«Die Ehe ist rechtlich gesehen am besten abgesichert»

Nach der Abstimmung zur Ehe für alle können gleichgeschlechtliche Paare neben dem Konkubinat ab Mitte 2022 neu den Ehebund schliessen. Gleichgeschlechtliche Paare, welche in eingetragener Partnerschaft leben, können diesen Zivilstand auch weiterhin bestehen lassen. Finanzplaner Rolf Häusler kennt die Unterschiede.

Text: Yannik Primus / Bilder: Simon Baumann

Rolf Häusler weiss, wo beim Thema Ehe und Konkubinat der Schuh drückt – er berät als Finanzplaner die Kundinnen und Kunden der Zürcher Kantonalbank seit 25 Jahren.

Mit der Annahme der Ehe für alle können gleichgeschlechtliche Paare ab Mitte nächsten Jahres zur Absicherung in den Bereichen Vorsorge, Erbrecht und Steuern zwischen dem Konkubinat und der Ehe wählen. Welchen Ratschlag geben Sie Unentschlossenen?

Die Ehe bietet auf jeden Fall die stärkste rechtliche Bindung und Möglichkeit zur gegenseitigen Absicherung. Man muss jedoch immer auf die individuelle Gesamtsituation beider Parteien eingehen und diese prüfen. Was für Wünsche und Ziele haben beide Parteien? Gerade bei der Ehe geht es oft nicht nur um finanzielle Absicherung, sondern auch um ein starkes Commitment.

Ehe, Konkubinat und eingetragene Partnerschaft nach dem Ja zur «Ehe für alle» auf einen Blick

Was gilt neu?

Mit dem Ja zur Ehe für alle können gleichgeschlechtliche Paare neu zwischen der Ehe oder dem Konkubinat entscheiden.

Rechtslage Konkubinat

Da das Konkubinat im Gesetz nicht spezifisch geregelt ist, werden Konkubinatspartnerinnen und -partner rechtlich wie Einzelpersonen behandelt. Dies hat unter anderem Auswirkungen auf die Vorsorge, das Erbrecht, den gemeinsamen Hauskauf und die Steuern. Paare, die zusammenleben, aber nicht heiraten möchten, können gewisse Vereinbarungen in einem Konkubinatsvertrag treffen. Hierzu empfiehlt sich der Beizug eines Fachexperten.

Was geschieht mit der eingetragenen Partnerschaft?

Paare, die bereits in einer eingetragenen Partnerschaft leben, können diese weiterführen oder durch eine gemeinsame Erklärung beim Zivilstandsamt in eine Ehe umwandeln. Neu können keine eingetragenen Partnerschaften mehr geschlossen werden.

Was gilt neu?

Mit dem Ja zur Ehe für alle können gleichgeschlechtliche Paare neu zwischen der Ehe oder dem Konkubinat entscheiden.

Was geschieht mit der eingetragenen Partnerschaft?

Paare, die bereits in einer eingetragenen Partnerschaft leben, können diese weiterführen oder durch eine gemeinsame Erklärung beim Zivilstandsamt in eine Ehe umwandeln. Neu können keine eingetragenen Partnerschaften mehr geschlossen werden.

Rechtslage Konkubinat

Da das Konkubinat im Gesetz nicht spezifisch geregelt ist, werden Konkubinatspartnerinnen und -partner rechtlich wie Einzelpersonen behandelt. Dies hat unter anderem Auswirkungen auf die Vorsorge, das Erbrecht, den gemeinsamen Hauskauf und die Steuern. Paare, die zusammenleben, aber nicht heiraten möchten, können gewisse Vereinbarungen in einem Konkubinatsvertrag treffen. Hierzu empfiehlt sich der Beizug eines Fachexperten.

Viele Paare leben im Konkubinat. Worin liegt der Unterschied im Vergleich zur Ehe?

Wer im Konkubinat lebt, geniesst nicht den gleichen rechtlichen Schutz wie ein verheiratetes Paar oder ein Paar in einer eingetragenen Partnerschaft. So sind Paare, die im Konkubinat leben, gegenseitig nicht erbberechtigt und auch im Vorsorgerecht steht kein gegenseitiger Anspruch. Bei der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft besteht eine gegenseitige Fürsorgepflicht.

Für viele Paare ist die Ehe keine Option. Wie löst man beim Konkubinat die Problematik des Ausschlusses vom Erbrecht?

Das Gesetz lässt eine gewisse Flexibilität zu, wem das Vermögen nach dem Ableben zufliessen soll. Dieser Spielraum muss aber aktiv genutzt werden. Zum Beispiel mit einem Testament oder einem Erbvertrag.

Worin liegt der Unterschied?

