Aus Liebe gut abgesichert
Auch wenn es unromantisch ist und viele nicht darüber sprechen wollen: Ein Konkubinatspaar muss mehr Aufwand betreiben, um sich gegenseitig abzusichern. Es lohnt sich, diese Themen genauer anzuschauen, damit unliebsame Überraschungen ausbleiben.
Interview: Susanne Wagner, Illustration: Maria Salvatore | aus dem Magazin «Meine Vorsorge» 1/2022
Frau Herz, Sie beraten vor allem gleichgeschlechtliche Paare in rechtlichen Belangen. Immer wieder ist zu hören, dass Frauen sich mit dem Thema Vorsorge schwer tun. Beobachten Sie das bei Ihren Klientinnen auch?
Nadja Herz: Ich kann nicht bestätigen, dass Frauen sich weniger mit Vorsorgethemen befassen. In meiner Beratungstätigkeit habe ich hauptsächlich mit gleichgeschlechtlichen Frauenpaaren zu tun. Wenn diese im Konkubinat leben, kümmern sie sich eher um eine Absicherung als heterosexuelle Konkubinatspaare.
Warum ist das so?
N.H.: Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass sie sich – als bislang diskriminierte Paare – eher bewusst sind, nicht gut abgesichert zu sein. Zudem gibt es bei ihnen weniger geschlechterstereotypische Vorgaben, wer sich um die Themen der Vorsorge kümmert.
Welche Erfahrungen machen Sie bei diesen Themen, Frau Albrecht?
Judith Albrecht: Bei Beratungsgesprächen sind die Fragen, die von Frauen kommen meist sehr gut durchdacht. Nur manchmal trauen sie sich nicht zu fragen, wenn sie sich in der Materie nicht so sattelfest fühlen.
Darauf kommt es an
Darauf kommt es an
Dazu gehören viele Themen: Vollmachten, eine Patientenverfügung, die Begünstigung bei der Pensionskasse sowie der Säule 3a, ein Testament und ein Vorsorgeauftrag – oder doch heiraten? Eine juristische Beratung ist nützlich, damit nichts vergessen geht.
Ist zwar ein Auslaufmodell, bleibt aber als Zivilstand bestehen, wenn das eingetragene Paar nichts unternimmt. Im Todesfall gilt immer die etwas schlechter gestellte Regelung für Witwer, selbst wenn es Frauen sind.
Die überlebenden Konkubinatspartnerinnen haben keine Ansprüche aus der AHV. Bei einer Ehe werden Witwer und Witwen bei der Dauer des Rentenanspruchs aus der 1. Säule unterschiedlich behandelt.
Nur wenn sie mit einem Testament begünstigt werden, erben Konkubinatspartnerinnen. Aber wegen der zu beachtenden Pflichtteile meist nur einen Teil des Vermögens, es sei denn, es werden Erbverzichtsverträge abgeschlossen. Zudem erheben die meisten Kantone hohe Erbschaftssteuern.
Worauf sollten Frauen achten, wenn sie eine gleichgeschlechtliche Konkubinats-Partnerschaft eingehen?
N.H.: Das Konkubinat ist eine formlose Partnerschaft ohne Rechtswirkungen. Deshalb sind Vorkehrungen wichtig, um sich gegenseitig abzusichern. Es braucht viel mehr Regelungen als bei einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft.
J.A.: Wir erleben immer wieder in Beratungen, dass sich Paare nach solchen Gesprächen entscheiden, wie sie ihr Zusammenleben fortsetzen wollen: als Konkubinatspaar, in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer Ehe. Je nach Lebensform werden die Risiko- oder Vorsorgebedürfnisse anders abgedeckt.
Was sollte man besonders anschauen?
N.H.: Für den Krankheitsfall empfiehlt es sich, Patientenverfügungen auszufüllen und schriftlich festzuhalten, dass die Partnerin vom medizinischen Personal im Spital Auskunft erhält und im Fall der Urteilsunfähigkeit stellvertretend Entscheide fällen darf. Sich gegenseitig bei der Pensionskasse zu begünstigen und Vollmachten auszustellen, ist sehr wichtig; und einen Vorsorgeauftrag für die Vermögenssorge sowie die Vertretung im Rechtsverkehr zu errichten für den Fall, dass man nicht mehr selbst entscheiden kann. Sodann sollte die Partnerin im Testament berücksichtigt sein. Das alles sind Punkte, über die ein Konkubinatspaar unbedingt reden muss, weil bei ihnen rechtlich gar kein Schutz besteht.
Was gehört sonst noch zur gegenseitigen Absicherung eines Konkubinatspaares?
N.H.: Wenn eine Frau Teilzeit arbeitet, weil sie mehr Haus- oder Care-Arbeit leistet oder Kinder betreut, empfehle ich sehr dringend einen Partnerschaftsvertrag. Darin sollten Regelungen für den Trennungsfall festgehalten sein, ähnlich wie jene für Ehepaare im Scheidungsfall.
