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Manuel Ferreira, Chefstratege und Christian Brändli, Senior Economist North America (Video: Andreas Guntli)
  • Aus heutiger Sicht werden die Republikaner mit Donald Trump an der Spitze die US-Präsidentschaftswahlen 2024 für sich entscheiden
  • Unter Trump dürfte die Verschuldung des US-Haushalts weiter zunehmen
  • Geopolitisch ist ein verstärkter Protektionismus zu erwarten
  • Aus wirtschaftlicher Sicht sind diese Massnahmen eher inflationär und nur bedingt wachstumsfördernd

Bei den US-Präsidentschaftswahlen ist am 5. März 2024, dem sogenannten Super Tuesday, an dem 15 Bundesstaaten ihre Vorwahlen abgehalten haben, eine Vorentscheidung gefallen. Dem 77-jährigen Donald Trump ist die Nomination zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner kaum mehr zu nehmen. Er gewann in 14 von 15 Bundesstaaten mit deutlichem Vorsprung auf seine letzte verbleibende Herausforderin Nikki Haley. Offiziell wird Trump am Parteitag vom 15. bis 18. Juli in Milwaukee, Wisconsin zum republikanischen Kandidaten gekührt.

Bei den Demokraten ist der 81-jährige Amtsinhaber Joe Biden als Kandidat für eine weitere Amtszeit praktisch gesetzt, auch wenn hier ebenfalls Vorwahlen abgehalten werden und der Parteitag der Demokraten im Sommer (19. bis 22. August) seine erneute Kandidatur noch offiziell bestätigen muss. Es deutet somit alles darauf hin, dass sich am 5. November 2024 erneut Donald Trump und Joe Biden gegenüberstehen und einer der beiden zum neuen alten Präsidenten gewählt werden wird.

Die Amerikanerinnen und Amerikaner sind unzufrieden

Die Ausgangslage für den amtierenden Präsidenten Biden ist herausfordernd. Er kämpft mit schlechten Zustimmungswerten und liegt in den meisten Umfragen hinter Trump. Anfang März zeigten sich weniger als 40 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner mit der Amtsführung von Präsident Biden zufrieden. Dieser Wert ist noch niedriger als bei Trump zum selben Zeitpunkt seiner Amtszeit. Die schlechten Popularitätswerte von Biden sind angesichts der nach wie vor guten Wirtschaftslage ungewöhnlich. Schliesslich hat sich die US-Wirtschaft unter Bidens Führung rasch von der Coronapandemie erholt, es wurden mehr als 12 Mio. neue Stellen geschaffen und die Arbeitslosigkeit liegt in der Nähe eines 50-Jahrestiefs. Selbst die hohe Inflation geht allmählich zurück. Auch politisch hat Biden einiges erreicht. Unter seiner Führung haben die Demokraten zwei grosse Gesetzespakete zur Erneuerung der Infrastruktur und für mehr Klimaschutz auf den Weg gebracht. Unter normalen Umständen würde dies für eine solide Wiederwahl eines amtierenden Präsidenten ausreichen.

In der US-Geschichte wurden Amtsinhaber in 67 Prozent der Fälle wiedergewählt. Dieser Wert klettert sogar auf fast 80 Prozent, wenn es im Wahljahr zu keiner Rezession kam. Doch Bidens Umfragewerte sind im Keller, und er ist zunehmend auch unter den demokratischen Stammwählern unbeliebt. Sollten sich seine Zustimmungswerte in den nächsten Monaten nicht verbessern, besteht trotz dieser Erfolge die Gefahr, dass er die Präsidentschaftswahlen im November verliert und Trump im nächsten Jahr ins Weisse Haus einzieht.

Das Alter ist nicht Bidens einziges Problem

Obwohl sich die wirtschaftliche Lage verbessert hat, sind viele Amerikanerinnen und Amerikaner nach wie vor unzufrieden mit dem Zustand der Nation und der Arbeit der Regierung. Ein wichtiger Grund für die Unzufriedenheit sind die höheren Preise, insbesondere wenn sie mit der Zeit vor der Pandemie oder mit der Amtszeit von Trump verglichen werden. Höhere Lebenshaltungskosten werden stets dem amtierenden Präsidenten angelastet. In der bisherigen Amtszeit Bidens sind die Preise gemessen am Konsumentenpreisindex (CPI) um 18 Prozent gestiegen, während sie in den vier Jahren von Trumps Präsidentschaft nur 8 Prozent zugelegt hatten (annualisiert 5.6 Prozent vs. 1.9 Prozent).

