Mit Small Caps von der Erholung profitieren

Nach einer längeren Schwächephase nimmt die Wirtschaftserholung in der Eurozone Gestalt an. Gerade kleinkapitalisierte Unternehmen dürften von diesem anziehenden Wachstum profitieren. Lesen Sie die Einschätzung dazu im Beitrag von Anlagestratege Felix Jäger.

Text: Felix Jäger

«Small Caps der Eurozone sind günstig bewertet und werden von weiteren Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank unterstützt», erklärt Felix Jäger (Bild: pixabay)

Auf globaler Ebene zeigt sich aktuell ein uneinheitliches wirtschaftliches Bild: Während sich die Wirtschaft in den USA langsam aber stetig abkühlt, steht die Konjunktur in der Eurozone vor einer Erholung. Getrieben wird diese durch das hohe Lohnwachstum, welches den Konsum stützen wird und durch die sich verbessernde Stimmung in der europäischen Industrie. Innerhalb des Währungsraums hat sich insbesondere der Pessimismus in Bezug auf die deutsche Wirtschaft gelegt, während Südeuropa weiterhin als Wachstumsmotor angesehen wird.

Auch bezüglich der Inflation ist Europa den USA einen Schritt voraus: Die Inflation ist in der Eurozone schon so weit gesunken, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen im Juni ein erstes Mal senken konnte. Die Chancen für zwei bis drei weitere Zinsschritte bis Ende Jahr stehen gut, denn der Trend der sinkenden Inflation bleibt intakt.

Der europäische Aktienmarkt dürfte von der wirtschaftlichen Erholung unterstützt werden, speziell die zyklischen Sektoren und Anlagestile. Hier fallen besonders die Small Caps ins Auge. Sie profitieren in Aufwärtsphasen des Gesamtmarkts überdurchschnittlich, während sie in Abwärtsphasen typischerweise hinterherhinken, denn kleinkapitalisierte Firmen sind stärker von der allgemeinen Konjunktur abhängig als grössere Unternehmen.

Small Caps profitieren vom Wirtschaftswachstum

Dass Small Caps stärker von der Konjunktur abhängig sind, liegt daran, dass der Anteil ihrer Fixkosten an den Gesamtkosten höher ist. Bei einem hohen Fixkostenanteil führen höhere Umsätze zu überproportionalen Gewinnsteigerungen, da die fixen Kosten bereits gedeckt sind. Umgekehrt führt ein Umsatzrückgang bei hohen Fixkosten schnell zu einem Verlust, weil die Fixkosten auch bei einem geringeren Umsatz weiterhin anfallen. Diesen Effekt nennt man Operating Leverage.

Zusätzlich verfügen Small Caps im Durchschnitt über eine geringere Kapitaldecke als Large Caps, was ebenfalls zu einem Hebeleffekt führt. Daher korreliert die Outperformance europäischer Small Caps gegenüber den Large Caps positiv mit den konjunkturellen Vorlaufindikatoren (vgl. Grafik). Verstärkend wirkt, dass die Small Caps im Vergleich zu den Large Caps auch eine zyklischere Sektoraufteilung aufweisen. So sind im Index der Small Caps besonders viele Industrie- und Rohstoffunternehmen enthalten, während einige defensive Sektoren wie die Gesundheitsversorgung und Basiskonsumgüterhersteller im Small Cap-Universum schwächer vertreten sind. Auch die regionale Aufteilung zeigt ein zyklisches Bild. Im Small Cap-Index sind aktuell wachstumsstarke Länder aus Südeuropa wie Italien, Spanien und Portugal stärker vertreten, während diesbezüglich bei Deutschland, Frankreich und den Niederlanden Untergewichte bestehen.

Outperformance von Eurozone Small Caps korreliert positiv mit konjunkturellen Vorlauf­indikatoren der Eurozone

Quellen: Datastream, Zürcher Kantonalbank

Sensitiv gegenüber Leitzinsen und politischen Risiken

Ein weiterer Unterschied von Small Caps gegenüber Large Caps stellt die Abhängigkeit von den kurzfristigen Zinsen dar. Denn anders als bei Large Caps ist es kleinkapitalisierten Unternehmen oft nicht möglich, sich über die Emission von Anleihen am Kapitalmarkt Fremdkapital zu fixen Zinsen zu beschaffen. Sie sind daher auf Kredite von Banken angewiesen, die in der Regel variabel verzinst werden. Dies bedeutet, dass im Falle weiterer Zinssenkungen der EZB die Erfolgsrechnungen von Small Caps unmittelbar von sinkenden Zinskosten entlastet werden.

Ein Risiko für kleinkapitalisierte Unternehmen stellt allerdings das politische Umfeld dar. Aufgrund ihrer dünneren Kapitaldecke und verhältnismässig höheren Fixkosten leiden sie in politisch unsicheren Zeiten. Dies wurde zuletzt im Zuge der Ankündigung von Neuwahlen in Frankreich wieder deutlich. Denn es droht eine Blockade innerhalb der französischen Regierung, was angesichts des stark defizitären Staatshaushalts zu einem fiskalischen Risiko werden könnte. Gleichzeitig hat die Europäische Kommission höhere provisorische Importzölle auf Elektroautos aus China erlassen, weshalb mit Gegenmassnahmen aus dem Reich der Mitte zu rechnen ist. Während diese Ereignisse die wirtschaftspolitische Unsicherheit in Europa kurzfristig ansteigen lassen, stellen sie das Szenario einer konjunkturellen Erholung nicht infrage. Zwar haben die europäischen Small Caps aufgrund dieser Nachrichten etwas korrigiert, jedoch wurde die Korrektur dadurch abgefedert, dass der europäische Small Cap-Index weniger Aktien aus Frankreich enthält als der Gesamtmarkt und die Small Caps aufgrund ihrer stärkeren Ausrichtung auf die inländische Wirtschaft weniger von Zöllen im Handel mit China betroffen sind.

Bewertet für eine Krise, nicht für eine Erholung

Schon seit zwei Jahren sind europäische Small Caps äusserst günstig bewertet. Gemessen an ihrem Kurs-Gewinn- Verhältnis von 11,6 sind sie sogar günstiger als die Large Caps. Dies kommt selten vor, denn typischerweise rechtfertigt das langfristig höhere Gewinnwachstum der kleineren Firmen einen Bewertungsaufschlag gegenüber den grossen Unternehmen. Europäische Small Caps waren nur in Krisenzeiten wie der Finanzkrise 2008 ähnlich günstig gehandelt wie Large Caps. Der aktuelle Bewertungsabschlag ist historisch gesehen eine Ausnahme. Bisher konnte der aktuelle Bewertungsabschlag durch das schwierige konjunkturelle Umfeld und die hohen Zinsen begründet werden.

Mit dem sich verbessernden konjunkturellen Umfeld und dem begonnen Zinssenkungszyklus sehen die Experten der Zürcher Kantonalbank diesen Bewertungsabschlag aber nicht mehr als gerechtfertigt an. Sollte sich der aktuelle Bewertungsabschlag der Small Caps gegenüber den Large Caps auf Null zurückbilden, würde dies gleichzeitig eine deutliche Outperformance der Small Caps gegenüber den Large Caps zur Folge haben. Solch eine Entwicklung stellt einen graduellen Prozess dar, der einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Mit den sich verbessernden wirtschaftlichen Vorlaufindikatoren und den weiteren Zinssenkungen der EZB stehen aber mehrere potenzielle Auslöser vor der Tür.

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