In einem Testament hält der Erblasser oder die Erblasserin den letzten Willen fest und kann dabei den Spielraum der gesetzlich frei verfügbaren Erbquote nutzen und individuell zuteilen. Es ist kein Einbezug von Drittpersonen nötig. Den Erbvertrag regelt man gemeinsam mit den gesetzlich berechtigten Erben zu Lebzeiten. Solange sich diese einig sind, kann grundsätzlich frei über das ganze Erbe verfügt werden.

Was gilt es bezüglich Pensionskasse zu beachten?

Beim Konkubinat kann die Vorsorgeeinrichtung Leistungen für Konkubinatspartner beim Todesfall vorsehen, von Gesetzes wegen muss sie das jedoch nicht. Darum ist es wichtig, dass man die Bedingungen des jeweiligen Vorsorgereglements genau prüft. Es gilt zu beachten, dass man bei der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft nur anspruchsberechtigt ist, wenn man das 45. Altersjahr überschritten hat und die eingetragene Partnerschaft oder Ehe länger als fünf Jahre gedauert hat. Oder wenn man für den Unterhalt von mindestens einem Kind aufkommen muss.

Falls keine Leistungen vorgesehen sind – was bleibt den Versicherten?

Leider besteht in dem Fall kein Anspruch auf Hinterlassenenleistungen. Die Absicherung muss in diesen Fällen über die private Vorsorge erfolgen.

Wie sieht es aus bei den Steuern?

Für die Einkommens- und Vermögenssteuer gilt im Konkubinat die Einzelbesteuerung. Verheiratete und in eingetragener Partnerschaft lebende Paare werden gemeinsam besteuert.

Heisst das man bezahlt bei der eingetragenen Partnerschaft und Ehe mehr?

Ja und nein. Die Einzelbesteuerung ist bei Doppelverdienern grundsätzlich günstiger. In Situationen, in welchen eine Person ein Einkommen hat und die andere nicht oder bei grossen Einkommensunterschieden ist es in der Regel genau umgekehrt.

Mit welchen Fragestellungen von Konkubinatspaaren werden Sie als Finanzplaner am häufigsten konfrontiert?

Mit der Frage, was bei der Erbschaft passiert. Oftmals steht auch die Vorsorgethematik im Fokus. Beispielsweise bei der Pensionskasse – weil Hinterlassenenleistungen nur entrichtet werden, wenn es die Einrichtung vorsieht und es teilweise Pensionskassen gibt, bei welchen der Partner respektive die Partnerin entsprechend gemeldet werden muss.

Ein latentes Thema, das analog mit der Überalterung der Bevölkerung wächst, ist die Demenz. Was passiert im Falle einer Urteilsunfähigkeit bei nichtverheirateten Paaren?

Ein urteilsunfähiger Mensch benötigt eine Person, die seine Interessen wahrnimmt und ihm zur Seite steht. Das Gesetz sieht für Ehegatten und eingetragene Partner bestimmte Vertretungsrechte vor, um alltägliche Dinge zu regeln. Bei unverheirateten Paaren ist dies – mit Ausnahme von medizinischen Massnahmen – nicht vorgesehen. In diesen Fällen prüft die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), welche Massnahmen erforderlich sind und bestimmt einen Beistand. Wer eine solche Beistandschaft abwenden will, kann mit einem Vorsorgeauftrag festlegen, wer sich im Fall einer Urteilsunfähigkeit um die eigenen Angelegenheiten kümmert. Wir empfehlen einen Vorsorgeauftrag und auch eine Patientenverfügung aufzusetzen – unabhängig vom Alter. Man kann morgen einen Unfall haben und plötzlich ist man urteilsunfähig.

Stichwort finanzielle Sicherheit: Was halten Sie von dem Idealbild einiger Millennials bis Mitte 30 oder 40 so viel zu sparen, dass man das angesammelte Guthaben investieren und von den daraus resultierenden Erträgen leben kann und somit nicht mehr arbeiten muss?

Das ist ein sehr ambitiöses Ziel und braucht extrem viel Selbstdisziplin. Aber grundsätzlich ist dies schon möglich. Bei der Bewirtschaftung des Vermögens muss dabei sehr gut und umsichtig geplant werden. Wichtig scheint mir dabei insbesondere, dass von realistischen Renditen ausgegangen wird und auch Wertschwankungen berücksichtig werden. Zudem braucht es laufend ein gutes «Controlling», welches Transparenz gibt, ob man sich noch auf dem gewünschten Weg befindet. Der Gedanke ist aber schon verlockend – wenn ich zehn Millionen Franken auf der hohen Kante hätte, würde ich vermutlich auch aufhören zu arbeiten.

Was bedeutet für Sie finanzielle Freiheit?

Auf niemanden angewiesen zu sein und die eigenen – realistischen – Wünsche umsetzen zu können.