Ein Haus fürs Leben

Wer das Glück hat, ein Einfamilienhaus zu besitzen, möchte dieses Privileg nicht gerne wieder aufgeben, auch wenn die Kinder schon ausgezogen sind. Viele Häuser im Kanton Zürich sind unterbelegt, in mehr als jedem siebten Einfamilienhaus wohnt nur eine einzige Person. Wir zeigen, warum einige Gemeinden stärker betroffen sind und was bei einer Anpassung der Wohnsituation zu beachten ist. Eines schon vorweg: Jetzt ist ein guter Zeitpunkt dafür.

Text: Isabella Kübler, Analytics Immobilien

Ein Haus fürs Leben
Die Kinder ausgezogen, die Partnerin verstorben: Wie weiter mit dem Einfamilienhaus? (Bild: Keystone / Westend61 / Gustafsson)

Das Traumhaus bleibt für viele ein Luftschloss. Kein Wunder: Es werden nur wenige neue Häuser gebaut, und auch bestehende Einfamilienhäuser (EFH) wechseln kaum die Hand. Denn unsere Analyse zeigt: Ist man glücklicher Hausbesitzer, zieht man nicht gerne wieder aus, auch wenn die Kinder das Elternhaus längst verlassen haben oder – im schlimmsten Fall – die Partnerin oder der Partner bereits verstorben ist. Das eigene Haus ist für viele das Zuhause für das ganze Leben. Dadurch ist der Anteil unterbelegter Häuser im Kanton Zürich generell hoch. Die Unterbelegung trägt nicht nur zur Verknappung des Angebots bei, sie ist auch in ökologischer Hinsicht nicht erstrebenswert, da der Flächen- und Energieverbrauch pro Person entsprechend hoch ist.

Hohe Unterbelegung im Kanton Zürich

Wie viele EFH tatsächlich unterbelegt sind, zeigt eine Analyse der Gebäude- und Wohnungsstatistik: Im ganzen Kanton Zürich sind mehr als 70 Prozent der EFH betroffen. Als Unterbelegung gilt für uns, wenn die Zimmerzahl grösser ist als die Anzahl Personen plus 1. Ein 5-Zimmer-Haus ist nach unseren Kriterien mit einer vierköpfigen Familie gut belegt, ein 6-Zimmer-Haus wäre hingegen unterbelegt. Bei der Belegung gibt es grosse räumliche Unterschiede, in einigen Gemeinden ist der Anteil an unterbelegten EFH sogar grösser als 80 Prozent (s. Karte). Die Stadt Zürich hat hingegen mit 58 Prozent den tiefsten Anteil des ganzen Kantons.
 

Immobilien aktuell 1-22

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Viele Einfamilienhäuser im Kanton Zürich sind unterbelegt

Viele Einfamilienhäuser im Kanton Zürich sind unterbelegt
Quellen: Statistisches Amt Kanton Zürich, Gebäude- und Wohnungsstatistik (BFS)

Genossenschaften und Vermietung erhöhen die Belegung

Der relativ tiefe Wert an Unterbelegung in der Stadt Zürich geht vor allem auf die Genossenschaften zurück, die hier etwa 30 Prozent aller Einfamilienhäuser besitzen. Genossenschaften haben zumeist strikte Belegungsregeln. So gilt oft die Vorgabe «Anzahl Personen gleich Anzahl Zimmer», also eine noch restriktivere Regel als in obengenannter Analyse. Der Platz wird nur denjenigen zugesprochen, die ihn wirklich brauchen. Sobald die Kinder ausziehen, müssen häufig auch die Eltern innerhalb einer vorgegebenen Frist in eine kleinere Wohnung umziehen. Diese strengen Vorgaben scheinen gut zu funktionieren, der Anteil an unterbelegten EFH beträgt bei Genossenschaften gemäss unserer Definition nur 25 Prozent. Davon wiederum dürfte sich ein Teil in der obengenannten Übergangsphase nach dem Auszug der Kinder befinden.

Neben den Häusern von Genossenschaften werden weitere ca. 20 Prozent der EFH in der Stadt Zürich vermietet. Ein Haus in der Stadt zu besitzen, ist ein Privileg, das man nicht gern aufgeben möchte. Die hohe Nachfrage ermöglicht es, ein Haus mühelos zu vermieten, bis z.B. der eigene Nachwuchs Interesse am Elternhaus bekundet. Häufig sind die am freien Markt geforderten Mieten sehr hoch, weshalb sich Mieter diesen Luxus nur so lange leisten, bis der Platz nicht mehr gebraucht wird. Ziehen die Kinder in eine eigene Wohnung, wird im Vergleich zu Eigenheimbesitzern schneller etwas Kostengünstigeres gesucht. In vermieteten EFH wechseln also die Bewohner häufiger, was zu einem geringeren Anteil an Unterbelegung führt.