Gefährlich für Biden ist ausserdem, dass eine Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner in Umfragen sagt, das Land entwickle sich grundsätzlich in die falsche Richtung (65 Prozent). Dabei ist im Februar das Thema Einwanderung an die Spitze der wichtigsten Probleme des Landes gerückt. Zum ersten Mal seit 2019 nennen die Amerikanerinnen und Amerikaner die Einwanderung (28 Prozent) als das wichtigste Einzelproblem, noch vor der Regierungsführung (20 Prozent), welche über weite Strecken des vergangenen Jahres als das grösste Problem wahrgenommen wurde. Eine separate Frage zeigt zudem, dass eine Mehrheit (55 Prozent) der erwachsenen US-Bürger (Republikaner 90 Prozent, Unabhängige 54 Prozent, Demokraten 29 Prozent) der Meinung sind, dass die grosse Zahl der illegal Eingewanderten eine kritische Bedrohung für die Interessen des Landes darstellt. Die Einwanderungsfrage erklärt neben der Inflation denn auch einen grossen Teil der schlechten Zustimmungswerte von Biden. Gerade bei diesen Themen traut die Bevölkerung Trump mehr Führungsstärke zu.

Schlechte Noten erhält Biden ausserdem für seinen Umgang mit dem Konflikt im Nahen Osten, mit der Aussenpolitik im Allgemeinen, mit der Wirtschaft und der Situation in der Ukraine (Zustimmungswerte jeweils nur 30 Prozent bis 40 Prozent). Biden muss hier erhebliche Anstrengungen unternehmen, um das Vertrauen in seine Politik zu verbessern, wenn er eine zweite Amtszeit gewinnen will.

Wichtig ist auch, wer im Kongress das Sagen hat

Am 5. November werden neben dem Präsidenten auch das 435-köpfige Repräsentantenhaus sowie 34 der 100 Senatoren neu gewählt. Während der US-Präsident in der Aussenpolitik grosse Freiheiten besitzt, ist er in der Innen- und Wirtschaftspolitik stärker von den Mehrheitsverhältnissen im US-Kongress abhängig. Je nach Ausgang der Kongresswahlen wird der künftige Präsident deshalb mehr oder weniger Spielraum in diesen Politikfeldern besitzen. Acht Monate vor den Wahlen sind die zukünftigen Mehrheitsverhältnisse im Kongress schwierig zu prognostizieren. Einige Grundzüge zeichnen sich jedoch bereits jetzt ab. So werden die Republikaner wahrscheinlich die Kontrolle über den Senat erlangen. Denn die Demokraten müssen 23 der 34 Sitze verteidigen, darunter sieben in stark umkämpften Bundesstaaten. Die Republikaner ihrerseits müssen den Demokraten netto nur zwei Sitze abnehmen, um im Senat eine einfache Mehrheit von 51 Senatoren zu bekommen. Eine 60-Stimmen-Mehrheit, um eine Verzögerungstaktik (Filibuster) der Minderheitspartei zu überwinden, liegt aber auch für die Republikaner ausser Reichweite.

Im Repräsentantenhaus ist die Ausgangslage für die Demokraten günstiger. Sie benötigen hier für eine Mehrheit nur sechs zusätzliche Sitze, wobei in 16 republikanischen und neun demokratischen Wahlbezirken ein enges Rennen vorhergesagt wird. Aufgrund der knappen Ausgangslage dürfte das Rennen um das Repräsentantenhaus mit der Wahl des Präsidenten entschieden werden. Mit anderen Worten: Zieht der demokratische Kandidat ins Weisse Haus ein, erlangt seine Partei wahrscheinlich auch eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus - und gleiches gilt für die republikanische Seite. Den grössten politischen Einfluss würde Trump bei einer «roten Welle» erlangen, bei dem beide Kammern des Kongresses von den Republikanern gewonnen werden. Dies vereinfacht, fiskalpolitische Massnahmen zu beschliessen – einschliesslich Steuer- und Ausgabensenkungen/-erhöhungen. Resultiert hingegen eine geteilte Regierung, lassen sich finanzpolitische Massnahmen nur mit überparteilicher Zustimmung beschliessen. Das heisst, das Haushaltsdefizit würde hoch bleiben, aber auch die Ausgaben könnten kaum zusätzlich ausgeweitet werden. Angesichts der schlechten Umfragewerte der Demokraten und des Vorteils der Republikaner im Senat, erscheint eine rote Welle als ein wahrscheinliches Szenario.

