«Aufstockungen sollten in einen Sanierungs­zyklus eingebunden sein»

Armin Brun, Leiter Immobilien­ Bautreuhand bei der Zürcher Kantonalbank, kennt als Spezialist im Bereich Bauherrenberatung die Chancen und Risiken, wenn Anbauten oder Aufstockungen geplant werden. Im Interview gibt er Einblick in die Praxis.

Interview: Othmar Köchle / Bilder: Dominique Meienberg

Armin Brun weiss, worauf es bei Aufstockungen ankommt.

Armin Brun, die FDP der Stadt Zürich wollte diesen Sommer per Motion in den Wohnzonen grundsätzlich ein zusätzliches Geschoss möglich machen? Der Antrag ist zwar knapp gescheitert. Dennoch: Wohnzonen zu verdichten scheint im angespannten Wohnungsmarkt nicht verkehrt.

Grundsätzlich ist das sicher ein naheliegendes Mittel, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Vielerorts wurden die bestehenden Bau- und Zonenordnungen in Richtung Verdichtung bereits überarbeitet oder sind noch in der Revision. Dadurch ergibt sich zusätzliches Potenzial auf den Liegenschaften. Der Teufel steckt – wie das Sprichwort sagt – im Detail.

Welche Objekte eignen sich vorrangig?

Wir unterscheiden in erster Linie Mehrfamilienhäuser und Einfamilienhäuser. Eine zweite Wohnung in einem Einfamilienhaus zu integrieren, ist meist mit grossem Aufwand verbunden. Normalerweise verfügt es über zwei Geschosse, aber kein «neutrales» Treppenhaus, was die Erschliessung für einen künftigen Mieter schwierig macht. Daher sprechen wir vorrangig über Mehrfamilienhäuser. Bei älteren Einfamilienhäusern mit entsprechendem Umschwung ist zu prüfen, ob ein Ersatzneubau durch ein kleineres Mehrfamilienhaus realisierbar ist.

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Welche Chancen eröffnen sich für den Eigentümer?

Investoren, dazu gehören natürlich auch Privatpersonen, aber auch viele Pensionskassen oder andere kapitalkräftige Anleger, suchen nach Renditepotenzial. Wenn Bestandesliegenschaften vorhanden sind, kann unter Umständen mit entsprechendem Kapitaleinsatz die Rendite gesteigert werden. Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Aufzonung ein Teil des Mehrwerts steuerlich abgeschöpft wird – was im Detail zu klären ist.

Was ist zu beachten, bevor man überhaupt an eine Aufstockung denkt?

In unseren Mandaten beginnen wir mit einer Zustandsanalyse. Je nach Liegenschaft empfiehlt sich auch eine Machbarkeitsstudie mit einem Architekten. Zuerst muss indessen die rechtliche Situation klar sein. Erlaubt die Bau- und Zonenordnung bei meiner Liegenschaft eine höhere Ausnützung, oder gibt es privatrechtliche Einschränkungen, z.B. eine Höhenbeschränkung zugunsten des Nachbarn? Wenn ich dadurch nur 30 m2 gewinne, dürfte sich die Investition kaum lohnen. Anders sieht es aus, wenn ich ein oder gar zwei Geschosse aufstocken kann. Ganz wichtig ist auch der Sanierungszyklus der Immobilie. Wenn ich vor erst sieben Jahren das Dach saniert und dazu noch Fotovoltaik installiert habe, vernichte ich durch die Aufstockung sehr viel Kapital. Wenn aber sowieso eine Sanierung ansteht, fahre ich mit der gleichzeitigen Planung einer Aufstockung markant günstiger.

Angenommen, diese Voraussetzungen sind gegeben: Wie gehe ich die Aufstockung an?

