Wasser – das lebens­notwendige Nass

Wasser ist für uns lebensnotwendig und durch nichts zu ersetzen. Wie steht es um die wertvolle Ressource Wasser und was können wir tun, um weiterhin auf eine günstige und hochqualitative Wasserversorgung bauen zu können? Lesen Sie mehr dazu im Beitrag von Nachhaltigkeitsökonomin Silke Humbert.

Text: Silke Humbert

«Nur 0,3 Prozent des Frischwassers auf der Erde ist prinzipiell zugänglich», erklärt Silke Humbert. (Bild: Getty Images)

«Das Wasser wird knapp.» Wie oft haben wir diese Schlagzeile schon gelesen? Die Weltbevölkerung und der Wohlstand wachse – das Wasser werde folglich nicht ausreichen. Im Doppelpack mit dem Klimawandel komme alles noch schlimmer, so ist zu lesen. Dürren, Wassernotstand und abnehmende Wasserqualität – und doch fliesst das Wasser verlässlich aus unseren Wasserhähnen, wenn wir sie aufdrehen. Auch aus den vielen Brunnen können wir bedenkenlos trinken, ohne fürchten zu müssen, danach krank zu werden. Alles kein Problem also? Zumindest für uns in der Schweiz ist dem so. Aber wie kommt es überhaupt zu Wassermangel? Wasser verschwindet doch nicht einfach von allein.

Die ökonomische Perspektive liegt zunächst einmal auf Angebot und Nachfrage. Der Bedarf nach Frischwasser steigt in der Tat. Das hat mit zunehmender Bevölkerung und steigendem Wohlstand zu tun. So errechnen zum Beispiel die Vereinten Nationen (UN), dass die Wassernachfrage in den letzten 40 Jahren jährlich um 1 Prozent gewachsen ist1. Weiter schätzt die UN, dass die globale Wassernachfrage bis 2050 um 20 bis 30 Prozent zunehmen wird.

Wer verbraucht eigentlich das Wasser? Global gesehen besteht die grösste Nachfrage in der Landwirtschaft. Ihr Anteil bei der Wassernachfrage liegt ungefähr bei 70 Prozent. Industrie und Städte teilen sich in etwa die restliche Nachfrage.

Theoretisch konstantes Angebot

Zwar bedeckt Wasser den Grossteil der Erdoberfläche, davon ist jedoch nur etwa 3 Prozent Frischwasser, der Rest ist Salzwasser. Zwei Drittel dieses Frischwassers ist unzugänglich, weil es zum Beispiel in Gletschern oder dem Permafrost gebunden ist. Das restliche Drittel besteht hauptsächlich aus Grundwasser. Lediglich 0,3 Prozent des Frischwassers befindet sich an prinzipiell zugänglichen Oberflächen, wie zum Beispiel Seen, Flüssen und Feuchtgebieten (vgl. Grafik).

Wasseraufteilung auf der Erde

Quellen: World Bank, Zürcher Kantonalbank

Wird das Wasser tatsächlich knapp?

Wasser folgt einem Kreislauf, der immer wieder von Neuem beginnt. Vereinfacht gesagt verdunstet Wasser über den Meeren, während das Salz im Meer verbleibt. Der Wind trägt den Wasserdampf danach über die Landmassen, wo er als Regen über der Erde niedergeht und sich in Flüssen, Seen und im Grundwasser sammelt. Von dort gelangt das Wasser wieder in die Meere. Naturwissenschaftlich gesehen ist die Menge an Wasser also konstant. Daran ändert auchder Klimawandel nichts. Allerdings kann wärmere Luft mehr Wasserdampf speichern. Somit verschwindet das Wasser nicht, ist aber unsichtbar in der Luft gebunden. Das führt zu weniger, dafür immer heftigeren Regenfällen. Häufiger auftretende Dürren und Überflutungen sind eine Folge davon. Eine höhere globale Durchschnittstemperatur führt also nicht direkt zu einer Abnahme des Wassers auf und in der Erde, jedoch zu unberechenbaren Niederschlagsmustern, mit denen deutlich schwieriger umzugehen ist. Da die Nachfrage nach Wasser durch die wachsende Weltbevölkerung und den zunehmenden Wohlstand stetig steigt, entsteht also tatsächlich eine Wasserlücke. Wie gross diese sein wird, können wir beeinflussen, wie die nachfolgenden zwei Passagen aufzeigen.

