Wird das Wasser tatsächlich knapp?
Wasser folgt einem Kreislauf, der immer wieder von Neuem beginnt. Vereinfacht gesagt verdunstet Wasser über den Meeren, während das Salz im Meer verbleibt. Der Wind trägt den Wasserdampf danach über die Landmassen, wo er als Regen über der Erde niedergeht und sich in Flüssen, Seen und im Grundwasser sammelt. Von dort gelangt das Wasser wieder in die Meere. Naturwissenschaftlich gesehen ist die Menge an Wasser also konstant. Daran ändert auchder Klimawandel nichts. Allerdings kann wärmere Luft mehr Wasserdampf speichern. Somit verschwindet das Wasser nicht, ist aber unsichtbar in der Luft gebunden. Das führt zu weniger, dafür immer heftigeren Regenfällen. Häufiger auftretende Dürren und Überflutungen sind eine Folge davon. Eine höhere globale Durchschnittstemperatur führt also nicht direkt zu einer Abnahme des Wassers auf und in der Erde, jedoch zu unberechenbaren Niederschlagsmustern, mit denen deutlich schwieriger umzugehen ist. Da die Nachfrage nach Wasser durch die wachsende Weltbevölkerung und den zunehmenden Wohlstand stetig steigt, entsteht also tatsächlich eine Wasserlücke. Wie gross diese sein wird, können wir beeinflussen, wie die nachfolgenden zwei Passagen aufzeigen.
Einflussfaktor 1: Entnahmeraten
Die erste Definition für nachhaltiges Handeln stammt aus der Forstwirtschaft: Fälle nur so viele Bäume, dass der Wald dauerhaft Bestand hat. Auch bei der Wasserentnahme macht dieses Prinzip Sinn. Das Reservoir an Grundwasser ist etwa 100-mal grösser als die Menge an Oberflächenwasser und scheint auf den ersten Blick unerschöpflich zu sein. Demgegenüber ist jedoch die Erneuerungsrate von Grundwasser deutlich kleiner als die von Oberflächenwasser. Während sich das gesamte Oberflächenwasser theoretisch innerhalb von fünf Jahren erneuert, benötigt derselbe Vorgang beim Grundwasser oftmals Tausende von Jahren. Dass Landwirtschaft, Industrie und Private auf Grundwasser zurückgreifen, ist überall auf der Welt verbreitet. Viel zu wenig wurde bisher beachtet, ob die Entnahmeraten überhaupt mit den Erneuerungsraten Schritt halten können. In einer grossen Untersuchung haben Wissenschaftler der ETH Zürich und der Universität Santa Barbara in Kalifornien jüngst weltweit 1'700 Grundwassersysteme ausgewertet. Sie konnten aufzeigen, dass die Grundwasserreserven immer stärker schwinden und sich die Abnahme seit den 2000er-Jahren gar noch beschleunigt hat.2
Einflussfaktor 2: Wasserverschmutzung
Gebrauchtes Wasser sollte erst nach einer sorgfältigen Wiederaufarbeitung in den Wasserkreislauf zurückgeführt werden, damit keine grossflächigen Verunreinigungen entstehen. Schlechte Wasserqualität kommt sowohl in Schwellenländern als auch in entwickelten Ländern vor, auch wenn die Probleme völlig unterschiedlich gelagert sind. In den Schwellenländern liegen die Schwierigkeiten meist in der ungenügenden Abwasseraufbereitung. Während weltweit das Abwasser von über der Hälfte aller Haushalte aufbereitet wird, ist es in den Entwicklungsländern deutlich weniger.3 Die Schwierigkeiten der entwickelten Länder haben ihre Ursache hingegen im intensiven Einsatz von Chemikalien. Zum einen setzt der Einsatz von Düngemitteln den Böden und Gewässern zu. Ein Drittel der Messstationen in Deutschland dokumentieren zum Beispiel, dass die Nitratgrenzwerte der EU überschritten werden. Zusätzlich entwickelt die Industrie laufend neue Chemikalien, die in Wasseraufbereitungsanlagen noch nicht herausgefiltert werden können. Die Umweltbehörde der USA erhält pro Jahr über 1'000 Herstellungsanzeigen für neue Chemikalien. Besonders herausfordernd sind die sogenannten «ewigen Chemikalien» (PFAS). Durch ihre vorteilhaften Eigenschaften werden sie breit eingesetzt, können jedoch nicht organisch abgebaut werden. Ihre Konzentration im Frischwasser nimmt stetig zu, solange sie nicht herausgefiltert werden. Das Herausfiltern von Nitrat und ewigen Chemikalien erhöht indes die Kosten für sauberes Frischwasser.