Druckstellen am Wohnungsmarkt

Überall mehren sich die Zeichen einer Überlastung. Der Eigenheimmarkt ist schon seit Jahren von Knappheit geprägt. Diese ist inzwischen auch auf den Mietwohnungsmarkt übergeschwappt, in Feriengebieten ganz besonders. Preise und Miete lassen sich kaum von ihrem Aufwärtstrend abhalten.

Text: Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research

Silvaplanersee
In Feriengebieten gerade im Engadin werden aus Bestandeswohnungen Zweitwohungen gemacht. Bezahlbare Mietwohnungen werden knapp. (Bild: ZKB)

Kaum ein Finanzthema beschäftigt die Menschen so intensiv wie Immobilien. Kein Wunder: Wie und wo man wohnt, ist nicht nur ein finanzieller Entscheid. Die Wahl nimmt direkten Einfluss auf den Alltag und prägt somit die Lebensqualität. Dem Eigenheim kommt in diesem Kontext eine besondere Rolle zu. In den eigenen vier Wänden zu wohnen, bedeutet für viele Sicherheit, Gestaltungsspielraum wie auch Prestige. Wohneigentum dient zudem als Altersvorsorge. Geduld und Sparanstrengungen sind aber längst keine Garantie für ein Eigenheim. Das Preiswachstum war über viele Jahre so kräftig, dass der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung trotz Sparmassnahmen immer weiter in die Ferne rückte. Für viele Mieter war das sehr frustrierend, zumal sie im Zuge der Negativzinsen höhere Wohnkosten stemmen mussten als Eigentümer vergleichbarer Wohnungen.

Eigenheimpreise steigen trotz höherer Zinsen


Selbst der 2022 einsetzende Zinsanstieg brachte die Eigenheimpreise nicht zum Kippen. Wer nach den schon fast exorbitanten Preisanstiegen zu Zeiten der Pandemie auf Preiskorrekturen bei den Eigenheimen hoffte, wurde enttäuscht. Zwar hat sich das Preiswachstum aufgrund der höheren Finanzierungskosten entschleunigt und fiel im dritten Quartal 2023 mit -0,1 Prozent ggü. dem Vorquartal in einen kurzen Dämmerschlaf. Doch schon Ende des Jahres zeigten die Preise erneut nach oben. Mit den jüngsten Inflationsentwicklungen ist die Zuversicht an den Finanzmärkten zurückgekehrt, dass die SNB ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen hat. Stattdessen spekulieren die Märkte, wann die SNB ihre Zinsen erstmals senken wird und wie viele Senkungen folgen werden. Für angehende Eigenheimbesitzer war das offenbar Grund genug, laufende Kaufprozesse abzuschliessen. Die Freihandtransaktionen haben ihr Rekordtief der ersten Jahreshälfte hinter sich gelassen. Der Eigenheimmarkt ist dennoch weit davon entfernt, zur Marktsituation der Pandemiejahre zurückzukehren. Das Pendel ist von einem sehr ausgeprägten Verkäufermarkt zu einem ausgewogeneren Kräfteverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer zurückgeschwungen. Das schenkt den Käufern in erster Linie Zeit, die Liegenschaft genau zu prüfen. Punktuell haben sie sogar einen gewissen Verhandlungsspielraum bei den Preisen. Dies dürfte die Eigenheimpreise jedoch nicht von ihrem Aufwärtstrend abbringen. Die meisten Mieter können auch in Zukunft von den eigenen vier Wänden nur träumen.

Unerfreulicherweise drückt der Schuh auch am Mietwohnungsmarkt. Trost für den unerfüllten Eigenheimtraum fanden Mieter noch vor wenigen Jahren auf dem Mietwohnungsmarkt. Damals sorgten steigende Leerstände bei Mietwohnungen für Schlagzeilen. Der mit den Negativzinsen einhergehende Anlagenotstand weckte das Interesse institutioneller Investoren am Immobilienmarkt. Die Neubauproduktion wurde insbesondere in ländlicheren Regionen zunächst schlecht absorbiert. Wer zwischen 2016 und 2019 eine Mietwohnung suchte, sichtete in manchen Mietinseraten Lockmittel wie einige Monate mietfreies Wohnen, oder es wurden Sachgeschenke wie zum Beispiel ein iPad in Aussicht gestellt. Das ist in der heutigen Situation schlicht undenkbar. Die Wohnbautätigkeit hat 2018 den Zenit überschritten und ist seither in der Schweiz um rund 18 Prozent gesunken. Mit der Revision der Raumplanung soll das Wachstum an bereits verdichteten Orten und nicht mehr auf grüner Wiese stattfinden. Der Widerstand gegen die Verdichtung ist bei den Betroffenen jedoch gross. Zahlreiche Einsprachen und Rekurse blockieren teilweise bereits baubewilligte Neubauprojekte. Zwischen dem ersten Baugesuch und der erteilten Baubewilligung verstreicht immer mehr Zeit. Derweil wächst die Schweizer Bevölkerung kräftig. Die Nettozuwanderung dürfte auch in den nächsten beiden Jahren auf hohem Niveau bleiben, sodass der Wohnungsneubau die Mehrnachfrage nach Wohnraum nicht stillen wird. Während ein knappes Angebot beim Wohneigentum schon seit vielen Jahren ein grosses Thema war, ist diese Thematik nun auch auf den Mietwohnungsmarkt übergeschwappt. Steigende Mieten sind die logische Konsequenz.