Einflussfaktor 1: Entnahmeraten

Die erste Definition für nachhaltiges Handeln stammt aus der Forstwirtschaft: Fälle nur so viele Bäume, dass der Wald dauerhaft Bestand hat. Auch bei der Wasserentnahme macht dieses Prinzip Sinn. Das Reservoir an Grundwasser ist etwa 100-mal grösser als die Menge an Oberflächenwasser und scheint auf den ersten Blick unerschöpflich zu sein. Demgegenüber ist jedoch die Erneuerungsrate von Grundwasser deutlich kleiner als die von Oberflächenwasser. Während sich das gesamte Oberflächenwasser theoretisch innerhalb von fünf Jahren erneuert, benötigt derselbe Vorgang beim Grundwasser oftmals Tausende von Jahren. Dass Landwirtschaft, Industrie und Private auf Grundwasser zurückgreifen, ist überall auf der Welt verbreitet. Viel zu wenig wurde bisher beachtet, ob die Entnahmeraten überhaupt mit den Erneuerungsraten Schritt halten können. In einer grossen Untersuchung haben Wissenschaftler der ETH Zürich und der Universität Santa Barbara in Kalifornien jüngst weltweit 1'700 Grundwassersysteme ausgewertet. Sie konnten aufzeigen, dass die Grundwasserreserven immer stärker schwinden und sich die Abnahme seit den 2000er-Jahren gar noch beschleunigt hat.2

Einflussfaktor 2: Wasserverschmutzung

Gebrauchtes Wasser sollte erst nach einer sorgfältigen Wiederaufarbeitung in den Wasserkreislauf zurückgeführt werden, damit keine grossflächigen Verunreinigungen entstehen. Schlechte Wasserqualität kommt sowohl in Schwellenländern als auch in entwickelten Ländern vor, auch wenn die Probleme völlig unterschiedlich gelagert sind. In den Schwellenländern liegen die Schwierigkeiten meist in der ungenügenden Abwasseraufbereitung. Während weltweit das Abwasser von über der Hälfte aller Haushalte aufbereitet wird, ist es in den Entwicklungsländern deutlich weniger.3 Die Schwierigkeiten der entwickelten Länder haben ihre Ursache hingegen im intensiven Einsatz von Chemikalien. Zum einen setzt der Einsatz von Düngemitteln den Böden und Gewässern zu. Ein Drittel der Messstationen in Deutschland dokumentieren zum Beispiel, dass die Nitratgrenzwerte der EU überschritten werden. Zusätzlich entwickelt die Industrie laufend neue Chemikalien, die in Wasserauf­bereitungs­anlagen noch nicht herausgefiltert werden können. Die Umweltbehörde der USA erhält pro Jahr über 1'000 Herstellungsanzeigen für neue Chemikalien. Besonders herausfordernd sind die sogenannten «ewigen Chemikalien» (PFAS). Durch ihre vorteilhaften Eigenschaften werden sie breit eingesetzt, können jedoch nicht organisch abgebaut werden. Ihre Konzentration im Frischwasser nimmt stetig zu, solange sie nicht herausgefiltert werden. Das Herausfiltern von Nitrat und ewigen Chemikalien erhöht indes die Kosten für sauberes Frischwasser.

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(Video: Andreas Guntli)

Fazit und konkreter Handlungsbedarf

Die steigende Wassernachfrage bei einer sinkend verfügbaren Wassermenge führt zwingend zu einer Wasserlücke. Hohe Entnahmeraten und Wasserverschmutzung verschärfen das Problem. Es wird in Zukunft schwieriger und teurer werden, sauberes Wasser zu erhalten. Um diese Lücke zu schliessen braucht es eine effizientere Wassernutzung sowie einen besseren Wasserschutz. Zum ersten Bereich gehören Technologien wie zuverlässige Rohrleitungen, wirksame Pumpen oder intelligente Wasserzähler. In den zweiten Bereich fallen wirksame Präventionsmassnahmen für besonders wasserintensive und wasserverschmutzende Industrien. Als dritter Punkt ist die Wasserversorgung zu nennen. Sie befindet sich überwiegend in öffentlicher Hand. Hier ist es wichtig, dass staatliche Wasserversorger systematisch in eine nachhaltige, zukunftsfähige Wasserinfrastruktur investieren.

 

1 Partnerships and cooperation for water (2023). The United Nations World Water Development Report.

2 Jasechko S., Seybold H., Perrone, D. et al. (2024). Rapid groundwater declines in many aquifers globally but cases of recovery. Nature.

3 United Nations (2021). Progress on Wastewater Treatment.