Die Treiber des Goldpreises

Schmuck macht noch heute den grössten Anteil der Goldnachfrage aus. Der Preis des gelben Edelmetalls wird allerdings primär durch Finanzakteure getrieben. Lesen Sie mehr im Market Insight von Elias Hafner, Senior Investment Strategist bei der Zürcher Kantonalbank.

Text: Elias Hafner

Goldbarren
Gold gilt allgemein als sicherer Hafen oder als Krisenwährung. (Bild: Wikimedia Commons / Steve Bidmead)

Die Hochkultur der Inkas soll Gold als den «Schweiss der Sonne» bezeichnet haben. Diese mythologische Bezeichnung trifft den Kern der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnis zur Herkunft des raren Metalls ziemlich gut.

Gold ist nicht auf der Erde entstanden, sondern ist ein Produkt eines verglühenden Sterns beziehungsweise einer Sternkollision. Trotz seines knappen Vorkommens auf der Erde ist das gelbe Edelmetall allerdings breit über unseren Planeten verteilt. So wird es heute auf allen Kontinenten ausser der Antarktis abgebaut.

Zu den Ländern mit der grössten jährlichen Abbaumenge gehören China, Australien, Russland, die USA und Kanada. Aber auch in Afrika und in Südamerika befinden sich wichtige Produktionsländer. Damit hat kein Staat oder keine Region eine marktbeherrschende Stellung. Längerfristig ist das knappe Vorkommen auf der Erde der wichtigste Treiber des Goldpreises. Das stark diversifizierte Goldangebot macht indes den Goldmarkt wenig anfällig für Angebotsschocks. Die treibenden Kräfte für zyklische Preisbewegungen sind daher nicht primär angebotsseitig zu verorten, sondern müssen auf der Nachfrageseite gesucht werden.

Schmuck macht die Hälfte der Goldnachfrage aus

Aufgrund seines edlen Glanzes und der vorteilhaften Eigenschaften wie der hohen Beständigkeit und der einfachen Bearbeitbarkeit wird Gold seit mehr als 6000 Jahren als Schmuck, Statussymbol oder Grabbeigabe verwendet. Schmuck macht noch heute den grössten Anteil der Goldnachfrage aus. Rund die Hälfte des jährlich verfügbaren Goldes wird zu Ringen, Ketten, Uhren oder anderen Schmuckstücken weiterverarbeitet.

Gross ist der Goldhunger insbesondere in Asien, woher fast 80 Prozent der Schmucknachfrage stammt. Aufgrund der Knappheit kommt das gelbe Edelmetall auch seit Jahrtausenden als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel zum Einsatz. Über die letzten Jahre flossen gut 40 Prozent der jährlich verfügbaren Goldmenge Anlagezwecken zu. Dies schliesst einerseits den offiziellen Sektor mit den Zentralbanken mit ein, die physisches Gold als Teil ihrer Reserven halten.

Anderseits sind damit Investments von Privatpersonen in Form von Barren, Münzen, aber auch börsengehandelten Fonds (ETFs) oder ähnlichen Produkten gemeint. Schliesslich wird Gold auch in der Industrie und in der Technik eingesetzt. Aufgrund der sehr guten Leitfähigkeit kommt es in verschiedenen Bereichen der Elektroindustrie wie bei Mikrochips, Halbleitern, Mobiltelefonen oder Satelliten zur Anwendung. Des Weiteren wird es in der Medizin genutzt, vorwiegend in der Zahnmedizin. Die Verwendung in der Industrie und der Medizin macht aber mit weniger als 10 Prozent nur einen kleinen Teil der jährlichen Nachfrage aus.

Goldschmiede und Notenbanken als Preisnehmer

Gold unterscheidet sich mit dieser Nachfragezusammensetzung klar von den anderen Edelmetallen. So wird bei Silber und Platin gut die Hälfte von der Industrie nachgefragt (inklusive der Autoindustrie) und Palladium kommt fast ausschliesslich dort zur Anwendung.

Es ist daher naheliegend, dass die Preise dieser sogenannten «weissen Edelmetalle» einen stärkeren Industriemetallcharakter aufweisen und damit auch stärker von der konjunkturellen Entwicklung getrieben sind. Die industrielle Nachfrage nach Gold ist hingegen zu unbedeutend, um den Preis entscheidend zu beeinflussen. Interessant ist, dass die Nachfrage sowohl seitens der Schmuckindustrie als auch der Zentralbanken in den vergangenen Jahren einen negativen Zusammenhang mit dem Goldpreis aufwies.

