Wie steht es um den Forschungsstandort Schweiz?
Die Schweiz hat 2021 knapp 25 Milliarden Schweizer Franken für Forschung und Entwicklung (F&E) aufgewendet. Damit belegt sie im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. Aber auch die Importe von F&E-Leistungen aus dem Ausland sind hoch. Erfahren Sie mehr zu den Forschungsausgaben in der Schweiz im Beitrag von Tinka Jaeger.
Text: Tinka Jaeger, Ökonomin
Beim Aussenhandel liegt der Fokus oft auf den Warenströmen, doch der Dienstleistungshandel spielt für die Schweiz eine ähnlich zentrale Rolle. Im Jahr 2023 machte das Handelsvolumen des Dienstleistungssektors fast 30 Prozent des gesamten Aussenhandels aus und darf daher nicht vernachlässigt werden.
Wichtigste Handelspartner für Dienstleistungen sind die USA, Deutschland und das Vereinigte Königreich. Die grössten Einnahmen erzielt die Schweiz mit Exporten in den Bereichen Lizenzgebühren, Finanzdienste – mit Luxemburg als wichtigstem Abnehmer – und Tourismus, der 2023 sogar das Niveau von vor der Pandemie übertreffen konnte. Trotz dieser Erfolge ist die Dienstleistungshandelsbilanz seit 2017 negativ und verzeichnete 2023 ein Defizit von CHF 23 Mrd. Dieses Defizit resultiert unter anderem aus hohen Importen in den Bereichen Forschung & Entwicklung (F&E) und Transportdiensten. Liegt die Stärke der Schweiz also im Dienstleistungssektor, oder vielmehr in der Auslagerung von Dienstleistungen ins Ausland?
Bei genauerer Betrachtung wird ersichtlich, dass das Defizit bei den Transportdiensten daher rührt, dass seit 2023 bestimmte Dienste im Zusammenhang mit dem Transithandel, der mit einem Saldo von CHF 72 Mrd. beträchtlich ist, neu dem Dienstleistungshandel zugerechnet werden. Zudem sind die Importe von Transportdiensten aus Deutschland und den USA seit 2020 erheblich gestiegen, was auf eine deutliche Zunahme von Warentransporten zurückzuführen ist.
Hohe Aufwendungen für F&E in der Schweiz
Die inländischen Forschungstätigkeiten der Schweiz sind grösser, als es das Defizit von CHF 20 Mrd. im Jahr 2023 in dieser Kategorie der Dienstleistungshandelsbilanz zunächst vermuten lässt. Rund 3,4 Prozent des BIP, also knapp CHF 25 Mrd., wurden 2021 für F&E in der Schweiz aufgewendet. Damit belegt die Schweiz im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. Trotzdem importierte die Schweiz im letzten Jahr F&E-Leistungen im Wert von CHF 28 Mrd. aus dem Ausland, davon über CHF 14 Mrd. aus den USA.
Grosse Pharmaunternehmen als wichtige Treiber
Das Importvolumen aus den USA ist in den letzten elf Jahren im Durchschnitt um knapp 11 Prozent pro Jahr gestiegen. Ein Teil dieser Ausgaben stammt nicht zuletzt von grossen Pharmaunternehmen, welche ihren Hauptsitz in der Schweiz haben. Roche und Novartis belegten 2023 die Plätze 12 und 13 der weltweit forschungsintensivsten Unternehmen, wobei über ein Drittel ihrer Forschungsausgaben in der Schweiz investiert wurde. Die Pharmabranche pflegt jedoch auch eine enge Zusammenarbeit mit amerikanischen Universitäten und Forschungspartnern, was sich auch in der Dienstleistungsbilanz der Schweiz niederschlagen dürfte.
Ein weiterer wichtiger Treiber der hohen F&E-Importe sind Schweizer KMU. Viele dieser Unternehmen sind auf spezialisierte Forschung angewiesen, die sie aus Kostengründen nicht selbst durchführen können. Daher werden vermehrt Forschungsaufträge im Ausland in Auftrag gegeben.
Sich auf Kernkompetenzen konzentrieren
Was bedeutet dies für die Schweiz als Dienstleistungsstandort? Trotz der Handelsdefizite in einigen Kategorien verfügt die Schweiz über wichtige Kompetenzen in bestimmten Dienstleistungen wie im Handel von Lizenzen oder Finanzendienstleistungen. Die Auslagerung von Dienstleistungen in Bereichen wie F&E kann auch als Strategie interpretiert werden, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren und von der Spezialisierung anderer Länder zu profitieren.