Zukunft Sonnenenergie
Solarstrom soll einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Die Energie von oben ist nachhaltig und überall verfügbar. Schaut man aber an einem nebligen Winternachmittag aus dem Fenster, stellt sich die Frage, wie wirkungsvoll Solarpanels zu dieser Jahreszeit sind. Unsere Analysen zeigen, dass die Städte keine Ausrede haben, sich bezüglich Solarenergie zurückzulehnen.
Text: Isabella Kübler, Analytics Immobilien
Um die Energiewende voranzutreiben und die Stromversorgung zu sichern, soll in Zukunft mehr Solarenergie für die Stromproduktion genutzt werden. Im Entwurf des Bundesgesetzes für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien steht, dass bis 2035 über 20 Prozent des Schweizer Stromendverbrauchs durch Solarenergie gedeckt werden soll. Tatsächlich verfügt die Schweiz über das Jahr betrachtet über ein enormes Potenzial an Solarenergie. Allerdings ist die Zahl der Sonnenstunden im Winter gering. Die Frage, ob Solarpanels auf dem eigenen Dach empfehlenswert sind, ist berechtigt. Vor allem wenn über den Hausdächern zusätzlich eine dicke Nebelschicht hängt.
Deutlich weniger Solarstrom im Winter
Der Unterschied zwischen den Jahreszeiten ist z.T. enorm, in einigen Gemeinden wird in den Wintermonaten von Dezember bis Februar im Durchschnitt sogar 85 Prozent weniger Strom pro Quadratmeter Dachfläche produziert als im Sommer (s. Karten). Die Gründe sind zahlreich: In der kalten Jahreszeit sind die Tage kürzer, und die Sonne steht tiefer am Himmel, d.h. der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen ist flacher. Berge, Hügel oder Bauwerke verschatten schon früh viele Dächer. Dies führt lokal zu deutlich weniger Sonneneinstrahlung.
Naheliegend ist, dass die sonnenverwöhnten Kantone Waadt, Wallis, Tessin und Graubünden in den warmen wie auch in den kalten Monaten besonders hohe Stromerträge pro m2 Dachfläche ermöglichen. Vor allem nach Süden ausgerichtete Hänge erhalten das ganze Jahr über viel Sonnenschein. Solche Hänge findet man z.B. im Walliser Rhonetal oder in den Gemeinden um Lausanne am Genfersee. Ähnlich wie das Wallis profitieren auch die Berggebiete des Engadins und das südliche Tessin von langanhaltenden Schönwetterlagen.
Im Sommer haben die Dächer in der ganzen Schweiz ein hohes Stromertragspotenzial
Nach Süden ausgerichtete Dächer in Berggemeinden können im Winter am meisten Strom produzieren
Der Kanton Zürich liegt in beiden Jahreszeiten eher im unteren Mittelfeld. Vor allem aber im Winter gehören die potenziell erzielbaren Stromerträge pro m2 Dachfläche zu den tiefsten schweizweit. Viele Gebiete im Kanton sind sehr dicht bebaut, allen voran die Städte Zürich und Winterthur. Hier verschatten sich die Gebäude gegenseitig. Auch die Ausrichtung des Daches hat einen Einfluss. In den Zürichseegemeinden sind die Gebäude für eine optimale Aussicht auf den See eher nach Osten oder Westen ausgerichtet. Im Hinblick auf die Sonnenenergie wäre aber eine Orientierung nach Süden vorteilhafter. Schliesslich kommt noch der Nebel hinzu, der in gewissen Gemeinden relativ oft vorkommt. Ist dieser besonders dicht, kann der Stromertrag um fast 90 Prozent abnehmen.
Dächer in den Städten nutzen
Ausgerechnet in der Jahreszeit, in der das Licht fast den ganzen Tag brennt, die Wärmepumpe auf Hochtouren läuft und wir auch mehr Zeit vor dem Bildschirm oder beim Kochen verbringen, liefert die Sonne weniger Energie. Sind Photovoltaikanlagen in Gemeinden mit eher geringer Sonneneinstrahlung im Winter, wie z.B. in der Stadt Zürich, überhaupt sinnvoll? Wir sind der Meinung: Ja. Denn summiert man den potenziellen Stromertrag für alle geeigneten Dachflächen von Wohngebäuden pro Gemeinde, weisen vor allem die Städte hohe Werte auf (s. Karte). Die Stadt Zürich steht in diesem Fall zuoberst auf dem Podest, auch im Winter. Unsere Berechnungen zeigen, dass in der Stadt Zürich eine Dachfläche von insgesamt 2,8 km2 mit Solarpanels ausgestattet werden könnte. Dies entspricht etwa 400 Fussballfeldern. Im schweizweiten Gemeindevergleich ist dies bei Weitem die grösste Fläche. Die weiteren Ränge auf dem Podest werden von den Städten Basel mit 1,3 km2 und Bern mit 1,2 km2 besetzt. Auf den Dächern dieser Städte schlummert also ein enormes Solarenergiepotenzial, das genutzt werden sollte. Angesichts der grossen Bevölkerungszahl ist hier selbstverständlich auch der Stromverbrauch wesentlich höher als in den kleinen Gemeinden im Wallis oder in der Waadt. Gerade deshalb sollte man hinsichtlich der Energiewende und der Versorgungssicherheit nicht auf die Sonnenenergie aus dem Flachland verzichten. Das Stromdefizit im Winter lässt sich im Idealfall mit anderen erneuerbaren Energiequellen wie Wasser- oder Windkraft kompensieren.