Verbleibende Fallstricke für Trump

Das erwartete Rückspiel zwischen Biden und Trump könnten aus heutiger Sicht voraussichtlich nur noch gesundheitliche oder juristische Probleme verhindern. Ein Stimmungsumschwung zugunsten von Präsident Biden ist bislang nicht absehbar. Einer der verbleibenden grossen Stolpersteine für Trump könnten daher die zahlreichen gegen ihn laufenden Gerichtsverfahren sein. Kein Kandidat oder Ex-Präsident hatte jemals so weitreichende juristische Probleme wie Trump. Dazu zählen unter anderem die Anklage wegen Verschwörung im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol, wegen der Fälschung von Geschäftsunterlagen (Schweigegeldzahlungen), dem Umgang mit Verschlusssachen (Geheimdokumente) und der Anklage wegen Wahlmanipulation im Bundesstaat Georgia. Insgesamt ist Trump für über 90 Straftaten angeklagt, die teilweise auch zu einer Gefängnisstrafe führen könnten. Selbst bei einer oder mehreren Verurteilungen liesse sich Trump rechtlich zwar kaum von den Präsidentschaftswahlen ausschliessen. Allerdings könnte er dadurch an Unterstützung bei den Wählern einbüssen. Eine Umfrage vom Februar zeigt, dass 55 Prozent der Befragten Trump im Falle einer Verurteilung nicht mehr die Stimme geben würden. Dieser Wert ist insbesondere bei demokratischen oder unabhängigen Wählern hoch (90 Prozent bzw. 51 Prozent), nicht aber bei den eigenen Anhängern (24 Prozent). Trumps Hauptziel wird es sein, die Gerichtsverfahren zu verzögern und eine allfällige Verurteilung auf nach den Wahlen zu verschieben. Sobald er im Amt ist, hätte er es bei Verstössen gegen Bundesgesetze zudem in der Hand, sich selber zu begnadigen. Abschliessend müsste dazu aber wahrscheinlich das Oberste Gericht entscheiden.

Welches sind Trumps Pläne für seine zweite Amtszeit?

Im Gegensatz zu seiner ersten Amtszeit, die häufig unkoordiniert wirkte, sind Trumps Pläne für seine zweite Amtszeit konkreter. Dabei sind folgende Schwerpunkte zu erwarten:

1. Migration: Eindämmung der illegalen Einwanderung

Eine der Prioritäten der Trump-Regierung wird die Eindämmung der illegalen Einwanderung sein. Möglicherweise wird auch die legale Einwanderung eingeschränkt. Darüber hinaus könnten Millionen von Einwanderern ohne Papiere aus dem Land gewiesen werden. Trump wiederholte bei Wahlkampfauftritten auch sein Versprechen, die Mauer an der Südgrenze fertigzustellen.

Einschätzung: Die Einschränkung der Einwanderung wird kurzfristig nur einen begrenzten Einfluss auf die US-Wirtschaft haben. Mittelfristig wird sich der Arbeitskräftemangel in Branchen wie dem Baugewerbe oder in der Gastronomie verschärfen. Dadurch führt eine restriktive Einwanderungspolitik zu höheren Löhnen und Preisen. Längerfristig dämpft eine geringere Bevölkerungszunahme das Wachstumspotenzial der USA.

2. Finanzpolitik: Permanente Steuersenkungen

Das wichtigste finanzpolitische Thema nach den Wahlen sind die Ende 2025 auslaufenden Steuersenkungen aus der ersten Amtszeit von Trump (Tax Cuts and Jobs Act, 2017). Eine Trump-Regierung wird versuchen, die Steuersenkungen dauerhaft zu machen. Sollte es Trump mit einer roten Welle ins Weisse Haus schaffen, könnte er auch einen zweiten Anlauf zur Senkung der Körperschaftssteuern starten. In seiner ersten Amtszeit wollte Trump die Unternehmenssteuern von 35 Prozent auf 15 Prozent senken (aktuell: 21 Prozent). Bei seinen Wahlkampfauftritten verspricht Trump ausserdem, die seiner Meinung nach übermässigen Staatsausgaben für Auslandshilfen, Klimasubventionen, Einwanderung und andere Bereiche einzudämmen.

