Iwan Deplazes, das aktuelle Marktumfeld ist als Privatinvestor gelinde gesagt enttäuschend. Wie nehmen Sie es als professioneller Investor auf?
Iwan Deplazes: Es ist sicher anspruchsvoller geworden auch für uns. Mit einem Minus von 12 Prozent in einem breit diversifizierten Mischportfolio kann man nicht zufrieden sein. Wir alle wissen, dass neben der Inflation auch ein Krieg wütet und die Lieferketten die Märkte belasten. Wir kommen zudem aus einer Welt, in der es mit den Zinsen seit fast 15 Jahren nur noch bergab ging. Da wurden natürlich viele Anleger verwöhnt. Man sprach sogar von neuer Normalität.
Nun sieht die neue Normalität anders aus: Ist es nicht vielmehr so, dass wir mit den positiven Zinssätzen zur alten Normalität zurückkehren?
(lacht) Ja, aber was ist schon normal? 4 Prozent Inflation – da müssen sie schon sehr lange zurückblättern im schweizerischen Wirtschaftsgeschichtsbuch.
Inflation, Zinsschock: Wie gehen Sie damit um?
Zunächst bedeutet dies Verluste auf praktisch allen Anlageklassen. Gleichzeitig, das sieht man insbesondere in den USA, führen steigende Zinsen zu neuen Opportunitäten – die US-Staatsanleihen handeln wieder mit einem Zins auf Verfall von fast 4 Prozent. So weh diese Korrektur auch tut, das höhere Zinsumfeld führt dazu, dass das Vermögen wieder einen Wert erhält und zinsloses Sparen im inflationären Umfeld einer Wertvernichtung gleichkommt.
Was unternehmen institutionelle Anleger wie Pensionskassen derzeit? Abwarten und Teetrinken?
Nein, das geht nicht. Natürlich spüren diese auch den Zerfall der Bondpreise sowie die sinkenden Aktienpreise, was oft auch Reallokationsaktivitäten mit sich bringt. Gleichzeitig eröffnen aber die Obligationen wieder neue Anlageperspektiven, die die Pensionskassen seit Jahren vermisst haben. Institutionelle Anleger tun gut daran, die Märkte genau zu beobachten und wachsam zu bleiben, damit sie den Zeitpunkt für den Einstieg nicht verpassen.
Die Pensionskassen müssen immer auch ihre Passivseite im Auge behalten.
Auf jeden Fall. Die privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mussten im zweiten Quartal 2022 einen starken Rückgang ihrer Reserven mitansehen. Sie sanken gemäss unserem Pensionskassen-Monitor um durchschnittlich 9,3 Prozentpunkte auf 7,8 Prozent. Ein Problem sind deswegen die sinkenden Wertschwankungsreserven, die ja auch die Risikofähigkeit der Kassen mitprägen. Per Ende Juni 2022 lagen die Wertschwankungsreserven wieder deutlich unter der durchschnittlichen Zielgrösse von 18 Prozent. Sie haben sich also von den rekordverdächtigen Höchstständen von Ende 2021 von über 20% stark entfernt.