SNB mit wenig Enttäuschungspotenzial
Pragmatismus, Konsistenz und Entschlossenheit leiten gemäss Aussage von SNB-Präsident Thomas Jordan das Handeln der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Senior Investment Strategist Elias Hafner und Chefökonom Schweiz David Marmet schätzen die geldpolitischen Entscheide der Schweizerischen Nationalbank ein und sagen, wie es mit dem Schweizer Franken weitergeht.
Text: Elias Hafner und David Marmet
Pragmatismus, Konsistenz und Entschlossenheit: SNB-Präsidenten Thomas Jordan nahm die hochkarätige Notenbankkonferenz am 8. November in Zürich zum Anlass, herauszustreichen, dass diese Grundsätze auch oder gerade in Zeiten von grosser globaler Unsicherheit und Volatilität die Schweizerische Nationalbank in ihrem Handeln leiten.
Entschlossenheit äussere sich beispielsweise darin, dass der optimale geldpolitische Entscheid manchmal jener sei, der eine Absicherung gegen gravierende, wenn auch wenig wahrscheinliche Szenarien biete.
Zudem beziehe sich die SNB in ihren Entscheidungen nicht nur auf ein Basisszenario und die darin unterstellten Inflationsprognosen, sondern berücksichtige jeweils auch Alternativszenarien. Sie betreibe dabei eine Kosten-Nutzen-Abwägung.
Überschiessen der Inflation bleibt grösstes Risiko
Denn trotz des jüngsten Rückgangs der Jahresteuerung in der Schweiz ist aus Kosten-Nutzen-Überlegungen aktuell das Risiko nach wie vor weit grösser, dass die Inflation nach oben überschiesst.
Erstens erwarten die Experten der Zürcher Kantonalbank einen nochmaligen Anstieg der Jahresteuerung in der Schweiz über die nächsten Monate. Zweitens besteht insbesondere in Anbetracht der hohen Inflationszahlen im angrenzenden Ausland weiterhin das Risiko, Preisdruck zu importieren. So stand die Konsumentenpreisinflation in der Eurozone im Oktober bei 10,7 Prozent.
Die Zürcher Kantonalbank geht deshalb nach wie vor davon aus, dass die SNB den Leitzins im Dezember um mindestens 50 Basispunkte erhöhen wird. Aus Kosten-Nutzen-Überlegungen ist sogar eine Erhöhung des Leitzinses um 75 Basispunkte möglich. Die Markterwartungen lagen zuletzt bei rund 30 bis 40 Basispunkten.
Schweizer Teuerung zieht nochmals an
Die Schweizer Inflationsrate hat sich in den letzten beiden Monaten um insgesamt 0,5 Prozentpunkte auf aktuell 3,0 Prozent zurückgebildet. Bereits keimt da und dort die Hoffnung auf einen weiteren Teuerungsrückgang, doch sie wird wohl enttäuscht werden. Denn der tiefe Oktoberwert war nicht zuletzt einzelnen Sonderfaktoren geschuldet.
In den nächsten Monaten wird sich nun der hohe Anteil der administrierten Preise im Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) bemerkbar machen. So werden die von der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom im Herbst kommunizierten höheren Strompreise den LIK im Januar 2023 um mindestens 0,5 Prozentpunkte nach oben drücken. Zudem sprechen die Basiseffekte beim Ölpreis für zunächst wieder steigende Inflationsraten.
Ab März 2023 wird die Inflation indes durch stark wirkende Basiseffekte der Energiepreise zurückkommen. Aber bereits in der zweiten Jahreshälfte 2023 hat der LIK gemäss Einschätzungen der Zürcher Kantonalbank wieder Anstiegspotenzial. So werden unter anderem höhere Mietpreise, nicht zuletzt durch den dannzumal höheren Referenzzinssatz, ihren Niederschlag im LIK finden.
Zentral für die Entwicklung der zukünftigen Inflation ist zudem die Absicht der Unternehmen, ihre Endpreise anzuheben. Gemäss Umfragen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) beabsichtigt ein Grossteil der Unternehmen in fast allen Wirtschaftsbereichen, die Preise in nächster Zeit zu erhöhen. Da die Zürcher Kantonalbank für die Schweiz mit keiner Rezession rechnet, werden viele Unternehmen ihre Absichten auch in die Tat umsetzen können. Ohne Zutun der Notenbank wird sich die Schweizer Inflation daher nicht nachhaltig im Zielbereich der SNB einpendeln.
