Zyklischer Gegenwind hält an

In der gegenwärtigen Abschwungphase sind der Konjunktur-, Inflations- und Zinszyklus aligniert. Dennoch belasten die abnehmenden Kreditimpulse. Anlegerinnen und Anleger müssen sich in Geduld üben. Mehr im Beitrag von Chefstratege Manuel Ferreira.

Text: Manuel Ferreira

Manuel Ferreira, Chefstratege Zürcher Kantonalbank (Bild: Andreas Guntli)
«Die «Beinahe-Banken-Krise» wird die restriktive Haltung der Banken bei der Kreditvergabe verstärken»: Manuel Ferreira, Chefstratege Zürcher Kantonalbank.

Die Konjunkturdynamik hat sich seit Jahresbeginn besser entwickelt als erwartet. Das sind grundsätzlich gute Nachrichten, ausser dass die Inflation hoch ist – zu hoch für die Notenbanken. Der nach wie vor gesättigte Arbeitsmarkt und vor allem die Kerninflation signalisieren, dass die Auswirkungen des Zinsanstieges die Realwirtschaft noch nicht ganz erreicht haben. Die resilientere Konjunktur hat gar die Gefahr erhöht, dass die Wirtschaft nicht zur angestrebten sanften Landung ansetzt und stattdessen mit der Inflation weiterfliegt.

Daher bleibt den Notenbanken gar nichts anderes übrig, als dem Wirtschaftssystem weiter Liquidität zu entziehen und den Zinsanhebungszyklus zu verlängern. Eine restriktive Geldpolitik wirkt bekanntlich erst mit Verzögerung bremsend auf die Realwirtschaft. Zuerst kühlt sich der Kreditmarkt ab, dann der Konsum, danach die Investitionen und somit die Gesamtnachfrage. Bereits vor den jüngsten Unruhen im Bankensektor signalisierten die Kreditimpulse, dass sich die Nachfrage abkühlen würde.

Die «Beinahe-Banken-Krise» wird die restriktive Haltung der Banken bei der Kreditvergabe verstärken. Das sind typische Risse im späten Konjunkturzyklus, welche das Rezessionsrisiko erhöhen. Insbesondere, weil die Notenbanken wegen der hohen Inflation ihren restriktiven geldpolitischen Kurs beibehalten müssen.

Obligationen geben mehr Orientierung im Zyklus

Der erhöhte Stress im Bankensektor hat zusammen mit der restriktiven Geldpolitik die Wirtschaftsdynamik wieder näher an eine Rezession geführt. Damit sind der Zins-, Inflations- und Konjunkturzyklus wieder alignierter und die relative Attraktivität der Anlageklassen gefestigt; Obligationen sind den Aktien aus taktischer Sicht vorzuziehen. Die inversen Zinskurven (Renditen 10-jähriger Staatsanleihen minus 3-Monats-Zinssatz) verdeutlichen die eingetrübten Konjunkturerwartungen besser als die Gewinnerwartungen und die Bewertungen am Aktienmarkt. Vor diesem Hintergrund und weil sich die Obligationenrenditen im letzten Jahr deutlich vom Tiefzinsniveau gelöst haben, bleibt die Risikoprämie von Aktien gegenüber Obligationen vorerst unattraktiv. Bei den Obligationen ist der Diversifikationseffekt wieder rehabilitiert.

Tiefe Risikoprämie bei Aktien mahnt zur Geduld

Aktienmärkte erholen sich typischerweise erst nach dem Ende des Zinsanhebungszyklus oder mit dem Beginn des Zinssenkungszyklus. Für letzteren braucht es eine Wachstumsverlangsamung, oder eine als unbedenklich eingestufte Inflationsentwicklung. Diese wird den Risikoappetit der Anleger jedoch kaum anregen. Denn selbst wenn sich die Inflation schnell zurückbildet und die Notenbanken die Zinsniveaus neutralisieren können, wird das die Risikoprämie der Aktien nicht entscheidend verbessern, zumal die Gewinnerwartungen der Anleger nur mässig nach unten revidiert wurden.

Dem ist in der taktischen Allokation Rechnung zu tragen. Dieses Szenario verhindert grössere Verwerfungen an den Finanzmärkten und ermöglicht eine massvolle Reduktion der Aktienquote. Unter diesem Szenario wird jedoch der Beginn eines breit abgestützten Aufwärtstrends am Aktienmarkt weiter hinausgezögert. Damit ein solcher an Momentum gewinnt, braucht es positive und starke Konjunkturimpulse, wofür das Preis- und Wachstumsniveau jedoch weiter sinken müsste. Erst dann und nach einer weiteren Bewertungskorrektur wird die Risikoprämie von Aktien attraktiv genug sein, um einen nächsten Bullenmarkt einzuläuten. Taktisch orientierte Anleger, die sich für den nächsten längeren Aufwärtstrend positionieren möchten, müssen sich daher noch etwas gedulden.

Zinserwartungen signalisieren US-Rezession

In den USA liegen die Renditen 2-jähriger Staatsanleihen mittlerweile tiefer als der Leitzins der US-Notenbank und signalisieren Zinssenkungen von über 1% in den nächsten zwei Jahren. In der Vergangenheit war dies in den USA ein verlässlicher Indikator für eine bevorstehende Rezession. Da die aktuelle Inflationsentwicklung alles andere als unbedenklich ist und die jüngsten Finanzstabilitätsrisiken abgewendet wurden, deutet auch die aktuelle Zinskonstellation drauf hin, dass das Fed den Leitzins weiter anheben wird. Erst wenn die Konjunktur nachgibt, wird sie die Zinsen senken.

Wir rechnen in den USA mit einer Rezession in der zweiten Jahreshälfte 2023. Allerdings wird diese milde ausfallen, so dass die US-Notenbank die Zinsen erst ab Januar 2024 senken wird. Anders als davor, gehen wir bei einem nächsten Zinssenkungszyklus davon aus, dass der Tiefpunkt der Zinsen klar über der Marke von Null liegen wird.

Defensiv investiert bleiben

Noch ist die Inflation zu hoch und die Wirtschaft lauwarm. Neben der Preisstabilität müssen die Notenbanken auch die Finanzstabilität im Auge behalten. Das führt zu Zielkonflikten und erhöht Rezessionsrisiken – kein zufriedenstellendes Umfeld für aktive Anleger. Die Volatilität lässt sich schlecht nutzen, da vermeintliche Opportunitäten wegen den fehlenden fundamentalen Grundlagen kurzlebig sind. Obligationen geben dem Portfolio gegenwärtig Halt und es empfiehlt sich eine zurückhaltende defensive Anlagepositionierung. Investoren, die einen längeren Anlagehorizont verfolgen, können die starken Schwankungen hingegen als Einstieg nutzen. Die Bewertungen am Aktienmarkt haben im aktuellen Umfeld noch Korrekturpotenzial. Längerfristig gesehen, sind aber weder Aktien noch Obligationen teuer bewertet und deren Ertragschancen deutlich besser als vor zwei Jahren.

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