Brückentechnologie: Sind Gas- und Atomkraft die Lösung?
Kürzlich hat die EU-Kommission Gas- und Atomkraft als Brückentechnologien hinsichtlich eines bis 2050 klimaneutralen Europas eingestuft. Ist das der richtige Weg? Silke Humbert, Nachhaltigkeitsspezialistin, bringt Licht ins Dunkel.
Text: Silke Humbert
«Über sieben Brücken musst du gehen», heisst es in einem bekannten Lied. Sieben Brücken sind es zwar nicht ganz, dafür aber hochoffiziell zwei. Im Februar 2022 hat die EU-Kommission Gas- und Atomkraft als Brückentechnologien hinsichtlich eines bis 2050 klimaneutralen Europas eingestuft.
Der Protest kam postwendend: «Das Brückentechnologie-Theater kostet uns wieder zehn Jahre», so Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Die EU-Kommission führt als Grund für Gas- und Atomkraft den im Vergleich zu Kohle niedrigeren Ausstoss an Treibhausgasen an. Das klingt erstmal sinnvoll. Wieso sind diese beiden Brückentechnologien dennoch umstritten?
Atomkraft, nein danke?
Die Hauptargumente der Gegner bezüglich Atomenergie sind: zu teuer, zu langwierig, zu riskant. Zwar sind die langfristigen operativen Kosten eines Atomkraftwerks sehr tief, dafür sind die Anfangsinvestitionen jedoch sehr hoch. So stiegen die Kosten der letzten Bauten nicht selten auf einen zweistelligen Milliardenbetrag an und ihr Bau dauerte weit über zehn Jahre. Zusätzlich stehen die allgemein bekannten Risiken bei einem Reaktorunfall, die ungelöste Endlagerfrage und die Sorge um unkontrollierte Verbreitung radioaktiven Materials im Raum. Lässt man jedoch die Diskussion über Wirtschaftlichkeit und Risiken ausser Acht und betrachtet allein die Emission von Treibhausgasen, so kann Atomkraft durch ihre geringeren Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilen Energieträgern als Brückentechnologie bezeichnet werden.
Gas – die sauberere Kohle?
Bei Gas sieht die Sachlage anders aus. Neuere Studien legen nahe, dass die Emission von Treibhausgasen bei Frackinggas ähnlich hoch ist wie bei Kohle. Das Konzept der Brückentechnologie, nämlich Energie mit weniger – wenn auch nicht gänzlich ohne – Emissionen herzustellen, trifft auf Gas dann nicht mehr zu. Wie kommt es zu dieser neuen Einschätzung? Bei der Verbrennung von Gas entsteht tatsächlich weniger Kohlendioxid. Bei gleichem Energiegehalt entsteht bei der Verbrennung von Gas nur etwa halb so viel Kohlendioxid wie bei Kohle. Aber Kohlendioxid ist nicht das einzige Treibhausgas. Wie jüngste Studien zeigen, gelangt über den gesamten Produktionszyklus von Frackinggas hinweg viel Methan in die Atmosphäre. Und Methan ist viel schädlicher für das Klima als Kohlendioxid: Seine Treibhausgaswirkung ist über 80-Mal höher in den ersten 20 Jahren.
Auf zu erneuerbarer Energie in Lichtgeschwindigkeit
Der Krieg in der Ukraine hat offengelegt, dass wir aktuell leider auf diese Brückentechnologien angewiesen sind und auch nicht allzu schnell auf sie verzichten können. Hinter der Kritik steckt vielfach die Sorge, dass sie uns nicht in eine klimaneutrale Zukunft führen und wir stattdessen permanent auf sie angewiesen bleiben. Glaubt man der EU, so wird das nicht passieren: «It is time we tackle our vulnerabilities and rapidly become more independent in our energy choices», so Frans Timmermans von der EU-Kommission für den Green Deal, «let's dash into renewable energy at lightning speed.»