Kreislauf­wirtschaft: Recycling im Aufschwung

Wo stehen wir in Puncto Kreislaufwirtschaft in der Schweiz? Und was bietet sie für Chancen?

Text: Silke Humbert , Nachhaltigkeits-Research

PET-Recycling (Bild: Getty)
Der Preis für Recycling-PET hat jenen für neues PET mittlerweile überholt. (Bild: Getty)

Was ist heute das beste Verkaufsargument, das sich auf einer PET-Getränkeflasche finden lässt? Etwa die neue Geschmacksrichtung? Weit gefehlt! Es ist der Hinweis, dass die Flasche aus 100 Prozent Recycling-PET besteht. Zugegeben, das ist nicht das Resultat einer breit angelegten Studie, doch ein Blick auf die Preise lässt aufhorchen.

Der Preis für Recycling-PET hat jenen für neues PET mittlerweile überholt. Der Grund: Die Konsumgüterindustrie setzt sich vermehrt höhere Zielvorgaben für den Einsatz von recyceltem PET. Dabei verstärken Regulierungen zur Reduktion von Plastikmüll die Bemühungen der Unternehmen zusätzlich.

Bewegen wir uns vom linearen Wirtschaften, bei dem Rohstoffe entnommen, verarbeitet und anschliessend weggeworfen werden, hin zu einer Kreislaufwirtschaft, in der Rohstoffe wiederverwendet werden?

Kreislaufwirtschaft: Wo stehen wir?

Eine gemeinsame Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) und der Berner Fachhochschule hat untersucht, wie weit wir in der Schweiz mit der Kreislaufwirtschaft sind, und kommt zu einem ernüchternden Resultat: Nur rund 10 Prozent der Unternehmen sind substanziell in der Kreislaufwirtschaft tätig.

Am wichtigsten für die Umsetzung von Massnahmen der Kreislaufwirtschaft sei eine hohe Innovationskraft der Unternehmen. Viel zu oft äussern diese, dass sich ihr Produkt oder ihre Dienstleistung für eine Anwendung der Kreislaufwirtschaft nicht eigne. Für die Forscher sind solche Äusserungen ein Beleg dafür, dass bislang nicht genügend über neue innovative Möglichkeiten nachgedacht wurde. Ein weiteres Merkmal von in der Kreislaufwirtschaft tätigen Unternehmen sei eine Sensibilität für Nachhaltigkeitsthemen und ein hoher Digitalisierungsgrad. Letzten Endes müssten die Unternehmen auch über die finanziellen Ressourcen verfügen, um neue Massnahmen implementieren zu können.

Kostenfrage als ökonomischer Widerspruch?

Tatsächlich stösst das ökonomische Konzept der Preisbildung über Angebot und Nachfrage an Grenzen. Das liegt zum einen daran, dass die Knappheit der Ressourcen nicht im Preis widergespiegelt ist. Zum anderen sind negative Externalitäten wie die Auswirkungen des Ressourcenabbaus auf Dritte nicht im Preis abgebildet. In einer Welt mit Preisen, welche die Kostenwahrheit reflektieren, wären ressourcenreduzierende Massnahmen keine Kostenfrage und würden sich Massnahmen der Kreislaufwirtschaft immer auch ökonomisch auszahlen.

Technologische Pfadabhängigkeit

Eine weitere Schwierigkeit besteht in der technologischen Pfadabhängigkeit, kurz auch «one damn thing follows another»: Hat man technologisch erst einmal einen bestimmten Weg eingeschlagen, haben neue Produkte, die nicht anschlussfähig sind oder die ein Umdenken erfordern, einen schweren Stand. Selbst dann, wenn diese Produkte eigentlich geeigneter wären.

Ein Beispiel dafür ist der Siegeszug der ursprünglich für die Schreibmaschine entwickelten QWERTY-Tastatur. Vermutlich hätte es bessere Alternativen gegeben – aber wer möchte schon Tausenden von Bürofachkräften erklären, dass sie das Schreibmaschinenschreiben neu erlernen müssen?

Kreislaufwirtschaft bedeutet Chancen

Plastikrecycling ist also nicht repräsentativ für den Fortschritt bei der Kreislaufwirtschaft, die leider auch in der Schweiz erst in ihren Anfängen steckt. Dabei hätte gerade die Schweiz mit ihrer hohen Innovationskraft laut besagter Studie beste Voraussetzungen dafür. Und durch das in der Schweiz beschränkte Ressourcenvorkommen liegen auch die Vorteile klar auf der Hand.

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