SNB setzt Inflationsbekämpfung fort
Die Inflationsrate bleibt hartnäckig hoch. Mit einer erneuten Leitzinserhöhung um weitere 50 Basispunkte auf 1,5 Prozent setzt die Schweizerische Nationalbank den Kampf gegen die Inflation entschlossen fort. Was hat das für Auswirkungen auf Zinsen und Wirtschaftswachstum? Martin Weder, Chefökonom der Zürcher Kantonalbank, gibt im Beitrag einen Ausblick.
Text: Martin Weder
Die Schweizerische Nationalbank hat an ihrer heutigen geldpolitischen Lagebeurteilung beschlossen, den Leitzins um weitere 50 Basispunkte auf 1,5 Prozent und damit das höchste Niveau seit 2008 zu erhöhen. Der Grund für den Entscheid des SNB-Gremiums liegt auf der Hand: Die Inflation in der Schweiz liegt mit 3,4 Prozent weiterhin deutlich über dem von der Zentralbank tolerierten Wert von 2 Prozent und hat seit der letzten SNB-Sitzung im Dezember 2022 gar zusätzlich an Dynamik gewonnen.
Dabei waren nicht bloss die gestiegenen Strompreise, mit welchen die Haushalte seit Januar konfrontiert sind, für den Inflationsschub ausschlaggebend. Der Preisdruck hat viel mehr auf breiter Front zugenommen und ist mittlerweile in weite Teile des Dienstleistungssektors vorgedrungen. Entsprechend fiel auch die von der SNB veröffentlichte bedingte Inflationsprognose höher aus, welche einen konstanten Leitzins von 1,5 Prozent unterstellt.
Gemäss dieser soll die Inflation im Jahr 2023 im Durchschnitt 2,6 Prozent betragen. Im Dezember hatte die SNB noch 2,4 Prozent prognostiziert. Für das Jahr 2024 und 2025 erwarten die Währungshüter eine durchschnittliche Teuerung von 2,0 Prozent. Damit läge die Inflation am oberen Ende des Toleranzbandes von 0 bis 2 Prozent.
Weitere Leitzinserhöhung im Juni
Vor dem Hintergrund der bedingten Inflationsprognose der Währungshüter und unserer Erwartung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihrerseits die Zinsschraube weiter anziehen wird, wird die SNB ihre Geldpolitik zusätzlich straffen müssen. Konkret prognostizieren wir einen weiteren Zinsschritt um 25 Basispunkte auf 1,75 Prozent im Juni. Danach wird die Notenbank eine Zinspause einlegen wollen, um die Auswirkungen auf die Märkte und die Konjunktur zu eruieren. Die Schwankungsanfälligkeit von Zinsen längerer Laufzeiten bleibt aufgrund der unsicheren konjunkturellen Perspektiven hoch. Trotz des hohen Nachfrageinteresse nach längerfristigen Obligationenlaufzeiten sehen wir mit der Fortsetzung der geldpolitischen Straffung noch Aufwärtspotenzial bei den längerfristigen Zinsen, wenn auch im geringeren Ausmass als beim Leitzins.
Mit Devisenverkäufen gegen Inflation
Gemäss SNB-Präsident Thomas Jordan hat die SNB in den letzten Monaten weiter aktiv Fremdwährungsbestände verkauft. Aufgrund der Bilanzdaten bis Ende Januar schätzen wir, dass sie auch zu Jahresbeginn Devisen im Gegenwert von mehreren Milliarden Schweizer Franken veräussert hat. Jordans Ausführungen lassen ebenfalls darauf schliessen, dass die Nationalbank nach wie vor einen stärkeren Franken präferiert, um die Schweizer Wirtschaft vor importierter Inflation zu schützen. Das starke Commitment, die Inflation zurück ins Zielband zu bringen, höhere Zinsen und anhaltende Devisenverkäufe werden den Franken weiterhin unterstützen.
Bescheidenes Wachstum, aber keine Rezession
Die konjunkturelle Entwicklung in der Schweiz hat sich im Schlussquartal des vergangenen Jahres weiter eingetrübt. So stagnierte die Wirtschaft im 4. Quartal, was angesichts des Wachstumsstillstand in der Eurozone im generellen und der Kontraktion beim wichtigen Handelspartner Deutschland im speziellen wenig überrascht hat. Eine Rezession sollte unserer Meinung nach allerdings knapp vermieden werden können. Aufgrund der sich zuletzt verbessernden Stimmung sowohl unter den privaten Haushalten als auch bei den Firmen sowie des starken Bevölkerungswachstums rechnen wir für 2023 mit einem Wachstum der Schweizer Wirtschaft in der Grössenordnung von 1 Prozent. Wir halten damit an unserer bisherigen Wachstumsprognose fest.