Exportindustrie im Wandel
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Schweizer Exporte ins Ausland in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen sind. Die dominierenden Branchen haben sich über die Zeit verändert, nicht zuletzt wegen des Strukturwandels. Chefökonom Schweiz David Marmet liefert Zahlen und Hintergründe.
Text: David Marmet
Wieder einmal geht ein Gespenst um in Europa. War es für Marx und Engels in ihrer Schrift von 1848 der Kommunismus, ist es heute die künstliche Intelligenz (KI). Sie bietet ein enormes Potenzial für Innovationen, die menschliche Arbeit zum Grossteil obsolet mache, sagt man.
Die tief im Menschen verwurzelte Angst, dass uns die Arbeit ausgeht, taucht wieder prominent auf der wirtschaftspolitischen Agenda auf. Und dies in einer Zeit, in der viele Unternehmen klagen, keine geeigneten Fachkräfte finden zu können.
Die letzten Jahrhunderte haben indes gezeigt, dass uns die Arbeit trotz Industrialisierung und Digitalisierung nicht ausgeht. Aber sie ändert sich grundlegend und rasant. Typischerweise wird der durch gesellschaftliche Umbrüche und neue technische Errungenschaften bedingte Strukturwandel anhand von sich ändernden Berufsbildern oder sektorspezifischer Beschäftigungsentwicklung dargestellt. An dieser Stelle soll aber der Strukturwandel mittels der Schweizer Exportanteile nach Branchen gezeigt werden.
Schweizer Exporte 1988
Dafür lohnt sich ein Blick rund drei Jahrzehnte zurück, und zwar auf das Jahr 1988, also auf die Zeit vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Damals exportierte die Schweiz Waren im Wert von CHF 68 Mrd ins Ausland. Mit über CHF 22 Mrd bzw. 32 Prozent aller Ausfuhren war die Maschinen- und Elektronikindustrie bei Weitem die wichtigste Exportbranche. An zweiter Stelle folgte die chemisch-pharmazeutische Industrie mit einem Anteil von 23 Prozent. Die weiteren Plätze belegten die Metallindustrie mit 9 Prozent, die Uhrenindustrie mit 7 Prozent, die Industrie der Präzisionsinstrumente mit 6 Prozent und die Textilindustrie mit 5 Prozent.
Viel höhere Exporte 2022
Nun folgt ein Sprung in die Gegenwart. 2022 exportierte die Schweiz Waren im Wert von CHF 278 Mrd, also viermal mehr als 1988. Im Durchschnitt nahmen die Exporte jährlich um 4,2 Prozent zu. Eine überdurchschnittlich hohe Wachstumsrate verzeichnete dabei die chemisch-pharmazeutische Industrie. Ihre Exporte wuchsen jährlich um 6,5 Prozent. Entsprechend hat sich ihr Exportanteil frappant erhöht und beträgt heute knapp 50 Prozent.
Hingegen stiegen die Ausfuhren der Maschinen- und Elektronikindustrie jährlich gerade einmal um 1,2 Prozent. Ihr Exportanteil hat sich innerhalb von 34 Jahren um 20 Prozentpunkte auf 12 Prozent reduziert. Düster sieht das Bild in der Textilindustrie aus. Sie ist die einzige Branche, die in absoluten Zahlen heute sogar weniger exportiert als 1988. Ihr Beitrag an den gesamten Ausfuhren reduzierte sich auf nunmehr kümmerliche 0,4 Prozent. Ihren Exportanteil erhöhen konnten hingegen die Uhrenindustrie und die Industrie für Präzisionsinstrumente, und zwar um zwei Prozentpunkte auf 9 Prozent beziehungsweise um einen Prozentpunkt auf 7 Prozent. Die Metallindustrie rutschte demgegenüber vom dritten auf den fünften Platz ab. Ihr Exportanteil beträgt heute noch 6 Prozent.
Strukturwandel nicht aufzuhalten
Wie diese Zahlen verdeutlichen, ist der Strukturwandel eine verlässliche Konstante. Über die verschiedenen Treiber und Ursachen lässt sich freilich streiten. Die künstliche Intelligenz wird zweifelsohne grosse strukturelle Veränderungen mit sich bringen – vornehmlich im Bereich der Dienstleistungen und geistiger Arbeit. Neben der Innovation selbst wird auch die Ausgestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen erheblichen Lenkungscharakter aufweisen. Welche Exportbranchen in 30 Jahren an der Spitze stehen werden, ist heute kaum vorhersagbar. Was aber feststeht ist, dass uns auch in den nächsten 30 Jahren die Arbeit nicht ausgehen wird.