Die potenziellen Stromerträge in den Schweizer Städten sind sehr hoch, auch im Winter
Schnee und Kälte: Fluch und Segen zugleich
Bergregionen werden häufig als optimal für die Produktion von Solarstrom gehandelt. In den letzten Monaten, in denen die sichere Stromversorgung in der Schweiz immer mehr Sorgen bereitete, wurden zahlreiche Projekte für grossflächige Solaranlagen in den Bergen vorgeschlagen. Diese sollen dafür sorgen, dass auch im Winter genug Strom produziert werden kann. Wie in den Karten ersichtlich, haben die Berggemeinden tatsächlich die höchsten potenziellen Stromerträge pro m2 Dachfläche im Winter. Die Luft ist hier dünner, und die dadurch intensivere Einstrahlung wird zusätzlich noch durch vom Schnee auf die Anlage zurückreflektierte Strahlung erhöht. Andererseits ist der Stromertrag von schneebedeckten Solarpanels gleich null, und das Gewicht der Schneedecke kann die Photovoltaikanlage beschädigen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Solarpanels vom Schnee zu befreien, z.B. mit der richtigen Neigung oder einem Schneefang. Diese Aspekte müssen aber beim Bau berücksichtigt werden.
Je höher die Wohnlage, desto tiefer die Temperaturen
Durchschnittliche Temperatur in den Wintermonaten in verschiedenen Höhenlagen (m ü. M.)
Auch die Kälte bringt Vor- und Nachteile mit sich. Wie ein Vergleich zwischen den Kantonen Zürich und Graubünden in der Grafik unten zeigt, wohnen im Bergkanton Graubünden die meisten Personen in höheren Lagen. Mit zunehmender Höhe und abnehmendem Druck nimmt die Lufttemperatur ab. Die Kälte ist für Solarpanels ein Vorteil: Bei tiefen Temperaturen ist der Wirkungsgrad von Photovoltaikanlagen höher, es kann also mehr Strom produziert werden. Andererseits bedeutet die höhere Lage auch, dass mehr geheizt werden muss. Der Unterschied zwischen Aussen- und Innentemperatur kann über eine längere Zeit sehr gross sein. Die Heizung muss mehr leisten. Hier ist also die Versorgungssicherheit bezüglich Strom gerade auch hinsichtlich des Heizbedarfs sehr wichtig, zumal nicht nur die Wärmepumpen, sondern auch Öl- und Gasheizungen bei einem Stromausfall nicht mehr funktionieren.
Höhe der Wohnlagen im Vergleich
Vereinfachter Zugang zu Photovoltaik
Bund und Kantone haben in den letzten Monaten verschiedene Massnahmen ergriffen, um den Bau von Photovoltaikanlagen zu fördern. Seit Juni 2022 müssen schweizweit Solarpanels auf Flachdächern nicht mehr bewilligt werden. Sie unterliegen nur noch dem Meldeverfahren. Auch der Kanton Zürich will die Wende möglichst schnell vorantreiben. Seit dem 1. September 2022 müssen Neubauten einen Teil ihres Strombedarfs selbst erzeugen, was in der Regel über Solarpanels erfolgen dürfte. Unsere Analysen unterstreichen, dass Photovoltaikanlagen auch in Gebieten sinnvoll sind, die im Winter nicht tagtäglich die Sonne sehen. Wer heute in dichte Nebelschwaden schaut, dem sei zudem gesagt, dass die Zahl der Nebeltage im Raum Zürich in den letzten fünfzig Jahren dank der besseren Luftqualität um 20 Prozent abgenommen hat. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien sollten die Wintermonate noch sonniger werden, auch im Kanton Zürich.
Erfahren Sie, wo schon Photovoltaikanlagen vorhanden sind
Bislang lag die Schweiz bezüglich der Nutzung von Sonnenenergie im Vergleich zu Ländern wie den Niederlanden oder Deutschland in einem Dornröschenschlaf. Die aktuelle geopolitische Weltlage und der drohende Strommangel haben uns ein böses Erwachen beschert. Neue Massnahmen werden ergriffen, um den Bau möglichst vieler Photovoltaikanlagen zu fördern. Spielen Sie auch mit dem Gedanken, Solarpanels auf Ihrem Dach zu bauen, und möchten Sie erfahren, ob Ihre Nachbarn bereits Erfahrungen mit Photovoltaikanlagen haben? Schauen Sie in unserer neuen interaktiven Kartenapplikation, wo bereits Photovoltaikanlagen vorhanden sind und ob Ihr Dach dafür geeignet ist.