Politisches Stammes­denken

Die Kaufentscheidung für oder gegen ein Elektrofahrzeug wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. In den USA spielt auch die politische Gesinnung eine Rolle. Woher kommt dieses politische Stammesdenken? Erfahren Sie mehr im Beitrag von Nachhaltigkeitsökonomin Silke Humbert.

Text: Silke Humbert

«Die Wahrscheinlichkeit für einen Umstieg auf ein Elektroauto ist bei einem demokratischen Haushalt doppelt so hoch wie bei eienm republikanischen Haushalt», sagt Silke Humbert.

Einer meiner Chefs fährt Tesla. Das ist doch jetzt nichts Ungewöhnliches, werden Sie sich vielleicht denken. Aus der Sicht eines US-Amerikaners ist es das hingegen schon. Denn im politischen Spektrum positioniert sich dieser Chef rechtsliberal. Und in den USA passen die politischen Rechte und Elektromobilität nicht zusammen. Dort tobt ein regelrechter politischer Krieg bezüglich Elektroautos, von vielen anderen Themen ganz zu schweigen.

Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidung für oder gegen ein Elektroauto? Sicher einmal das Einkommen, denn noch sind die Elektroautos meistens teurer als solche mit Verbrennermotor. Weitere Faktoren sind die Ladeinfrastruktur in der Umgebung, der Benzinpreis und die typische Fahrstrecke. Zudem sind Personen mit einer Affinität für technologische Innovationen vermutlich auch gewillter, auf ein Elektroauto umzusteigen.

Forscherinnen und Forscher um Lucas Davis von der University of California in Berkely, USA, zeigen jedoch auf, dass allein diese Faktoren die Kaufentscheidungen für oder gegen Elektrofahrzeuge in den USA nicht ausreichend erklären. Ein zusätzlicher gewichtiger Faktor liefert eine gehaltvolle Erklärung: die politische Gesinnung.

Kluft zwischen den Parteien

Selbst, wenn alle Kauffaktoren berücksichtigt und die als besonders umweltbewusst geltenden Westküstenstaaten Kalifornien, Oregon und Washington aus der Statistik herausgerechnet werden, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Umstieg auf ein Elektroauto bei einem demokratischen Haushalt doppelt so hoch wie bei einem republikanischen. Diese Kluft ist über die letzte Zeit noch gewachsen und wird politisch von oberster Ebene befeuert. Während Präsident Joe Biden im März dieses Jahres eine neue Regulierung einführte mit dem Ziel, dass ab 2030 über die Hälfte aller neu verkauften Autos elektrisch betrieben sind, spricht Donald Trump von «Elektroauto-Spinnern», die in der Hölle schmoren sollen.

Nachhaltigkeitsthemen spalten die USA

Die Polarisierung beschränkt sich nicht nur auf die Elektromobilität, sondern scheint Umweltthemen allgemein zu betreffen: Als 2022 das von Joe Biden entworfene Klimagesetz IRA («Inflation Reduction Act») im Kongress zur Abstimmung stand, das USD 370 Mrd. an Subventionen für den Aufbau von Produktionsstätten für umweltfreundliche Energien in den USA beinhaltet, stimmte kein einziger Republikaner dafür. Auch bei der Idee, nachhaltig zu investieren, scheiden sich die politischen Geister. Während viele republikanisch regierte Bundesstaaten ein Verbot für nachhaltige Investitionen vorsehen, haben Bundesstaaten mit demokratischer Regierung eine gesetzliche Pflicht für nachhaltige Investitionen aufgesetzt.

Woher kommt das politische Stammesdenken?

Wie kann es sein, dass sich die beiden grossen amerikanischen Parteien dermassen gegensätzlich positionieren? Eine mögliche Spur führt zu Parteispenden der Öl- und Gasindustrie. Im aktuellen Wahljahr sind die Spenden an die Republikaner mehr als siebenmal so hoch wie die Spenden an die Demokraten. Die Washington Post berichtete im Mai, dass Herausforderer Donald Trump den Öl- und Gasunternehmen ein Tauschgeschäft angeboten hat: Gegen eine Spende für seine Wahlkampagne in Höhe von einer Milliarde US-Dollar würde er Dutzende der während Bidens Amtszeit verhängten Umweltauflagen und Gesetze wieder rückgängig machen. Weitere Gründe für die parteibezogene Spaltung sind die selektive Informationsverbreitung und -aufnahme sowie digitale Echokammern, die in einem Land mit einem faktischen Zweiparteiensystem wie den USA eine besonders polarisierende Wirkung entfalten.

Wie sieht es in der Schweiz aus?

Von amerikanischen Verhältnissen ist die Schweiz zum Glück noch weit entfernt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie um Alois Stutzer, Professor für politische Ökonomie an der Universität Basel, die keinen eindeutigen Trend der parteibezogenen Polarisierung in der Schweiz findet. Übrigens hat der von mir eingangs erwähnte Chef auch eine Solaranlage auf dem Dach. Und eine Wärmepumpe im Garten.

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