Kurs Grün: Beton als CO2-Speicher
Erstaunliches aus der Baustoffindustrie: Die zirkulit AG hat einen Beton mit kleinerem Öko-Fussabdruck entwickelt.
Text: Othmar Köchle / Illustration: Sarah Mazzetti | aus dem Magazin «ZH» 2/2023
Werfen Sie Ihr Altglas, Ihre Metalldosen und Batterien bei den Sammelstellen ein? Landet Ihr Grünabfall in der Biotonne? Gut so. Recycling von Hauskehricht wird in der Schweiz ernst genommen. Doch nun kommt’s: Die Schweizer produzieren zirka 3 Millionen Tonnen Hauskehricht pro Jahr. Etwa 2,5-mal so viel, nämlich 7,5 Millionen Tonnen, beträgt die jährliche Menge an Bauschutt aus dem Rückbau von Gebäuden. Würde man diesen rezyklieren, könnte auf einen ansehnlichen Anteil der 26 Millionen Tonnen Kies, die in der Schweiz jährlich abgebaut werden, verzichtet werden.
Der Kreislauf-Beton
Wiederaufbereitete Baustoffe, die als Teil der Kreislaufwirtschaft die Umwelt entlasten, gehören zur Vision der Eberhard-Unternehmungen in Kloten. Der neudeutsche Begriff «Urban Mining» bezeichnet den Trend, Baumineralien aus Infrastrukturbauten, Gebäuden und Gütern im urbanen Raum zurückzugewinnen. Eberhard hat sich seit über dreissig Jahren diesem Prinzip verschrieben – gegen die Verschwendung natürlicher Ressourcen und knapper Deponieräume. In Oberglatt betreibt die Firma eine Bauschutt-Sortieranlage, die in der Lage ist, alle wiederverwertbaren Bauschuttmaterialien absolut sauber voneinander zu trennen. Mit den so gewonnenen Sekundärrohstoffen lässt sich unter anderem Beton herstellen, der gegenüber neuem Beton aus Primärrohstoffen keine qualitativen Nachteile zeigt. In einem Neubau lassen sich alle tragenden Elemente problemlos mit dem Kreislauf-Beton errichten. Der Clou von zirkulit, dem Top-Produkt der zirkulit AG, die der Eberhard-Gruppe angehört, ist indessen, dass der Beton aus wiederaufbereiteten Baustoffen in der Lage ist, Kohlendioxid langfristig zu binden. Seine Ökobilanz fällt deshalb noch besser aus, kostet den Bauherrn aber etwas mehr.
Wie das CO2 in den Beton kommt
«Der alte Beton hat eine Restaktivität in den Poren, an den Oberflächen, die mit CO2 zu Kalkstein reagieren. Dieser Kalkstein ist eine sehr stabile Verbindung. Und so können wir langfristig CO2 speichern», schildert der visionäre Unternehmer Patrick Eberhard in groben Zügen den Ablauf. Dabei handelt es sich um einen natürlichen Prozess, der normalerweise über Jahrzehnte abläuft. Mit der neu entwickelten Speichertechnologie erfolgt der Prozess in wenigen Stunden.
Aus Klimasicht ist das nur ein kleiner Effekt, da der Grossteil des CO2, das bei der Betonproduktion anfällt, bei der Zementherstellung entsteht. Wir sprechen von zirka 200 kg CO2 für einen Kubikmeter Beton, gegenüber zirka 10 kg CO2 pro Kubikmeter, das im zirkulit gebunden werden kann. Das Unternehmen hat dafür eine mobile CO2-Speicheranlage entwickelt, die zu den Aufbereitern von Bauschutt transportiert werden kann. Täglich können damit bis zu 500 Tonnen Betongranulat aus dem Gebäuderückbau mit CO2 behandelt werden. Je nach Materialzusammensetzung ergibt das über 9 Tonnen gespeichertes CO2.
«Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dieser Technologie erst am Anfang stehen und in Zukunft weit mehr möglich ist», sagt Patrick Eberhard, «es ist ein erster Schritt.» Wichtig ist für ihn, dass Bauen zu einer Kreislaufwirtschaft wird, wo sämtliches Material in einem permanenten Umlauf ist. Neben etwa 13 Prozent Zement, den es für die Herstellung von Beton braucht, besteht zirkulit zu fast 75 Prozent aus Sekundärrohstoff, also wiederaufbereitetem altem Baumaterial.
Ausbau von Angebot und Nachfrage
Die Herausforderung ist es nun, diese Technologie einem breiteren Markt zugänglich zu machen und Bauherren von den Vorzügen zu überzeugen. Die Technologie zur Speicherung von Kohlendioxid im Betongranulat ist zukunftsweisend. Es handelt sich um die erste skalierbare sogenannte Sequestrierungstechnologie, mit welcher in der Schweiz aktiv Klimaschutz betrieben werden kann. Momentan wird zirkulit über die Eberhard-Unternehmungen und vier Distributionspartner in den Räumen Zürich, Limmattal / Aargau, Bern und Südostschweiz vertrieben. Der weitere Ausbau des Distributionsnetzes ist geplant. Um der Technologie zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es aber in erster Linie Bauherren, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Experimente müssen sie nicht machen, der Baustoff ist herkömmlichem Beton völlig ebenbürtig.
Patrick Eberhard ist davon überzeugt, dass kein Weg an einer zirkulären Baustoffwirtschaft vorbeiführt. Mit seinem Unternehmen will er ein Teil der Lösung sein.
Serie «Kurs Grün»
Kaufen, brauchen, wegwerfen – das war gestern. Der Zeitgeist setzt auf die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, des Weiterverkaufs, der Wiederverwendung, der Reparatur und des Recyclings.
In der Serie «Kurs Grün» stellen wir ökologisch und nachhaltig orientierte Unternehmen aus dem Kanton Zürich vor, die in dieser Hinsicht bereits Grosses leisten.