Das heisst, wenn die Preise gestiegen sind, so war die Nachfrage aus diesen Segmenten tendenziell rückläufig. Die Nachfrage aus diesen Bereichen kommt also nicht als primärer Preistreiber in Frage. Vielmehr lässt dieses Muster die Interpretation zu, dass die wirtschaftlichen Akteure aus diesen Nachfragsegmenten Preisnehmer sind und beispielsweise tiefe Preise nutzen, um günstig einzukaufen.

Goldpreis wird an den Finanzmärkten bestimmt

Die private Anlagenachfrage für Gold weist hingegen einen positiven Zusammenhang mit dem Goldpreis auf. Insbesondere die Bestände der Exchange Traded Funds (ETFs) zeigen einen deutlichen Gleichlauf. Dies lässt den Schluss zu, dass der Goldpreis primär durch die Finanzakteure getrieben wird und die Kapitalströme in und aus diesen Gefässen einen wichtigen Preistreiber darstellen oder zumindest eine preisverstärkende Wirkung haben.

Exemplarisch lässt sich dies gut über den Verlauf der Pandemie zeigen. So stiegen mit dem Beginn der Coronakrise im 1. Quartal 2020 die Zuflüsse in die Gold-ETFs deutlich an. Während dieser Zeit lockerten die globalen Notenbanken ihre Geldpolitik massiv, was den Goldpreis auf einen neuen Rekordwert steigen liess. Mit der fortschreitenden Erholung der Wirtschaft und den sich abzeichnenden Impffortschritten gegen Ende 2020 schwand allerdings das Interesse an Gold.

Kein perfekter Inflationsschutz in der kurzen Frist

Wie attraktiv das Halten von Gold für Investoren ist, wird unterliegend durch das Inflations- und Risikoumfeld sowie die Opportunitätskosten bestimmt. So suchen Investoren Gold, wenn sich die längerfristigen Inflationsrisiken erhöhen.

Aufgrund seines beschränkten Vorkommens bietet Gold langfristig einen guten Inflationsschutz. Über die letzten Jahrzehnte betrachtet ist der Goldpreis sogar stärker angestiegen als die Konsumentenpreise. Das gelbe Edelmetall hat damit nicht nur seine Kaufkraft erhalten, sondern diese über einen längeren Zeitraum sogar erhöht.

Kurzfristig ist Gold allerdings keine perfekte Absicherung gegen steigende Preise. Andere Kräfte können den Inflationseffekt überlagern. So besteht beispielsweise im Durchschnitt kaum ein Zusammenhang zwischen der Veränderung des Goldpreises und der aktuellen Inflation. Der Zusammenhang war zwar in der Vergangenheit bei höheren Inflationsraten (> 4 Prozent) etwas stärker, blieb aber auch hier moderat.

Gold kann in Krisen noch stärker glänzen

Gold gilt allgemein als sicherer Hafen oder als Krisenwährung. Sichere Häfen zeichnen sich dadurch aus, dass sie in Zeiten von steigender wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit oder Stress an den Finanzmärkten gefragt sind. Allerdings führte in der Vergangenheit eine höhere Unsicherheit an den Aktienmärkten, gemessen am Volatilitätsindex, im Durchschnitt nicht zu einem höheren Goldpreis.

Dies deckt sich mit einer historischen Korrelation zwischen der Aktienmarktperformance und Gold von nahe null. Betrachtet man seit 1970 nur die Börsentage mit den stärksten Aktienmarktkorrekturen an einem einzelnen Tag, schloss Gold nur in rund der Hälfte der Tage im positiven Bereich.

Weitet man allerdings den Blick auf längere Abschwungphasen am Aktienmarkt aus, verbessert sich die Bilanz von Gold als Krisenwährung deutlich. So lieferte Gold beispielsweise während des Aktienmarkteinbruchs zu Beginn der Coronakrise 2020 oder in der langanhaltenden Baisse während der globalen Finanzkrise 2007/08 sowie auch im Nachgang geopolitischer Ereignisse wie der Brexit-Abstimmung oder der Terroranschläge vom 11. September 2001 eine leicht bis stark positive Wertveränderung.

Beim Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 korrigierte Gold zwar mit dem Aktienmarkt mit, wies aber ein weit geringeres Minus auf. Zusammengefasst bietet Gold zwar keine perfekte Absicherung gegenüber Rückschlägen am Aktienmarkt, reagiert aber zumindest deutlich weniger negativ auf Schocks und trägt somit als Diversifikator zur Stabilität im Portfolio bei.

Realrenditen und US-Dollar sind entscheidend

Da Gold keinen Ertrag abwirft, ist das Halten des Edelmetalls im Anlagedepot aufgrund von Inflationsrisiken oder zum Portfolioschutz für Investoren im Normalfall nicht gratis, sondern mit Opportunitätskosten verbunden.

