Leerstände im Kanton Zürich gehen weiter zurück

Vom Mietermarkt zum Vermietermarkt: Die für Mieter komfortable Situation der vergangenen Jahre hat sich gekehrt. Die Leerwohnungsziffer für Mietwohnungen im Kanton Zürich ist in diesem Jahr weiter gesunken, auf das tiefste Niveau seit neun Jahren. Der Hauptgrund ist die deutlich gestiegene Zuwanderung. Eine Einschätzung von Benedikt Lennartz, Immobilien Analytics.

Text: Benedikt Lennartz, Immobilien Analytics

Moderne Wohnsiedlung
Der kantonale Trend zu weniger Leerständen bei Mietwohnungen setzt sich in diesem Jahr fort. (Bild: Getty Images)

Noch vor wenigen Jahren war die Situation für Mieter im Kanton Zürich entspannt. An Orten mit hohen Leerstandsquoten lockten Vermieter nicht selten mit Gratismieten und Sachgeschenken. Nun hat sich die Ausgangslage komplett verändert und eine geeignete Mietwohnung zu finden ist alles andere als ein Kinderspiel. Denn nach einer Trendumkehr im letzten Jahr werden nun auch in diesem Jahr die Wohnungen knapper. Von Präsenten oder Verhandlungsspielraum bei der Miete können Mietsuchende aktuell nur träumen. Die Realität heute sind vielmehr lange Warteschlangen bei Besichtigungen und schwierig auszumachende Fake-Inserate. Oft sind begehrte Wohnungen bereits nach kurzer Zeit wieder von den Immobilienportalen verschwunden. In der Tat lässt sich beobachten, dass Wohnungsinserate deutlich kürzer online verfügbar sind als noch vor ein paar Jahren.

Die vom Kanton publizierten Leerwohnungszahlen bestätigen nun, was Mieter schon länger merken. Der kantonale Trend zu weniger Leerständen bei Mietwohnungen setzt sich in diesem Jahr fort. Konkret gab es im Kanton per 30. Juni rund 800 leere Mietwohnungen weniger als noch im letzten Jahr. Die Leerwohnungsziffer bei Mietwohnungen hat somit den niedrigsten Stand seit neun Jahren erreicht.

Weniger digitale Ladenhüter

Die Mietwohnungsknappheit zeigt sich auch anhand von stärkerem Wettbewerb auf den Immobilienportalen. Ein guter Indikator für die Knappheit am Wohnungsmarkt ist der Anteil der Inserate auf Immobilienplattformen, die schon länger als drei Monate aufgeschaltet sind, digitale Ladenhüter gewissermassen. Grosser Leerstand bedeutet meist auch viele Ladenhüter, doch genau davon gibt es im gesamten Kanton seit zwei Jahren immer weniger.

Der Rückgang beschränkt sich aber nicht nur auf die Städte. Vielmehr war die Anzahl Ladenhüter in fast allen Bezirken des Kantons rückläufig. Der Wohnraum wird knapper, besonders in den ländlicheren Bezirken, wo die Leerstandsquoten tendenziell höher sind. Denn in der Stadt Zürich gab es schon im letzten Jahr kaum leere Wohnungen.

Die Folge: Gerade einkommensschwache Mietinteressenten müssen auf das Umland ausweichen und die dortigen Leerstände gehen ebenfalls zurück. Ein weiterer Grund dürften flexiblere Arbeitsmodelle sein, die sich seit der Coronapandemie verstetigt haben. Wer häufiger im Homeoffice ist, hat das Bedürfnis nach mehr Wohnraum und nimmt einen längeren Arbeitsweg in Kauf. Als Resultat wird das Wohnen ausserhalb der Zentren attraktiver.

Das Angebot kann mit der Zuwanderung nicht Schritt halten

Der wichtigste Grund für den Rückgang der Leerstände im Kanton ist allerdings die gestiegene Zuwanderung. Zwar wächst die Anzahl der Mietwohnungen unvermindert, doch ziehen deutlich mehr Menschen in den Kanton Zürich. Ihr zusätzlicher Wohnungsbedarf übertrifft in diesem Jahr die Zahl neu gebauter Wohnungen um mehrere Hundert. Zusätzlich hat die Pandemie nicht nur den individuellen Raumbedarf steigen lassen, sie war auch eine Herausforderung für bestehende Haushalte. So ist die Anzahl der Scheidungen im letzten Jahr schweizweit nach einem Rückgang im Pandemiejahr 2020 wieder deutlich gestiegen.

Kein Ende in Sicht

Eine erneute Trendumkehr ist sowohl auf der Angebots- wie auch auf der Nachfrageseite aktuell nicht in Sicht. Die Anzahl der erteilten Baubewilligungen im Kanton ist zurzeit niedriger als noch von einigen Jahren. Auch eine deutlich niedrigere Nettozuwanderung ist bei weiterhin solidem Wirtschaftsumfeld nicht zu erwarten.

Gut möglich also, dass der Trend hin zu weniger freien Wohnungen noch eine Zeit anhält. Dieser dürfte zusammen mit der zu erwartenden Anhebung des Referenzzinssatzes auch die Mieten steigen lassen. Zusätzlich kann bei den derzeitigen Energiepreisen von einem steilen Anstieg der Nebenkosten ausgegangen werden. Gesamthaft dürften diese Entwicklungen also für reichlich politischen Zündstoff sorgen.