UN-Klimakonferenz mit Neujahresgrüssen aus Dubai
An der 28. UN-Klimakonferenz wurde die «Abkehr von fossilen Energieträgern» beschlossen. Wo stehen wir im Vergleich zu den Pariser Klimazielen von vor acht Jahren? Lesen Sie die Einschätzung von Silke Humbert, Nachhaltigkeitsökonomin.
Text: Silke Humbert
Manch einer mag sich verwundert die Augen gerieben haben. Der Abschlusstext der 28. Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Dubai (COP28) bestand in einem Aufruf zur Abkehr von fossilen Energieträgern. Das Medienunternehmen Bloomberg nennt das «vielversprechend», Deutschlands Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik Jennifer Morgan spricht von einem «Wendepunkt», und Simon Stiell, der Exekutivsekretär der Vereinten Nationen für das Rahmenabkommen zum Klimawandel, sieht darin den «Anfang vom Ende des fossilen Energiezeitalters».
Wirklich? Acht Jahre nach dem denkwürdigen Klimagipfel in Paris kommen die Staaten nach zwei Wochen zäher Verhandlungen auf die Idee zur Abkehr von fossilen Energien, und das soll nun ein bedeutendes Ergebnis sein? Dies, nachdem in der Schweiz 2021 über das CO2-Gesetz und 2023 über das Klimagesetz abgestimmt wurde? Beides Gesetzesvorlagen, die notabene auf die Verminderung von Treibhausgasemissionen durch die Reduktion von fossilen Energien abzielen.
War denn nicht schon das Pariser Klimaziel mit einer Abkehr von fossilen Energien und damit einer Energiewende gleichzusetzen?
Kohlenstoffabscheidung und -speicherung als letzter Strohhalm
Tatsächlich wurde 2015 in Paris nicht beschlossen, dass alle Länder die Energiewende einzuleiten haben, sondern dass Anstrengungen unternommen werden sollen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf bestenfalls 1,5 Grad Celsius relativ zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Aber folgt daraus nicht logischerweise die Notwendigkeit einer Energiewende? Die Antwort hängt anscheinend von der Perspektive ab.
Für viele westliche Länder lautet die Antwort «Ja». Schliesslich sind es Treibhausgasemissionen, die zur Temperaturerhöhung führen, und drei Viertel davon entstehen bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Für Länder, deren Wohlstand auf fossilen Energieträgern basiert, ist die Frage nicht ganz so eindeutig zu beantworten, und sie verweisen dabei auf die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. Mithilfe dieser Technik werden Treibhausgase aus der Luft gefiltert und eingelagert. Theoretisch wäre es so möglich, weiterhin fossile Energieträger zu verbrennen, ohne dabei die Konzentration von Kohlendioxid zu erhöhen. Somit ist auch der saudische Energieminister Abdulaziz bin Salman, dessen Land dem Pariser Klimaziel zugestimmt hat, nicht schizophren, wenn er auf die Frage, ob sein Land einem Ausstieg aus der fossilen Energie zustimmen würde, mit «Auf gar keinen Fall» antwortet.
In der Praxis undenkbar
Allerdings klaffen Theorie und Praxis im Leben oft weit auseinander, und für die Kohlenstoffabscheidung gilt das ganz besonders. Mit den heute bekannten Verfahren ist die Kohlenstoffabscheidung daher vergleichbar mit dem Versuch, Meerwasser mit einem Filter manuell zu entsalzen. Theoretisch möglich, im grossen Stil aber praktisch undenkbar. Die internationale Energieagentur sagt daher zurecht, dass wir uns von der Illusion verabschieden müssen, einen unrealistisch hohen Beitrag in der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung zu sehen. Hochrechnungen gehen davon aus, dass im Jahr 2030 etwa 1 Prozent der heutigen globalen CO2-Emissionen mittels dieser Technik absorbiert werden können.
Ende gut – alles gut?
Die Wunschformulierung der westlichen Welt, nämlich ein Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung, hat es nicht in die Schlusserklärung geschafft. Stattdessen ist es nur eine Abkehr geworden. Noch während der COP28 schrieb der saudische Energieminister hektisch einen Brief an alle erdölexportierenden Länder mit der Aufforderung, keine Schlusserklärung zu akzeptieren, die auf fossile Energieträger abzielt.
Wenn man bedenkt, dass die Schlusserklärung dennoch einstimmig beschlossen wurde, und berücksichtigt, dass der Präsident der COP28, Sultan Al Jaber, seines Zeichens Chef der staatlichen Ölgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate ist, dann ist diese Schlusserklärung tatsächlich ein grosser Erfolg. Die Arbeit liegt trotzdem noch vor uns. «Eine Einigung ist nur so gut, wie ihre Umsetzung. Wir sind, was wir tun, nicht was wir sagen», sagte Al Jaber in seiner Schlussrede. Ist das nicht ein schöner Neujahrsvorsatz.