Viele Details müssen für eine seriöse Projektierung geklärt sein. Wie ist die Bausubstanz? Probleme der Statik bei einer Aufstockung müssen beachtet werden. Die Erschliessung des neuen Geschosses mit Treppen, Wasser, Abwasser, Heiz- und Stromleitungen müssen geplant werden. Reicht die Heizung noch aus? Braucht es einen Lift? Entfallen Stauräume (Estrich usw.) für die Mieter, und wo könnten neue Stauräume entstehen? Werden zusätzliche Parkplätze nötig? Sind Mietverträge zu kündigen, oder kann die Aufstockung ohne Kündigungen realisiert werden?

Wann ist der optimale Zeitpunkt, um die Mieter, die bereits im Haus wohnen, zu informieren?

Sobald die ersten Planer die Liegenschaft besichtigen, sollte eine Kurzinformation gemacht werden. Wenn dann klar ist, was realisiert werden soll, werden die Mieter nochmals detaillierter informiert.

Viele Bauherren befürchten einen zähen Bewilligungsprozess und Einsprachen. Wie sieht das in der Praxis aus?

Bereits kurz nach Planungsstart nimmt der Architekt mit der Baubehörde Kontakt auf. Mit der Baueingabe beginnt der Bewilligungsprozess. Von Gemeinde zu Gemeinde erleben wir in der Praxis recht grosse Unterschiede. Meist ist das personenabhängig. Bei einer Baubewilligung sind viele unterschiedliche Stellen involviert, auf kommunaler und zum Teil kantonaler Ebene, je nach Bauvorhaben. Wir erleben Gemeinden, die proaktiv Unterstützung bieten, damit der Prozess möglichst reibungslos abläuft. Aber es kann auch vorkommen, dass ein Bewilligungsprozess zu einem Spiessrutenlauf wird.

Wenn ich vor erst ­sieben Jahren das Dach saniert und dazu noch Fotovoltaik installiert habe, vernichte ich durch die Aufstockung sehr viel Kapital.

Armin Brun, Leiter Immobilien­ Bautreuhand

Wie lange dauert das Bewilligungsverfahren?

Dies ist unterschiedlich je nach Bauvorhaben und Ort. Normalerweise sollte 3 bis 4 Monate nach Baueingabe der Bauentscheid vorliegen. In der Praxis dauert es aber oft viel länger, mitunter auch aus Gründen mangelnder Ressourcen auf ­Behördenseite.

Danach können Einsprachen kommen. Wie lange kann sich das Projekt dadurch verzögern?

Richtig. Nach der Publikation im Amtsblatt haben potenzielle Einsprecher 20 Tage Zeit, um den Bauentscheid einzufordern. Dies ist eine Voraussetzung, um später Rekurs gegen den Bauentscheid zu erheben. Nach Zustellung des Bauentscheids besteht eine Rekursfrist von 30 Tagen, wobei auch noch der Postweg von bis zu einer Woche abgewartet werden muss. Dann weiss man, ob gegen den Bauentscheid ein Rekurs eingereicht wurde. Wenn mit dem Rekurrenten keine Lösung gefunden werden kann und der Rekurs über die Rekursinstanzen läuft, wird es eine Verzögerung von mindestens einem halben Jahr geben.

Ist das Verfahren bei Estrichausbauten ähnlich?

Ja, das sind eigentlich die gleichen Abläufe. Sobald ich Wände verschiebe oder das äussere Erscheinungsbild verändere, muss ich eine Baueingabe einreichen. Der Bewilligungsprozess ist identisch.

Abschliessend: Was sind die häufigsten Fehler, die bei solchen Projekten gemacht werden?

Am wichtigsten scheint mir, dass man für eine Immobilie einen klaren Plan bezüglich des Sanierungskonzeptes hat. Mit anderen Worten, dass man keine «Pflästerli-Politik» betreibt. Wenn eine umfassendere Sanierung ansteht, kann man auch das Potenzial der Immobilie überprüfen und es allenfalls besser ausschöpfen. Der zweite Punkt, der gern übersehen wird, ist der Umgang mit den Bewohnern – den Mietern. Das sollte von Anfang an gut geplant werden, damit dem Mietrecht und somit auch dem Mieterschutz Rechnung getragen werden kann.