Umwandlung von altrechtlichen Wohnungen erhöht Anteil der Zweitwohnungen

Zweitwohnungen CH
Quellen: ARE, Zürcher Kantonalbank

Druckstelle Zweitwohnungen


In Feriengebieten zeigen sich die Druckstellen besonders deutlich. Lange hiess es, immer weniger Personen seien bereit, den Aufwand eines zweiten Zuhauses auf sich zu nehmen. Urlauber würden stattdessen bei der Wahl ihrer Feriendestination nach Abwechslung suchen. Es kam aber anders. Auslandsferien waren zu Beginn der Pandemie mit grossen Einschränkungen und Unsicherheiten verbunden. Gleichzeitig nahm mit Home-Office die Nutzbarkeit von Ferienwohnungen zu. Diese erlebten einen regelrechten Ansturm. Die Angebotsmieten sind im Kanton Graubünden im Jahr 2023 um kräftige 7,2 Prozent gestiegen und toppten damit das bereits sehr hohe Mietpreiswachstum des Vorjahres von 6,7 Prozent. Damit hängt Graubünden die Ferienkantone Tessin und Wallis deutlich ab. Auch der Kauf einer Bündner Ferienwohnung erlebte durch die Pandemie eine Renaissance. Das aufgeflammte Interesse an Zweitwohnungen hat spürbare Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung. Wie wir in einer früheren Ausgabe von «Immobilien aktuell» gezeigt haben, sind die Vermietung und der Verkauf an Auswärtige sehr lukrativ. Mit dem Interesse aus dem Unterland und dem Ausland ist nicht nur der Kreis der Interessenten grösser geworden, sondern es gelangt auch eine gehobenere Einkommens- und Vermögensschicht in den lokalen Immobilienmarkt. Eine Ferienwohnung kostet in einer touristischen Gemeinde im Schnitt 26 Prozent mehr pro Quadratmeter als eine Erstwohnung. Seit Inkrafttreten des Zweitwohnungsgesetzes im Jahr 2016 ist der Bau von Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil über 20 Prozent grundsätzlich untersagt. Altrechtliche Wohnungen, die vor 2012 gebaut wurden, sind in ihrer Nutzung jedoch frei und können weiterhin an Auswärtige verkauft oder vermietet werden. Das Potenzial für Umwandlungen ist gross, schliesslich betrifft das über 90 Prozent des Erstwohnungsbestandes. Die Umwandlung von Erst- in Zweitwohnungen ist in den Wohnungsstatistiken sichtbar. Obwohl sich die Bautätigkeit auf Erstwohnungen beschränkt, ist der Anteil der Zweitwohnungen aufgrund der Umwandlungen an besonders beliebten Feriendestinationen gestiegen. Im Bezirk Maloja, der das Oberengadin und das Bergell umfasst, ist trotz Neubautätigkeit die absolute Zahl der Erstwohnungen zwischen 2017 und 2023 sogar leicht gesunken. Die Zahl der Zweitwohnungen ist in diesem Zeitraum um 6 Prozent gestiegen. Auch im angrenzenden Puschlav haben die Zweitwohnungen deutlich zugenommen. Regionen im Tessin und im Wallis verzeichnen in den letzten Jahren den gleichen Trend. Die Wohnungssuche hat sich für Einheimische und Arbeitspersonal folglich erschwert. Pontresina sieht dringenden Handlungsbedarf und denkt sogar darüber nach, Zweitwohnungsbesitzer mit einer Sondersteuer zu belasten. Wer eine Zweitwohnung besitzt, sollte politische Risiken im Auge behalten.

Kontraintuitive Entwicklung – Referenzzinssatzanstieg 2025 trotz SNB-Zinssenkung

in Prozent

Referenz-Zinssatz
Quelle: Zürcher Kantonalbank

Renditeliegenschaften in den Städten mit politischen Risiken


Politische Risiken sind inzwischen auch ein grosses Thema der Städte. Die zunehmende Knappheit am Mietwohnungsmarkt, kräftige Mietpreissteigerungen bei der Neuvermietung sowie im Bestand erhöhen den politischen Druck für zusätzliche Regulierungen am Mietwohnungsmarkt. Damit könnte der Wohnungsmangel mittelfristig zu einem Boomerang werden. Zwar sind die Mieteinnahmen in den Städten am stärksten gestiegen, die Angebotsmieten in der Stadt Zürich zeigten 2023 ein Plus von über 12 Prozent, und das Leerstandsrisiko liegt de facto bei null. Doch die zunehmenden Regulierungen am Mietwohnungsmarkt dämpfen die Perspektiven für Grossstadtimmobilien. Renditeliegenschaften vor den Toren der Stadt Zürich dürften mittelfristig bessere Anlagegelegenheiten bieten, da sie zwar von der Knappheit des Mietwohnungsmarktes profitieren, jedoch von künftigen Mietregulierungen weniger tangiert sind. Beim Referenzzinssatz dürfte 2024 kurzfristig Ruhe einkehren, wir erwarten in diesem Jahr keinen weiteren Anstieg. Im kommenden Jahr laufen jedoch hohe Hypothekarvolumen mit geringen Finanzierungskosten aus. Die Refinanzierung zu höheren Zinsen dürfte den für den hypothekarischen Referenzzinssatz relevanten Durchschnittszins erneut steigen lassen, ein weiterer Anstieg der Bestandesmieten wäre die Folge. Ein Grund mehr, dass der Wohnungsmarkt auch in Zukunft für viele Emotionen, schmerzhafte Druckstellen und hitzige Debatten sorgen wird.

Prognosen zum Wohnungsmarkt

Tabelle Prognosen Immobilienmarkt
Quelle: Zürcher Kantonalbank

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