Einschätzung: Tiefere Steuern stimulieren grundsätzlich das Wachstum. Die Steuersenkung von 2017 haben jedoch gezeigt, dass die Unternehmensgewinne davon stärker als das Wachstum profitieren. Zudem sind die Unternehmenssteuern bereits niedrig und weitere Senkungen werden die Investitionen und die Produktivität kaum beflügeln. In den Ertragserwartungen der Unternehmen sind die tieferen Steuersätze ebenfalls bereits teilweise berücksichtigt. Eine Verlängerung der Steuersenkungen von 2017 wird deshalb keine bedeutenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und Finanzmärkte haben. Allzu umfangreiche Steuersenkungen bergen aber das Risiko einer negativen Marktreaktion, da bereits ein grosses Haushaltsdefizit und eine hohe Staatsverschuldung bestehen.

3. Geldpolitik: Neue Führung für die US-Notenbank

Während seiner Präsidentschaft war Trump ein lautstarker Kritiker der US-Notenbank Fed. Es ist deshalb davon auszugehen, dass er Fed-Chef Jerome Powell nicht erneut zum Vorsitzenden ernennen wird, wenn dessen Vorsitz im Mai 2026 ausläuft.

Einschätzung: Bei der Neubesetzung der Fed-Spitze besitzt Trump einen grossen Anreiz, eine Person zu wählen, welche eine tendenziell lockere Geldpolitik verspricht. Einer ungewöhnlichen Ernennung würden die Finanzmärkte, die auf Preisstabilität achten, deshalb misstrauisch gegenüberstehen.

4. Industriepolitik: Förderung fossiler Energien

Die in den letzten Jahren populär gewordene Industriepolitik mit zahlreichen Subventionen werden auch für Trump ein wichtiges Betätigungsfeld sein. Trump steht allerdings der grünen Transformation der US-Wirtschaft und der Elektromobilität skeptisch gegenüber. Darüber hinaus verspricht er die Förderung fossiler Energien und den erneuten Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen.

Einschätzung: In der Industriepolitik liegen Biden und Trump gar nicht so weit auseinander. Trump wird versuchen einen Teil der Umweltgesetze und grünen Subventionen von Biden zu kürzen oder ganz rückgängig zu machen, aber etwa die Halbleiterförderung und das Infrastrukturpaket beibehalten. Da viele dieser Investitionen in republikanische Bundesstaaten fliessen, könnte Trump vor einer vollständigen Rücknahme der grünen Förderprogramme zurückschrecken. Ausserdem hängt eine Änderung der bestehenden Gesetzgebung von den Mehrheiten im Kongress nach den Wahlen ab.

5. Handelspolitik: Einführung neuer Importzölle

In der Handelspolitik wird Trump die US-Wirtschaft ins Zentrum stellen. Ausserdem werden Sicherheitsüberlegungen eine Rolle spielen, gerade in Bezug auf China. Trump wird versuchen die Abhängigkeit von China in allen kritischen Bereichen weiter zu reduzieren, wobei er wahrscheinlich auf parteiübergreifende Unterstützung zählen kann. Trump hat davon gesprochen, pauschal Strafzölle von mindestens 10 Prozent auf alle in die Vereinigten Staaten importierten Waren zu erlassen. Das würde auch Europa als zweitgrössten Handelspartner der USA treffen. Im Wahlkampf hat er zudem mit Zöllen von mehr als 60 Prozent auf chinesische Importe gedroht. Derzeit liegt die durchschnittliche US-Zollrate bei 3 Prozent und im Fall von China bei 19 Prozent.

Einschätzung: Die Handelspolitik in einer zweiten Trump- Amtszeit stellt eines der grössten direkten Risiken für die Finanzmärkte und die US-Wirtschaft dar. Da keine dritte Amtszeit möglich ist, ist Trump diesmal keinen wahlpolitischen Zwängen unterworfen und wird in Handelsfragen wenig kompromissbereit auftreten. Ein Aufflammen des Handelskrieges mit China könnte dessen wirtschaftlichen Abschwung verstärken, was die Weltwirtschaft erheblich belasten würde. Unter dem Strich werden die US-Zölle in den nächsten Jahren kaum sinken und der Welthandel weiter unter Protektionismus und Vergeltungsmassnahmen leiden.

