Raketenantrieb für die Zukunft
Es sind grosse Investitionen in grünen Wasserstoff vorgesehen. Silke Humbert, Nachaltigkeitsökonomin, geht der Frage nach, was sich die USA vom Energieträger der Zukunft erhoffen.
Text: Silke Humbert , Nachhaltigkeitsökonomin
«Vor mehr als einem halben Jahrhundert wurden im Rahmen des US-amerikanischen Mondlandeprogramms die ersten Menschen auf den Mond gebracht, wobei Wasserstoff als Treibstoff für den Raketenantrieb und Brennstoffzellen aus amerikanischer Produktion an Bord des Raumschiffs verwendet wurden.» Mit diesem Satz beginnt die Formulierung der nationalen Strategie für sauberen Wasserstoff des amerikanischen Ministeriums für Energie (DOE), die vor wenigen Wochen als Entwurf veröffentlicht wurde.
Der Einstieg mit Referenz an das frühere Apollo-Programm soll nicht nur aufzeigen, dass die Amerikaner Expertise in der Wasserstofftechnologie haben, sondern auch, dass mit ihr an etwas ganz Grosses angeknüpft werden soll.
Das DOE hat mit «Hydrogen Shot» ein ähnlich gigantisches Projekt wie die damalige «Moonshot Initiative» aus dem Boden gestampft. Die massiven Subventionen dafür untermauern die Ambition: Im Infrastructure Investment and Jobs Act von November 2021 sind USD 10 Mrd nur für Investitionen in grünen Wasserstoff vorgesehen. Zusätzliche Steuervergünstigungen für die Produktion von grünem Wasserstoff sind im Inflation Reduction Act vom August 2022 enthalten. Dreimal die Eins ist das Ziel: Innerhalb von einer Dekade soll 1 kg sauberer Wasserstoff für USD 1 produziert werden. Kann Wasserstoff angesichts dieser ehrgeizigen Ziele einen Beitrag zur Energiesicherheit liefern?
Heute nutzen wir drei Arten von Energiequellen
Als erstes sind das die fossilen Energieträger, deren chemische Energie durch Verbrennen in Wärmeenergie umgewandelt wird. Fossile Energien sind günstig, aber ihr Vorkommen ist endlich und sie sind global ungleich verteilt. Hinzu kommt, dass sie hohe Treibhausgasemissionen verursachen.
Die bei der Kernspaltung freigesetzte Bindungsenergie stellt die zweite Energiequelle dar. Zwar stossen Atomkraftwerke keine Treibhausgase aus, doch auch Uran als Ausgangselement für die Kernspaltung ist global ungleich verteilt und endlich. Sowohl der Einsatz von Uran als auch von Öl und Gas zwingt westliche Staaten zudem zu einer Kooperation mit zumeist autokratischen Staaten, die sich zu einer unangenehmen Abhängigkeit entwickeln kann.
Als dritte Energiequelle nutzen wir auch regenerative Energien. Die Umwandlung von Wärmeenergie (Sonne) und Bewegungsenergie (Wind) in Elektrizität basiert im Unterschied zu den beiden ersten Energiequellen aber nicht auf einem endlichen Rohstoff und ist – abgesehen von lokalen Schwankungen – überall nutzbar.
Und Wasserstoff?
Sowohl bei der Verbrennung als auch in der Brennstoffzelle wirken chemische Prozesse, mit denen wir die Energie im Wasserstoff nutzbar machen. Die Krux ist bloss: Wasserstoff muss erst aufwendig hergestellt werden. Er kommt in unserer Welt nicht in ungebundener Form vor und ist somit keine Energiequelle, sondern lediglich ein Energieträger, so wie beispielsweise auch Strom. Warum also setzen die Amerikaner so grosse Hoffnungen in Wasserstoff?
Energieunabhängigkeit als Priorität – die OPEC lässt grüssen
Zunächst möchten die USA Wasserstoff nutzen, um den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren und ihre Netto-Null-Ziele zu erreichen. Das gelingt, indem Wasserstoff durch erneuerbare Energien erzeugt wird. Durch die steile Lernkurve bei Wind- und Solarenergie ist der kosteneffiziente Einsatz von sogenanntem grünem Wasserstoff zum ersten Mal in Reichweite.
Zudem ist es nicht das erste Mal, dass die OPEC wie Anfang Oktober 2022 zur Preisstützung eine Kürzung der Ölfördermengen beschliesst, während die USA im Vorfeld für eine Erhöhung der Fördermenge geworben hatten. Die Wasserstofftechnologie bedeutet in diesem Zusammenhang die Chance, sich von unangenehmen geopolitischen Fussfesseln befreien zu können. Auch wenn die Amerikaner mit ihren Programmen und Subventionen nun Nägel mit Köpfen machen wollen, ist es noch ein sehr langer Weg bis hin zu einer zumindest teilweise auf Wasserstoff basierenden Wirtschaft. Aber wie sagt man so schön in Amerika: «Ziele auf den Mond. Selbst wenn du ihn verfehlst, wirst du zwischen den Sternen landen.»