Gemeinsam die Zukunft gestalten
Wenn ein Unternehmen die Pensionskasse wechselt, haben die Arbeitnehmenden ein gesetzliches Mitbestimmungsrecht. Die KV Business School Zürich hat ihre Mitarbeitenden von Anfang an ins Boot geholt und dafür hohe Zustimmungswerte erhalten.
Text: Patrick Steinemann / Fotos: Simon Habegger | aus dem Magazin «Meine Vorsorge» 1/2022
Wer die Stelle wechselt und sich auf die Zahlen fokussiert, denkt an vieles: den Lohn, den möglichen Bonus, allfällige Benefits und Vergünstigungen. Nur ein Thema geht gerne vergessen: die berufliche Vorsorge. Die Pensionskasse des Unternehmens wird höchstens gedanklich gestreift, wenn man die Abzüge auf dem Lohnausweis sieht oder Ende Jahr den Versicherungsausweis der Vorsorgeeinrichtung erhält. Im besten Fall legt man die Dokumente ab und behält nur eine Zahl in Erinnerung: das meist noch weit entfernte Jahr der ersten Rente.
«Das ist eine ziemlich kurzfristige Perspektive und aus fachlicher Sicht eindeutig falsch», sagt Karin Nestler, Personalverantwortliche bei der KV Business School Zürich AG. «Das Geld bei der beruflichen Vorsorge ist das grösste verfügbare Guthaben, das Arbeitnehmende in ihrer Laufbahn anhäufen können. Deshalb sollte sich jede und jeder frühzeitig mit diesem Thema beschäftigen.» Als bei ihrem Unternehmen ein Wechsel der Pensionskasse anstand, war es für Karin Nestler deshalb klar, dass die Mitarbeitenden von Anfang an involviert werden mussten.
Vertrauen schaffen
Auch Daniel A. Camenzind, CFO des Weiterbildungsinstituts, weiss: «Der Wechsel einer Pensionskasse ist für die Arbeitnehmenden wie für das Unternehmen ein Schritt von grosser Tragweite. Nur wenn die Mitarbeitenden in den Prozess einbezogen werden, wird das Vertrauen geschaffen, das es für einen solchen Entscheid braucht.» Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch einen Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 2020: Daraus geht deutlich hervor, dass das Gros der Arbeitnehmenden – und nicht nur einzelne Vertreterinnen und Vertreter in der Personalkommission – laufend und aktiv in den Entscheidungsprozess involviert werden und einem Pensionskassenwechsel mehrheitlich zustimmen müssen, sonst ist die Vertragskündigung durch den Arbeitgeber ungültig.
Doch wie lassen sich die Arbeitnehmenden für die Mitwirkung an einem Thema begeistern, das die meisten nur gering interessiert? «Das war tatsächlich ein Knackpunkt», sagt Karin Nestler, die sich bei diesem Projekt vor allem als Vertreterin der Mitarbeitenden sah. Die Lösung, die sie mit Geschäftsleitungsmitglied Daniel A. Camenzind fand, scheint dann aber auf den ersten Blick recht einfach: Es wurde eine achtköpfige Arbeitsgruppe gegründet, die ein möglichst grosses Spektrum der 85 versicherten Mitarbeitenden des Unternehmens abdeckte. Jüngere und ältere Mitarbeitende, Teamleiter und Angestellte ohne Führungsfunktion, Dozierende, HR-Vertreterinnen und GL-Mitglieder konnten so ihre unterschiedlichen Bedürfnisse und Anliegen einbringen.