Viel Platz: Luxus oder Belastung?

Ein hoher Anteil unterbelegter EFH ist hingegen an der Goldküste zu finden (s. Karte). In diesen wohlhabenden Gemeinden werden Häuser generell grosszügiger gebaut. 23 Prozent der Häuser verfügen über 7 oder mehr Zimmer, im ganzen Kanton Zürich haben im Durchschnitt nur etwa 12 Prozent so viele Zimmer (s. Grafik unten). Der hohe Unterbelegungsanteil in dieser Region erstaunt somit nicht, da selbst eine fünfköpfige Familie in einer grossen Villa in unserer Auswertung als Unterbelegung gewertet wird.

Ein grosses Haus ist ein Luxus. Zusätzliche Räumlichkeiten für Sport, Sauna oder als Büro sind sehr gefragt. Viel Platz kann aber auch zu einer Belastung werden, insbesondere wenn man allein in einem EFH wohnt. Dies ist im Kanton Zürich in 15 Prozent aller Häuser der Fall, meistens sind die Bewohner Seniorinnen und Senioren (s. Grafik unten). Diese haben in der Regel schon viele Jahre in ihrem Haus verbracht, darin ihre Kinder grossgezogen und mussten unter Umständen miterleben, wie ihre Partnerin oder ihr Partner verstarb. Diese Wohnsituation kann für den einen so in Ordnung sein, für andere hingegen ist es nicht die optimale Lösung. Die Pflege von Haus und Garten sowie das Treppensteigen werden immer anstrengender. Hinzu kommen die sich mit dem Gebäudealter rasch aufstauenden Sanierungen. Im dritten Lebensabschnitt fehlt manchen aber bereits die Energie für eine Anpassung der Wohnsituation. Ein Umzug in eine kleinere Wohnung ist aufwendig und sollte früh angegangen werden, um möglichst viel Spielraum zu haben, sich eine altersgerechte Wohnsituation zu schaffen.
 

Grössenverteilung der EFH für ausgewählte Städte und Bezirke

In der Stadt Zürich dominieren die kleinen EFH, um den See gibt es überdurchschnittlich grosse Häuser
 

Grössenverteilung der EFH für ausgewählte Städte und Bezirke
Quellen: Gebäude- und Wohnungsstatistik (BFS)

Schwierige Suche nach einer passenden Alternative

Bei einer Verkleinerung der Wohnsituation sind verschiedene Punkte zu beachten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich zahlreiche Möbel und weitere Gegenstände angesammelt, mit denen viele schöne Erinnerungen verbunden sind. Sobald man sich entscheidet, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, muss man sich von einigen Gegenständen trennen. Dies fällt vielen schwer. Es braucht Zeit, um zu entscheiden, was bleibt und was weggeworfen oder verkauft werden soll.

Zudem muss auch das entsprechende Wohnungsangebot vorhanden sein. Für Seniorinnen und Senioren kommen vor allem neuere Wohnungen mit bis zu 3 Zimmern in Frage. Neubauten bieten Komfort, der im Alter wichtig ist und einen Umzug attraktiver macht, wie z.B. Lift, Garage oder Barrierefreiheit. Dies bestätigen unsere Finanzierungsdaten: Ehemalige Einfamilienhausbesitzer sind anspruchsvoll und ziehen öfter in eine neuere Wohnung als Bewohner von Stockwerkeigentum oder Mietwohnungen.

Des Weiteren zeigen unsere internen Daten, dass Einfamilienhausbesitzer bevorzugt in der Nähe bleiben. Dies gilt für alle Regionen, ob Stadt, Agglomeration oder Land, und ist vor allem bei älteren Personen stark ausgeprägt. In den meisten Fällen bewegen sich Rentner in einem Umkreis von 5 km um ihre alte Adresse. Die Nähe zu Familie und Freunden ist für diese Altersgruppe sehr wichtig. Viele möchten im Dorf bleiben, womöglich im selben Quartier. Auch wenn viele in jüngeren Jahren behaupten, sie würden zurück in die Stadt ziehen, sobald die Kinder ausgezogen sind, wagen tatsächlich nur wenige diesen Schritt. Ein Umzug (zurück) in die teure Stadt ist nur sinnvoll, wenn man noch gewillt und in der Lage ist, am Stadtleben teilzunehmen. Wenn das umfassende Freizeit- und Versorgungsangebot wie Restaurant- oder Museumsbesuche ohnehin nicht mehr in Frage kommt, ist die Rückkehr nicht mehr attraktiv.

