90 Jahre im Dienst und immer noch gefragt

Am 6. April 2022 übernimmt Sven Bucher die Leitung der Pfandbriefzentrale der Schweizerischen Kantonalbanken AG von Michael Bloch. Er wird damit Herr über genau null Angestellte, denn die Pfandbriefzentrale hat keine Mitarbeitenden – und doch spielt sie eine wichtige Rolle bei der Refinanzierung des Hypothekargeschäftes der Kantonalbanken. Wie kann das sein?

Text: Alexander Wolski

Führungscrew der Pfandbriefzentrale
Sie arbeiten für die Pfandbriefzentrale (v. l. n. r.): Michael Benn, Sven Bucher (neuer CEO ab April 2022), Michael Bloch (bisheriger CEO), Daniela Rey, Marcel Amiet und Michael Wölfle. (Bild: Selina Meier)

Eine Bank, doch keiner leiht ihr Geld – vor diesem Problem standen die Schweizer Banken in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Kapital zu vernünftigen Bedingungen zu beschaffen war wegen der grossen Geldknappheit schwierig. Die Folgen für die Kunden waren weitreichend, denn die hohen Hypothekarzinsen lasteten auf Wirtschaft und Verbrauchern. Nur gemeinsam konnten die Finanzinstitute einen Weg aus dem Dilemma finden. 1931 gründeten sie die beiden Pfandbriefinstitute: Einerseits die Pfandbriefzentrale der Schweizerischen Kantonalbanken und andererseits die Pfandbriefbank, bei der die Nicht-Kantonalbanken angeschlossen sind. Die Idee war nicht neu – die berühmte Kabinettsorder Friedrich II. von Preussen vom 29. August 1769 gilt als Geburtsstunde des Pfandbriefwesens.

Statt doppeltem Boden gleich fünffach gesichert

Für die Schweiz aber war es eine Revolution, denn nun war der Weg zur Refinanzierung über den Kapitalmarkt eine neue Option für alle Kantonalbanken. Zwar konnten grössere Institute schon damals ihren Bedarf am Kapitalmarkt decken, doch für kleine und mittelgrosse Banken war der Kapitalmarktzugang aufgrund der hohen Beträge nur erschwert möglich. Damals wie heute geschieht dies über das Instrument des Pfandbriefs: Hierbei handelt es sich um ein börsenkotiertes Wertpapier, das mit besonderes weitreichenden Sicherheiten ausgestattet ist. Dabei haftet der Emittent der Pfandbriefe, also die Pfandbriefzentrale sowie die darlehensbeziehenden Banken, die vielfach über eine Garantie des jeweiligen Kantons verfügen, mit eigenen Mitteln. Hinzukommen die Hypothekarschuldner der Banken mit ihren verpfändeten Immobilien. Es wird in diesem Zusammenhang von einer fünffachen Sicherungskette des Pfandbriefs gesprochen. Das Ausfallrisiko ist minim – ein Umstand, der Anleger damals wie heute erfreut und sich in einem AAA-Rating niederschlägt.

Mit der Gründung der Pfandbriefzentrale konnten die Aktionäre des Gemeinschaftswerks ihre Hypothekarzinsen für die Kunden senken. Anteilseigner sind alle 24 Kantonalbanken, wobei die Zürcher Kantonalbank mit knapp 18% den höchsten Aktienanteil hält. Daher stellt die grösste Kantonalbank seit 1931 die Geschäftsleitung – ab April mit Sven Bucher an der Spitze. Heute gehört die Pfandbriefzentrale zu den drei grössten Emittentinnen am Schweizer Kapitalmarkt und spielt eine wichtige Rolle bei der Refinanzierung des Hypothekargeschäftes der Kantonalbanken.

Grafik zu den Marktanteilen der Pfandbriefzentrale
Marktanteile im Inlandssegment Obligation in CHF. Stand: 31.12.2021 (Grafik: Pfandbriefzentrale)

Aus der Mode gekommen ist der Pfandbrief nie. Ganz im Gegenteil, denn allein seit 2008 verdreifachte sich der Umlauf und beträgt heute über 70 Milliarden Schweizer Franken. Mehr als ein Drittel aller inländischen Anleihensobligationen sind aktuell Pfandbriefe – und die Erfolgsgeschichte kann weitergehen, denn je unsicherer die Zeiten, desto gesuchter die Pfandbriefe. Damit dies auch in Zukunft geschieht, arbeiten sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienst der Zürcher Kantonalbank für die Pfandbriefzentrale.

Das Gesetz bestimmt die Aufgaben – für Innovationen ist trotzdem Raum

Regelmässig platziert das Team am Schweizer Kapitalmarkt Pfandbriefanleihen bei Investoren und stellt die eingenommenen Mittel den Mitgliedbanken in Form von Pfandbriefdarlehen zur Verfügung. 2021 waren es zehn Emissionen von Pfandbriefanleihen im Gesamtvolumen von CHF 8,6 Mrd. Nicht nur die Platzierung ist gesetzlich vorgeschrieben: Als eigenständiges Unternehmen führt das Team alle in einer Firma anfallenden Tätigkeiten – mit eingeschlossen die notwendigen Modernisierungen. 2015 stellte man beispielsweise die Rechnungslegung auf Swiss GAAP FER um und im Rahmen von Basel III final und anderen regulatorischen Anpassungen waren Änderungen des Pfandbriefgesetzes resp. der Verordnung in Zusammenarbeit mit dem Gesetzgeber notwendig.

Langweilig wird es auch zukünftig nicht: Auf Investorenwunsch und aus regulatorischen Notwendigkeiten gilt es, die Transparenz inklusive Nachhaltigkeitsaspekten weiter zu verbessern. Dafür spannen die Kantonalbanken zusammen, denn ab 2023 können alle über eine Schnittstelle Daten über die Deckung übermitteln. Auch darauf freut sich Sven Bucher: «Michael Bloch übergibt mir ein bestens geführtes KMU mit einem engagierten Spezialisten-Team. Nach der eindrücklichen Verdreifachung der Bilanzsumme auf über CHF 70 Mrd. hat die Pfandbriefzentrale nun die Dimension eines internationalen Grossunternehmens. An diesen Erfolg gilt es anzuknüpfen. Vielen Dank!»

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