Früher war es ein Begriff, mit dem vor allem die Fliesswasser-Gruppe der örtlichen Primarschule oder der lokale Umweltschutzverein etwas anfangen konnten. Heute ist Biodiversität bei Investoren und Unternehmen eine feste Grösse – und sie wird auch beim World Economic Forum (WEF) diskutiert.
So hat das WEF berechnet, dass über die Hälfte der globalen Wertschöpfung mässig oder stark von durch die Natur bereitgestellten Leistungen abhängt. Folgerichtig bestätigt auch eine Umfrage des WEF, dass der Verlust an Biodiversität als eines der drei grössten Risiken weltweit angesehen wird.
Im Weltbiodiversitätsrat, der 2012 analog zum Weltklimarat gegründet wurde, dokumentieren weltweit führende Wissenschaftler regelmässig, wie es um die biologische Vielfalt bestellt ist. Die aktuellen Zahlen sind alarmierend: Die Rate des Artenverlusts sei zehnmal bis 100-mal grösser als der Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre, so die Forscher. Oder pointierter: Seit dem Aufstieg der Zivilisation sind über 83 Prozent der wildlebenden Säugetiere, 80 Prozent der Meeressäuger und 50 Prozent der Pflanzen ausgestorben.
Biodiversität als Lebensgrundlage
Wieso ist Biodiversität für uns Menschen so wichtig? Die mit bedeutendste Leistung der Ökosysteme, die wir zumeist als einfach gegeben voraussetzen, ist die Sauerstoffproduktion. Über die Hälfte des Sauerstoffs, den wir einatmen, stammt nicht vom Land, sondern aus den Meeren. Er kommt von Mikroalgen her, sogenanntem Phytoplankton, das durch Photosynthese Sauerstoff produziert.
Durch die abnehmende Biodiversität geraten Flora und Fauna der Meere aktuell jedoch immer stärker aus dem Gleichgewicht. Forscher gehen zum Beispiel davon aus, dass die Korallenriffe bei einer Erwärmung von über 1,5 Grad komplett absterben werden.
Auch unsere Nahrungsmittelproduktion hängt stark von der Biodiversität ab. Durch die abnehmende Biodiversität ist sie weniger widerstandsfähig gegenüber Schädlingen und Klimaveränderungen.
Ein Beispiel für die hohe Relevanz der Artenvielfalt ist die zuletzt vielzitierte Abnahme der weltweiten Insektenpopulationen um über 40 Prozent in den letzten Jahrzehnten. Daraus resultieren Folge-Probleme, denn Insekten stehen meistens am unteren Ende der Nahrungskette.
Höherstehende Tiere wie Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische sterben ohne Insekten als Nahrungsgrundlage aus. Ausserdem sind Insekten auch die wichtigsten Bestäuber der Welt: Drei Viertel der wichtigsten Nahrungspflanzen sind auf die Bestäubung angewiesen.
Wie kann Biodiversität von Unternehmen berücksichtigt werden?
Stand heute gibt es keine Biodiversitätskennziffer, mit der sich der Einfluss der Unternehmen auf die natürlichen Grundlagen messen liesse. Getreu dem Motto «What gets measured, gets done» wurde im Juni 2021 die Task Force für naturbezogene Offenlegungen (Task Force on naturerelated Financial Disclosures, TNFD) von einer breiten Allianz aus Wirtschaft, Regierungen und NGOs gegründet, um zukünftig die Konsequenzen wirtschaftlichen Handels auf die Biodiversität berücksichtigen zu können.
Die Taskforce hat zur Aufgabe, ein Rahmenwerk bezüglich Risikomanagement und Offenlegung für Organisationen zu entwickeln, um naturbezogene Risiken zu erfassen und frühzeitig darauf reagieren zu können. Dies mit dem Ziel, die globalen Finanzströme so zu verlagern, dass sie eben keine negativen Folgen, sondern bestenfalls positive Auswirkungen auf die Natur haben.