SNB bevorzugt stärkeren Franken
Auch wechselkursseitig besteht momentan kein Hindernis für eine restriktivere Geldpolitik. Der Euro konnte sich über die letzten Wochen etwas erholen, auch gegenüber dem Schweizer Franken. Allgemein weisen die Entwicklung der Kaufkraftparitäten sowie die realen Wechselkurse darauf hin, dass der Franken aktuell nicht überbewertet ist. Es spricht also wenig dagegen, den Franken als Schutz gegen importierte Inflation mit den geldpolitischen Massnahmen zu unterstützen.
Wie die SNB im Juni durchblicken liess, sieht sie im aktuellen Umfeld grössere Risiken bei einer Abschwächung als bei einer Aufwertung des Franken. Neben dem Erhöhen der Leitzinsen gehört zu den Instrumenten der SNB seit der geldpolitischen Wende auch explizit die Möglichkeit von aktiven Devisenverkäufen. Dass sie diese auch tatsächlich einsetzt, legen die neuesten SNB-Bilanzzahlen nahe. Die Experten der Zürcher Kantonalbank schätzen, dass die SNB im September Devisenverkäufe von gut CHF 3 Milliarden getätigt hat, und es ist davon auszugehen, dass sie dieses Instrument auch künftig anwenden wird.
Zielkonflikte bei anderen Notenbanken
Das Mandat der SNB ist eng gefasst und fokussiert sich auf Preisstabilität. Die klare Zielsetzung heisst: Die Inflation soll mittelfristig innerhalb des Zielbands von 0 bis 2% liegen. Dies ist einerseits pragmatisch und andererseits kann das Ziel entschlossen verfolgt werden. Je breiter die Ziele oder deren Auslegung von Notenbanken gefasst sind, desto eher können Zielkonflikte entstehen.
Unter den grossen Notenbanken sehen die Experten der Zürcher Kantonalbank insbesondere bei der Europäischen Zentralbank (EZB) wie auch bei der Bank of England (BoE) das Risiko, dass sie sich in einem Trilemma befinden und sich dadurch in ihrem geldpolitischen Spielraum beschränkt sehen, die Inflation entschieden genug zu bekämpfen. Beide Volkswirtschaften befinden sich nun in einer Rezession.
In Grossbritannien sind mit der plötzlichen Schieflage bei den Pensionskassen Warnsignale aufgeleuchtet, dass markante Zinserhöhungen nicht nur die Konjunktur belasten, sondern auch die Finanzstabilität gefährden könnten. Und auch in der Eurozone begrenzen wachsende Sorgen um die Finanzstabilität, insbesondere in Form von höheren Refinanzierungskosten für Peripherieländer, den Spielraum der Notenbank für weitere Zinserhöhungen.
Die Experten der Zürcher Kantonalbank erwarten, dass die aktuell hohen Markterwartungen bei diesen Notenbanken enttäuscht werden. Sie halten die Erwartungen an das Fed für zu hoch. Allerdings scheinen in den USA sowohl die Wirtschaft wie auch die Finanzmarktstabilität robuster zu sein. Sollte die jüngste Entspannung in den Inflations- und Arbeitsmarktzahlen über die nächsten Monate nicht bestätigt werden, dürfte die US-Notenbank wohl eher als die EZB oder die BoE im Stande sein, die Markterwartungen zu erfüllen.
Umfeld spricht für Schweizer Franken
Grossbritannien steckt bereits in einer Rezession, in der Eurozone hat wohl gerade eine begonnen. Der globale Konjunkturabschwung hält weiter an, die Schweizer Wirtschaft steht vergleichsweise solide da. Die Markterwartungen sind aus Sicht der Zürcher Kantonalbank für die SNB tendenziell zu tief, hingegen für viele andere Notenbanken zu hoch.
Der Schweizer Franken ist im historischen Kontext nicht hoch bewertet, und mit Blick auf eine anhaltende Inflationsdifferenz zu den grossen Währungsräumen wird wohl der faire Aussenwert des Frankens weiter steigen. In diesem Umfeld ist insgesamt mit einem stärkeren Franken zu rechnen. Aufgrund der konjunkturellen Situation und der Verletzlichkeit des alten Kontinents über den Winter bezüglich Energieversorgung sieht die Zürcher Kantonalbank kurzfristig vor allem Aufwertungspotenzial gegenüber dem Euro und insbesondere gegenüber dem britischen Pfund.
Im neuen Jahr ergibt sich mit dem Ende des Fed-Zinserhöhungszyklus, einer zumindest temporären Entspannung der Energiesituation in Europa und dem zunehmenden Sichtbarwerden von Bremsspuren der restriktiven Geldpolitik in der US-Wirtschaft vor allem auch Aufwertungspotenzial gegenüber dem hoch bewerteten US-Dollar.