J.A.: Für Frauen gilt es vor allem, bei ungleichen Einkommen und wenn Kinder da sind, ein Auge auf die Vorsorge zu haben. Frauen haben oftmals vielfältigere Lebensbiografien, wenn sie wegen der Kinderbetreuung die Erwerbsarbeit reduzieren oder unterbrechen. Leichter ist es, wenn Frauen mit Kindern im Erwerbsleben bleiben, im besten Fall auch mit höheren Pensen.
Wie sieht das bei gleichgeschlechtlichen Konkubinatspaaren aus, wenn sie Kinder haben?
N.H.: Bei ihnen beobachte ich weniger häufig eine geschlechterstereotypische Rollenteilung. Oft arbeiten beide Beteiligten mit einem reduzierten Pensum weiter.
Wenn ab diesem Sommer die Ehe für alle umgesetzt wird – was ändert sich damit?
N. H.: Für gleichgeschlechtliche Paare steht nur noch die Ehe zur Auswahl. Wer bereits in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, darf diese beibehalten oder in eine Ehe umwandeln lassen. Was viele nicht wissen: Bei homosexuellen Paaren, die im Ausland geheiratet haben, gelten ab diesem Sommer automatisch und rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschliessung die Rechtswirkungen der Ehe.
Mit welchen Folgen?
N. H.: Damit ändert sich der Güterstand automatisch von der Gütertrennung zur sogenannten Errungenschaftsbeteiligung. Hier wird das gemeinsame Einkommen ab dem Zeitpunkt der Heirat bei einer Scheidung hälftig geteilt. In eingetragenen Partnerschaften gilt Gütertrennung, sofern man vertraglich nichts anderes vereinbarte.
Wie können Konkubinatspaare einander im Todesfall besser absichern?
N. H.: Wichtig ist zu wissen, dass die Konkubinatspartnerinnen von Gesetzes wegen nichts erben, sofern sie sich nicht in einem Testament begünstigen. Zu berücksichtigen ist, dass Eltern und Kinder – nicht jedoch Geschwister – einen Pflichtteil haben. Wenn Kinder da sind, fällt der Pflichtteil für die Eltern weg. Nur wenn die Eltern bzw. die Kinder einen Erbverzichtsvertrag unterschreiben, ist es möglich, der Partnerin einen grösseren Teil zukommen zu lassen. Selbst mit einem Testament kann man die Konkubinatspartnerin daher nur eingeschränkt begünstigen. Zudem sind in den meisten Kantonen hohe Erbschaftssteuern zu zahlen.
Und wenn man verheiratet ist oder in eingetragener Partnerschaft lebt?
N. H.: Wenn kein Testament vorhanden ist, geht selbst dann 1/4 an die Eltern oder Geschwister, sofern keine Kinder da sind. Das wissen viele nicht.
Was ändert sich mit der Inkraftsetzung des neuen Erbrechts per 1. Januar 2023?
J.A.: Erblasserinnen erhalten mehr Gestaltungsspielraum bei der Verteilung ihres Erbes, da die Pflichtteile verkleinert werden bzw. bei den Eltern ganz wegfallen. Jede Person kann, unabhängig von der eigenen Situation, mindestens über die Hälfte des Nachlasses frei verfügen. Es empfiehlt sich deshalb, bereits bestehende Testamente im Hinblick auf das neue Erbrecht zu überprüfen.
Wie sieht es mit der Absicherung aus der 1. Säule aus in Konkubinat, eingetragener Partnerschaft und Ehe?
J.A.: Die überlebenden Konkubinatspartner haben keine Ansprüche aus der AHV/IV im Todesfall. Bei einer eingetragenen Partnerschaft gilt immer die Regelung für Witwer, selbst wenn es Frauen sind. Die Witwer-Rente erhalten sie nur solange, wie Kinder bis maximal 18 Jahre vorhanden sind. Bei einer Ehe erhält die Frau, bei der die Partnerin oder der Partner stirbt, eine lebenslange Witwen-Rente, sofern Kinder vorhanden sind oder sie selbst mindestens 45 Jahre alt ist und mindestens 5 Jahre verheiratet war.
Wie sieht die Absicherung bei der Pensionskasse und der 3. Säule aus?
J.A.: Im Konkubinat gibt es bei der 2. Säule keine gesetzlich vorgesehene Leistung. Die Pensionskasse kann aber im überobligatorischen Bereich eine Leistung für die überlebende Konkubinatspartnerin unter bestimmten Bedingungen vorsehen. In der Ehe und in der eingetragenen Partnerschaft entnimmt man die Leistungen bei Invalidität und Todesfall dem Pensionskassen-Ausweis. Ob Gütertrennung oder Errungenschaftsbeteiligung spielt dabei keine Rolle. In der 3. Säule ist es möglich, die Konkubinatspartnerin zu begünstigen, man muss es aber aktiv tun.
Würden Sie empfehlen, zu heiraten?
J.A.: Das Wichtigste ist, Transparenz in die eigene Vorsorgesituation zu bringen, zum Beispiel mit einer Beratung durch Fachpersonen. Welche Form des Zusammenlebens besser passt, ist für jedes Paar individuell.