Relevanz des Themas aufzeigen
Gefordert von der komplexen Materie waren aber nicht nur die «Laien», sondern auch Nestler und Camenzind selbst: «Zwar hatten wir zu Beginn gewisse Vorstellungen und Eckpunkte im Kopf», sagt der CFO. «So richtig konkret wurde es aber erst, als wir einen Plan und genaue Zahlen auf dem Tisch hatten.» Diese Zutaten steuerte Tobias Landolt als Kundenberater Berufliche Vorsorge bei der Zürcher Kantonalbank bei. Für die KV Business School Zürich war er einerseits fachlicher Berater, andererseits unabhängiger Versicherungsbroker, der verschiedene Vorsorgeanbieter evaluierte und der Kundin präsentierte. Bei diesen Informationsanlässen für die Arbeitsgruppe und die übrigen Mitarbeitenden stand auch für Landolt ein Punkt im Vordergrund: «Den Arbeitnehmern und Versicherten die Relevanz des Themas aufzuzeigen.»
Eine zweite Herausforderung für die Projektleitenden war es, das Thema für die Belegschaft möglichst plastisch und konkret darzustellen. «Bewährt hat sich hier das Arbeiten mit fassbaren Zahlen, aber auch die Übersetzung des Themas in umschreibende Bilder», sagt Daniel A. Camenzind. Karin Nestler ergänzt: «Geholfen haben uns im Entscheidungsfindungsprozess auch die Berechnungen und Kalkulationen der Zürcher Kantonalbank, mit denen wir die Auswirkungen beim Ändern gewisser Parameter für jeden Mitarbeitenden simulieren konnten.»
Solide Grundlage für einen Entscheid
Die Strategie einer möglichst hohen Transparenz und offenen Kommunikation wurde auch bei der Präsentation der zur Auswahl stehenden Vorsorgeinstitutionen beibehalten: «Sowohl die bisherige als auch die potenziell neue Pensionskasse konnten sich den Mitarbeitenden präsentieren», sagt Berater Tobias Landolt. Dabei wurden zentrale Punkte besprochen: Wie flexibel sind die Vorsorgepläne? Wie gut ist der Deckungsgrad der Pensionskasse? Wie hoch sind die Umwandlungssätze? Oder wie attraktiv sind die Einkaufsmöglichkeiten? Bis zur abschliessenden Entscheidung hatten dann alle Mitarbeitenden eine solide Grundlage für ihr persönliches Votum.
Doch genügt das, damit sich alle Mitarbeitenden der KV Business School Zürich am Ende für einen Verbleib bei der bisherigen oder einen Wechsel zu einer neuen Pensionskasse aussprechen können? Diese Frage konnte weder Karin Nestler noch Daniel A. Camenzind vorher sicher beantworten, auch wenn sie davon überzeugt waren, das Möglichste getan zu haben. Vor der unternehmensinternen Abstimmung stieg beim Projektteam entsprechend der Puls – auch bedingt durch den Schlussspurt, als nach eher wenigen Rückmeldungen zu Beginn des Prozesses plötzlich doch noch viele individuelle Fragen auftauchten. Camenzind und Nestler meisterten aber auch diese letzten Meter – und wurden schliesslich belohnt: Die Belegschaft sprach sich in einer Abstimmung mit klarer Mehrheit für einen Wechsel zur vorgeschlagenen neuen Pensionskasse aus.
Neue Praxis hat sich bewährt
Einfühlungsvermögen für die Anliegen der Arbeitnehmenden zeigen, Unsicherheiten ausräumen, möglichst alle Informationen auf den Tisch legen: Karin Nestler und Daniel A. Camenzind würden die gewählte Strategie wieder genauso aufgleisen. Ihr Fazit: «Früh genug beginnen, sich von Fachleuten beraten lassen und das gewonnene Vertrauen an die Belegschaft weitergeben.» Zufrieden ist aber auch Experte Tobias Landolt: «Die neue Praxis einer umfassenden Mitwirkung der Arbeitnehmenden hat sich am Beispiel der KV Business School Zürich bewährt und ist für uns die Grundlage für weitere Kundenberatungen.» Und die Mitarbeitenden selbst? Sie kennen jetzt ein Thema, dem sie sich beim nächsten Versand der Pensionskassen-Versicherungsausweise sicher etwas bewusster widmen werden – auch wenn das Rentenalter immer noch in weiter Ferne liegt.