Was sind Zweitrundeneffekte?
In der Wirtschaft lassen sich Beispiele für negative wie auch positive Zweitrundeneffekte finden. Die Inflation ist ein gutes Exempel dafür, wie sich diese in Form von Preiserhöhungen als unmittelbare Reaktion auf vorangegangene Kostensteigerungen präsentieren. Erfahren Sie im Beitrag, was es mit dem Begriff auf sich hat.
Text: Rolando Seger
Seit die Inflation im Zuge der Pandemie und des Ukraine-Krieges weltweit sprunghaft angestiegen ist, begegnet man fast überall Preiserhöhungen – sei es bei Verbrauchsgütern oder Dienstleistungen. Wohin man auch blickt und was immer man in der Wirtschaftspresse liest, es fühlt sich an, als würde unser Leben täglich teurer. Miete, Elektrizität, Gas, Krankenkasse, Lebensmittel oder öffentlicher Verkehr – überall steigen die Preise. Befinden wir uns in einer Spirale, einem regelrechten Teufelskreis?
Unter Zweitrundeneffekten versteht man Preiserhöhungen als unmittelbare Reaktion auf vorangegangene Kostensteigerungen. So fordern Gewerkschaften beispielsweise von Arbeitgebern höhere Löhne für die Arbeiterschaft, um den entstandenen Kaufkraftverlust zu kompensieren, der durch die Inflation entstanden ist.
Werden in der Folge tatsächlich die Löhne erhöht, sind Unternehmen wiederum geneigt, diese Kostensteigerungen in Form von Preiserhöhungen an Verbraucherinnen und Verbraucher oder an Geschäftskunden weiterzugeben, um damit ihre Gewinnmargen zu schützen. In einem so ausgelösten Kreislauf verfestigt sich die Inflation zunehmend. Bei diesem Vorgang spricht man von einer Lohn-Preis-Spirale.
Stagflation: Stagnierende Wirtschaft und hohe Inflation
Bei einer Lohn-Preis-Spirale besteht die Gefahr einer Stagflation. Diese liegt vor, wenn die Wirtschaft stagniert und die Inflation hoch bleibt. Notenbanken bekämpfen Inflation, indem sie den Leitzins erhöhen. Damit kühlen sie die Wirtschaft ab, verschärfen die Kreditkonditionen und dämpfen die Nachfrage. Geht die Nachfrage zurück, sinken in der Regel auch die Preise. Für die Notenbanken ist die Bekämpfung der Inflation ein schwieriges Unterfangen, das viel Fingerspitzengefühl benötigt. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Leitzinsveränderungen erst mit deutlicher Verzögerung ihre Wirkung in der Wirtschaft entfalten.
Wie duschen mit einem 30-Meter-Schlauch
Stellen Sie sich vor, Sie nehmen in einem Badezimmer eine Dusche, wobei der Duschschlauch 30 Meter lang ist. Wenn Sie die Temperatur am Mischer anpassen, dauert es eine ganze Weile, bis sich die veränderte Wassertemperatur bemerkbar macht. Zu starke Ausschläge sind bekanntlich unangenehm – und zwar in beide Richtungen. Deshalb ist man geneigt, nur vorsichtige Anpassungen vorzunehmen. Genau dasselbe machen die Notenbanken, wenn sie die Leitzinsen anpassen. Zu geringe Erhöhungen können die Inflation nicht nachhaltig eindämmen, während zu starke die Gefahr erhöhen, den Wirtschaftsmotor abzuwürgen.
Externe Schocks
Ungewöhnlich starke Preiserhöhungen werden häufig durch externe Schocks ausgelöst. Beispielsweise brachte die Ölkrise in den 1970er-Jahren eine spürbare Zunahme der Inflation mit sich. Der Kriegsbeginn in der Ukraine mit all den sich daraus ergebenden geopolitischen Unsicherheiten sorgte ebenfalls fast auf dem gesamten Erdball für einen massiven Teuerungsschub. Die Preise für Lebensmittel, Erdöl und Erdgas schossen in die Höhe, was das Leben der Haushalte ebenso verteuerte wie die Herstellung von Waren und Dienstleistungen von Unternehmen.
Positive Zweitrundeneffekte
Zweitrundeneffekte in der Wirtschaft können sich jedoch auch aus erfreulicheren Anlässen ergeben. Siedelt sich beispielsweise ein bedeutender Arbeitgeber an einem neuen Standort an, kann durch die höhere Kaufkraft der Einwohnerinnen und Einwohner über mehrere Runden eine enorme Sogwirkung auf die Nachfrage in verschiedenen Lebensbereichen wie Immobilien, Infrastruktur, Schulen, Handwerk, Versorgung und Gewerbe entstehen.