Im Vergleich zu festverzinslichen Anlagen sind dies die Zinsen beziehungsweise die Renditen bei Staatsanleihen. Genau genommen handelt es sich um die Realrenditen, also die Renditen minus die längerfristigen Inflationserwartungen. Die nominalen Anleihen kompensieren im Unterschied zu Gold langfristig nicht für die Inflation. Mit dem starken Abwärtstrend bei den Renditen seit Anfang der 1980erJahre ist über die Zeit auch die reale Verzinsung gesunken, was die Opportunitätskosten reduzierte und insbesondere ab den 2000er-Jahren zu einem deutlichen Anstieg des Goldpreises führte. Nach einer zwischenzeitlichen Erholung bei den Zinsen sowie einem Rücksetzer bei Gold haben die beispiellosen Massnahmen der Notenbanken seit Pandemiebeginn die Realrenditen nochmals tiefer in den Keller gedrückt. Entsprechend ist der Goldpreis mit den tieferen Realrenditen in der Pandemie auf einen neuen Rekordstand gestiegen. Seit der Finanzkrise hatten die US-Realrenditen den grössten Einfluss auf die Entwicklung des Goldpreises.

Ebenfalls einen über die Zeit robusten negativen Zusammenhang weist Gold mit dem US-Dollar auf. Einerseits ist der Goldpreis an den Finanzmärkten in der Weltwährung denominiert, was bei einem stärkeren Dollar den Gegenwert von Gold nach unten drückt. Anderseits verteuert eine stärkere US-Währung Gold in wichtigen Nachfrageländern.

Ausblick: Höhere Realzinsen schaffen Korrekturpotenzial

Seit seinem Höchststand im August 2020 befand sich der Goldpreis in einer Konsolidierungsphase. Mit dem Krieg in der Ukraine ist die Krisenwährung in die Gunst der Anleger zurückgekehrt. Die geopolitische Unsicherheit und die anhaltenden Inflationsüberraschungen haben in den ersten Monaten 2022 sowohl die Nachfrage wie auch den Preis von Gold gestützt. Gemäss den Zahlen des World Gold Council ist die Goldnachfrage im 1. Quartal 2022 um rund ein Drittel gegenüber dem Vorjahresquartal angestiegen.

Während sich die physische Nachfrage aus der Schmuckindustrie angesichts höherer Preise zurückhielt, legte die Investmentnachfrage deutlich zu. So liegen die Bestände der Gold-ETFs Anfang Juni rund 7 Prozent über dem Niveau von Anfang Jahr, wenn auch das Investoreninteresse seit Ende April etwas abgenommen hat. Insgesamt haben sich aber die fundamentalen Treiber seit Anfang Jahr nicht zugunsten von Gold entwickelt. Aufgrund der starken geldpolitischen Kehrtwende der US-Notenbank Fed sind die Opportunitätskosten für Gold, gemessen an den Renditen für inflationsgeschützte US-Staatsanleihen, um über einen Prozentpunkt gestiegen.

Im historischen Zusammenhang wäre dies mit einer Korrektur des Goldpreises im zweistelligen Prozentbereich einhergegangen. Zudem wertete seit Anfang Jahr der US-Dollar auf, was ebenfalls eine Belastung darstellen sollte. Schliesslich dürfte zumindest in den realisierten Zahlen für die Gesamtinflation der Höhepunkt erreicht sein.

Bis anhin konnte sich Gold dem aufkommenden Gegenwind grossteils entziehen. Alles in allem besteht aus fundamentaler Sicht aber Abwärtspotenzial, sollte an den Finanzmärkten der Ukraine-Krieg noch stärker in den Hintergrund rücken und die Fundamentaldaten in den Fokus der Anleger zurückkehren. Gold bleibt ein langfristiger Inflationshedge In der langen Frist bleibt, wie eingangs erwähnt, das knappe Angebot der wichtigste Treiber des Goldpreises.

Wie in der Vergangenheit dürfte das Edelmetall auch künftig die aufgelaufene Inflation kompensieren. Angenommen, die Finanzmärkte behalten recht und die heutigen US-Inflationserwartungen von jährlich 2,5 bis 3 Prozent über die nächsten zehn Jahre erweisen sich als korrekt, impliziert dies ein Anstiegspotenzial von rund 30 Prozent. Während das CIO-Office der Zürcher Kantonalbank also in zwölf Monaten von einem tieferen Goldpreis ausgehen, dürfte der Inflationsausgleich auf Mehrjahressicht den Goldpreis wieder nach oben führen.

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