Unaufgeregter Entscheid des scheidenden SNB-Präsidenten

Nach über zwölf Jahren im Amt verkündete Thomas Jordan an seiner fünfzigsten geldpolitischen Lagebeurteilung heute zum letzten Mal den Entscheid der SNB: Die Schweizerische Nationalbank beschliesst, den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1 Prozent zu senken. Lesen Sie die Einschätzung zum SNB-Entscheid von David Marmet, Chefökonom Schweiz.

Text: David Marmet

«Die Leitzinssenkung der SNB ist keine Überraschung. Die Inflation hat sich in den letzten Monaten stärker zurückgebildet und der Schweizer Franken wertete jüngst wieder stark auf», erklärt David Marmet.

Heute bestritt Thomas Jordan seine fünfzigste und letzte ordentliche geldpolitische Lagebeurteilung als Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Am 18. April 2012 ernannte ihn der Bundesrat zum neuen Präsidenten des Direktoriums und so verkündete er heute nach über zwölf Jahren ein letztes Mal den Entscheid der SNB: Die Schweizerische Nationalbank beschloss den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1 Prozent zu senken. Sichtguthaben der Banken würden bis zu einer bestimmten Limite zum SNB-Leitzins verzinst. Über dieser Limite gelte ein Zins von 0,5 Prozent. Bei Bedarf sei die Nationalbank ausserdem bereit, am Devisenmarkt aktiv zu sein.

Dass der Leitzins erneut gesenkt wird, darüber waren sich die Ökonomen im Vorfeld einig. Umstrittener war, ob es gar einen Doppelschritt, also eine Senkung um 50 Basispunkte geben könnte. Denn die Inflation hatte sich in den letzten Monaten rascher zurückgebildet, als dies von der Mehrheit der Ökonominnen und Ökonomen und der SNB prognostiziert worden war. Zudem hatte sich der Schweizer Franken handelsgewichtet seit der letzten geldpolitischen Lagebeurteilung vom 20. Juni um knapp 1,5 Prozent aufgewertet.

Da die SNB bei der Zinswende bekanntlich vorgeprescht war und als erste der wichtigen Notenbanken bereits im März 2024 ihren Leitzins gesenkt hatte, wurde gemutmasst, dass sie auch dieses Mal ein forsches Vorgehen wählen könnte. Zumal durch den Paukenschlag der US-Notenbank von letzter Woche, ihrerseits das Zielband für die Leitzinsen gleich um 50 Basispunkte zu senken, die Zinsdifferenz zwischen dem Franken und dem US-Dollar kleiner wurde.

Jordan wählt die «Politik der ruhigen Hand»

Der scheidende SNB-Präsident Jordan blieb indes seinem Naturell treu und liess sich nicht von Marktfantasien beeinflussen. Er wählte die ihm oft zugeschriebene «Politik der ruhigen Hand» und verkündete einen Schritt um 25 Basispunkte auf 1 Prozent. Die SNB geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in der Schweiz in den kommenden Quartalen eher verhalten ausfallen wird. Mittelfristig sollte sich das Wachstum aber gestützt durch eine etwas stärkere Auslandsnachfrage schrittweise verbessern. Für das Jahr 2025 erwartet die SNB ein BIP-Wachstum von rund 1,5 Prozent. Selbst unter Berücksichtigung der heutigen Zinssenkung liegt die neue bedingte Inflationsprognose der SNB deutlich unter derjenigen im Juni. Diese bedingte Inflationsprognose dient nach Aussagen der SNB als Hauptindikator für den Zinsentscheid. Über den gesamten Prognosezeitraum (bis Mitte 2027) dürfte die Inflation im Bereich der Preisstabilität verharren. So betrachtet, drängte sich die «Politik der ruhigen Hand» geradezu auf.

Gretchenfrage Schweizer Franken

Wie wird es weiter gehen? Wird die SNB unter der Führung des neuen SNB-Präsidenten Martin Schlegel erneut eine Zinssenkung kommunizieren? Gemäss Pressemitteilung dürfte dies der Fall sein. Denn die SNB schreibt explizit, dass in den nächsten Quartalen weitere Zinssenkungen erforderlich sein könnten. Entscheidend ist unserer Ansicht nach die weitere Entwicklung des Schweizer Frankens. Da sich die Konjunkturaussichten mittelfristig aufhellen und die Inflation im Rahmen bleibt, drängt sich von dieser Seite kein weiterer Handlungsbedarf auf. Angesichts der geopolitischen Spannungen in verschiedenen Weltregionen, insbesondere der Konflikt im Nahen Osten, hat der Schweizer Franken aber Aufwertungspotenzial. Wie die SNB betont, bleibt sie bei Bedarf bereit die monetären Bedingungen auch über den Wechselkurskanal zu beeinflussen. Devisenmarktinterventionen sind das flexiblere und unmittelbarer wirkende Instrument. Die Zinskarte dürfte aber auch nochmals gezogen werden, da grosse Notenbanken wie die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank in den kommenden Monaten ihre Leitzinsen weiter senken dürften. Denn auch eine abnehmende Zinsdifferenz zu wichtigen Währungsräumen schafft für den Schweizer Franken weiteres Aufwertungspotenzial. In unserem Hauptszenario rechnen wir daher mit einer weiteren SNB-Leitzinssenkung von 25 Basispunkten im Dezember 2024 – und weitere Zinssenkungen im kommenden Jahr bleiben nicht ausgeschlossen.

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