Trotzdem mag es in den Städten und Agglomerationsgemeinden einfacher sein, ein passendes Objekt in der Nähe zu finden. In ländlichen Regionen braucht man bei der Suche hingegen mehr Geduld. Besonders schwierig ist es, eine kleinere Neubauwohnung zu finden, zumal Neubauten nicht nur bei Rentnern beliebt sind. Die Konkurrenz ist gross. Es ist deshalb wichtig, sich damit früh auseinanderzusetzen und zu entscheiden, auf welche Annehmlichkeiten man nicht verzichten möchte.
 

Einzelpersonen im EFH sind in der Regel Rentner

Altersverteilung bei von Einzelpersonen bewohnten EFH
 

Einzelpersonen im EFH sind in der Regel Rentner
Quellen: Bundesamt für Statistik, Zürcher Kantonalbank  

Zahlreiche Stolpersteine

Neben der passenden Wohnalternative müssen auch finanzielle Aspekte berücksichtigt werden. Bei einem Umzug von einem Eigenheim in ein Mietobjekt können die Kosten stark steigen, da angesichts der tiefen Zinsen und der erfolgten Amortisationen die Ausgaben für die Finanzierung und den Unterhalt eines grossen Hauses unter Umständen sogar tiefer sind als die Miete einer kleineren Wohnung. Ausserdem erhöht sich der Kontostand nach dem Verkauf eines EFH deutlich. Im momentanen Zinsumfeld ist ein üppiges liquides Vermögen nicht allzu attraktiv. Je nach Bankbeziehung werden dem Kunden unter Umständen sogar Negativzinsen verrechnet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Grundstückgewinnsteuer. Diese kommt zum Tragen, wenn beim Immobilienverkauf ein Gewinn entsteht. Angesichts der starken Preissteigerungen in den letzten 20 Jahren trifft die Grundstückgewinnsteuer die meisten Hausverkäufer. Wird der Gewinn vollständig oder teilweise in ein neues selbstbewohntes Objekt reinvestiert, wird die Grundstückgewinnsteuer komplett oder teilweise aufgeschoben. Kauft man sich hingegen ein Objekt, das unter dem Kaufpreis des ursprünglichen Hauses liegt, oder zieht gar in eine Mietwohnung, muss der komplette Gewinn versteuert werden.

Entscheidet man sich für einen Ersatzkauf und hat genug Eigenmittel, um zwei Hypotheken gleichzeitig zu finanzieren, kann der Umzug in Ruhe geplant werden. Muss die neue Wohnung vom Verkaufserlös des EFH finanziert werden, müssen Verkaufs- und Kaufzeitpunkt so koordiniert werden, dass der Erlös erzielt ist, bevor das neue Objekt gekauft wird. Dabei ist es wichtig, die eigene Bank früh ins Boot zu holen und sich beraten zu lassen.

Richtigen Zeitpunkt nicht verpassen


Emotionale Bindung, finanzielle Hindernisse und fehlende Alternativen: All diese Faktoren können dazu führen, dass der Hausverkauf möglichst lange hinausgeschoben wird. Dennoch ist es wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ist es ein Lebenstraum, so lange wie möglich im eigenen Haus zu bleiben, kann dieser Traum dank verschiedener Dienstleistungen in Erfüllung gehen. Möchte man sich hingegen nicht länger mit dem vielen Platz, dem Garten und der Treppe herumschlagen, ist es wichtig, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen. Und der Zeitpunkt für den Verkauf eines Einfamilienhauses könnte momentan nicht besser sein, denn die Nachfrage ist so hoch wie noch nie. Die Schlange von Kaufinteressenten ist heute nicht nur vor den Haustüren in Zürich oder an der Goldküste lang, sie wächst auch in ländlichen Gemeinden. Hausbesitzer im ganzen Kanton sitzen am längeren Hebel und können die Situation zu ihren Gunsten nutzen, damit der Umzug weniger schwerfällt. Man kann zum Beispiel mit dem Käufer vereinbaren, dass die Übergabe der Immobilie erst später stattfindet. Die Suche nach einer kleinen Wohnung und der Umzug können dann entspannter angegangen werden. Falls die Eigenmittel es erlauben und man noch nicht für einen Verkauf bereit ist, kann das Haus auch vermietet werden. Damit gibt es für fast jede Konstellation eine gute Lösung. Treffen auch Sie einen aktiven Entscheid, ob der Grundsatz «ein Haus fürs Leben» noch immer gilt.