6. Sicherheitspolitik: Ende der Unterstützung für die Ukraine

Trump will Amerika aus unnötigen Konflikten heraushalten. Er hat sich gegen weitere Militärhilfen für die Ukraine ausgesprochen und würde den Ukraine-Krieg «in 24 Stunden» beenden. Unklar ist seine Position bei einem Konflikt zwischen China und Taiwan. Gegenüber Verbündeten ist mit einer konfrontativeren Politik zu rechnen. Die globale Kooperation wird weiter abnehmen.

Einschätzung: Die Rivalität zwischen den Grossmächten wird auch unter einer isolationistischen Trump-Regierung hoch bleiben, was die Verteidigungsausgaben weiter steigen lässt. Trump dürfte daher versucht sein, einen Teil der internationalen Lasten den Verbündeten zu übertragen. Die Europäerinnen und Europäer müssen eine grössere Last schultern. Dies gilt für die Unterstützung der Ukraine und auch für die allgemeinen Verteidigungsausgaben. Ohne Zustimmung des Kongresses kann Trump zwar nicht aus der NATO austreten. Er könnte die NATO aber auf andere Weise schwächen, indem er Finanzmittel blockiert, keinen Verteidigungsbeistand leistet oder Truppen aus Europa abzieht.

7. Bürokratie: Trockenlegung des politischen Sumpfes

Während seiner ersten Amtszeit versprach Trump den politischen Sumpf in Washington auszutrocknen («Drain the swamp»). Er wird daher versuchen das FBI, die Geheimdienste und so viel von der Regierung wie möglich zu politisieren und Loyalisten in mächtigen Ministerien (Aussenministerium, Verteidigungsministerium, Justizministerium) zu positionieren. Ausserdem beabsichtigt Trump den Kündigungsschutz für zehntausende von Regierungsbeamten zu lockern (Schedule F), um illoyale Mitarbeitetende zu entlassen und den Beamtenapparat auf Linie zu bringen. Weiter fordert Trump, unabhängige Regulierungsbehörden wie die Federal Trade Commission und die Federal Communications Commission dem Weissen Haus zu unterstellen.

Einschätzung: Mit der Aufweichung der Gewaltenteilung und dem Kampf gegen die Bürokratie wird das Vertrauen in Regierung und Institutionen geschwächt und die politische Instabilität gefördert. Rasche Erfolge beim Bürokratieabbau und den Verwaltungsreformen sind aber eher unwahrscheinlich, da sich die Verwaltung und die Gerichte dagegenstemmen werden. Zudem werden die USA nicht über Nacht zu einer Diktatur, auch wenn Trump bei einer roten Welle anfangs immense Machtbefugnisse hätte. Spätestens 2026 würde Trump mit den Zwischenwahlen konfrontiert, welche für gewöhnlich den politischen Spielraum für die zweite Hälfte der Amtszeit einschränken.

Fazit: Wahlen haben immer Konsequenzen

Wer immer die Wahlen 2024 gewinnt, steht vor herausfordernden vier Jahren Regierungsarbeit. Das globale Umfeld ist rauer geworden. Der Druck auf die Staatsfinanzen und Budgetkonflikte werden weiter zunehmen. Zinszahlungen sind der am stärksten steigende Haushaltsposten und dürften bald die Marke von 3 Prozent des BIP überschreiten. Eine Regierung unter Trump würde wahrscheinlich noch grössere Haushaltsdefizite in Kauf nehmen als bisher, durch die Einschränkung der Einwanderung den Arbeitskräftemangel erhöhen, durch Zölle höhere Importpreise verursachen sowie die «Checks and Balances» aushöhlen und möglicherweise Einfluss auf die Notenbank nehmen. Aus makroökonomischer Sicht sind alle diese Massnahmen tendenziell inflationär und nur bedingt wachstumsfördernd. In vielen Bereichen würde es aber auch nicht zu einer völligen Kehrtwende der US-Politik kommen. Vielmehr würde Trump ohnehin angelegte Tendenzen nur beschleunigen. Eine gewisse Abkehr von Europa und eine verstärkte Konzentration der USA auf den asiatischen Raum ist bei jeder künftigen Regierung zu erwarten. Dasselbe gilt für den Drang zu mehr Protektionismus. Dieser geniesst in den USA heutzutage breite überparteiliche Unterstützung.

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