«Den Mehrwert von Vielfalt verstehen und wert­schätzen»

Der Juni hat sich weltweit als Pride-Monat etabliert – und lokal ist es das Zurich Pride Festival. Was können Unternehmen für die Gleichstellung queerer Menschen tun? Urs Beglinger, im Vorstand von Queers & Peers, dem LGBTI-Netzwerk der Zürcher Kantonalbank, sagt es.

Interview: Tanja Müller

Urs Beglinger, Vorstandmitglied von Queers & Peers, dem LGBTI-Netzwerk der ZKB
«Es ist zentral, dass Vielfalt im Unternehmen erwünscht ist und Inklusion spürbar gelebt wird»: Urs Beglinger (Bild: Simon Baumann)

Der Pride-Monat soll das Bewusstsein für Diskriminierung schärfen und mit zur Gleichstellung beitragen. Die Pride geht auf den 28. Juni 1969 zurück, als sich die Menschen in einer New Yorker Bar mit vornehmlich LGBTI-Publikum infolge einer Razzia der Polizei wehrten. Die Abkürzung LGBTI stammt aus dem Englischen und steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und intergeschlechtlich. Solcherlei Razzien hatte es in der 60ern immer wieder gegeben, doch nun sollte sich der aktive Widerstand formen. Jahrzehnte später hat sich sehr viel getan – und heute haben auch immer mehr Unternehmen die Wichtigkeit des Themenspektrums im Arbeitsalltag anerkannt. Die Erkenntnis lautet: Vielfalt macht Unternehmen stärker.

Urs Beglinger, Vorstandsmitglied des buntesten Netzwerks der Zürcher Kantonalbank, Queers & Peers, erklärt, warum die Pride-Bewegung auch heute noch für die LGBTI-Community wichtig ist und welche Verantwortung Unternehmen hierbei tragen.

Viele Unternehmen hissen im Juni die Regenbogenflagge – Sichtbarkeit ist wichtig, doch genügt das?

Sichtbarkeit ist von enormer Bedeutung. Wenn sich die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber nach innen und aussen solidarisch zeigen, hat das eine grosse Aussagekraft. Firmen setzen damit ein starkes Zeichen und zeigen ihre Unterstützung für die LGBTI-Community. Gleichzeitig besteht die Erwartung, dass die Arbeitgeberin ihren Worten auch Taten folgen lässt. Es ist zentral, dass Vielfalt im Unternehmen erwünscht ist und Inklusion spürbar gelebt wird. Um auf die Frage zurückzukommen: Sichtbarkeit allein genügt nicht. Es braucht ein klares Commitment, das vom Management mitgetragen und durch wahrnehmbare Massnahmen und Aktionen unterstrichen wird.

Diversität und Inklusion leben – was meint das aus Ihrer Sicht genau?

Es ist die Haltung des gesamten Unternehmens, also des Managements und der Mitarbeitenden gegenüber dieser Thematik. Genau das zeichnet ein vorbildliches Unternehmen aus, wenn solche Themen authentisch und inklusiv geregelt werden. Beispielsweise hat es unser Netzwerk sehr geschätzt, dass unser CEO, Urs Baumann, und unsere neue HR-Leiterin, Monika Waber, Teil unserer letzten Generalversammlung waren und ein offenes Ohr für unsere Anliegen haben. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, diese Themen zu berücksichtigen. Zudem ist es für unsere Community wichtig, dass es Sichtbarkeit auf der Führungsebene gibt. Besonders für jüngere Menschen ist es wertvoll, Vorbilder zu haben, die sie ermutigen, offen zu sich selbst zu stehen.

Am vergangenen Wochenende fand zum 30. Mal die Zurich Pride unter dem Motto «Frei in jeder Beziehung» statt. Was bedeutet dieses Motto für Sie?

Erst einmal ist dieses Motto für mich hochaktuell; für mich bedeutet es, dass jeder Mensch sich selbst sein und sich frei und sicher fühlen kann. Leider ist dies nicht überall der Fall. Auch mein Mann und ich sind in jüngster Zeit etwas vorsichtiger geworden, wenn wir in der Öffentlichkeit unterwegs sind. Dabei geht es genau darum, dass wir Akzeptanz für unsere Lebensform fordern und diese Akzeptanz auch anderen Lebensformen entgegenbringen. In Bezug auf die Arbeitswelt bedeutet dieses Motto für mich ebenfalls, frei zu sein und im Arbeitsalltag mein wahres, authentisches Ich sein zu können.

Zur Person

Urs Beglinger, 38, ist verheiratet und lebt mit seinem Mann in Zürich. Er ist Teil des sechsköpfigen Queers & Peers-Vorstandes und begleitet seit rund zehn Jahren leidenschaftlich LGBTI-Themen aus Vertriebssicht. Urs Beglinger ist seit 2009 bei der Zürcher Kantonalbank; er war rund 13 Jahre im Marktgebiet Zürichsee tätig und ist seit knapp zwei Jahren im Markt-Management Private Banking International & eVV.

Wie hat das bunteste Netzwerk der ZKB «Queers & Peers» die diesjährige Pride gefeiert?

Unser «Queers & Peers»-Netzwerk hat auch dieses Jahr wieder mit Stolz die Zürcher Kantonalbank auf der Zurich Pride vertreten. Seit der Gründung des Netzwerks 2019 nehmen wir am Demonstrationsumzug teil, um zu zeigen, dass bei unserer Bank alle willkommen sind. Dieses Jahr wurden wir zum dritten Mal von der Stadtjugendmusik Dietikon musikalisch begleitet, die mit modern interpretierten Liedern den Umzug zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht hat.

Was bedeutet ein solcher Event für die LGBTI-Community?

Wir müssen uns bewusst sein, dass die Situation für die Queer-Community noch längst nicht überall so gut ist wie bei uns in der Schweiz. Sogar in westlicheren Ländern hat sich die rechtliche Situation in den letzten Jahren verschlechtert und in vielen weiteren Ländern ist es auch heute noch strafbar, homosexuell zu sein – in zehn Ländern droht sogar die Todesstrafe. Die Pride ist auch eine Würdigung der vielen mutigen Menschen, die diese Rechte über Jahre hinweg für uns erkämpft haben. Einen solch farbenfrohen Umzug in Zürich abhalten zu dürfen, ist ein Privileg und sendet ein Zeichen in die Welt, dass Diskriminierung nicht toleriert wird. Alle queeren Menschen haben etwas gemeinsam: Es gab einen Zeitpunkt im Leben, zu dem sich jede queere Person outen musste, als die Person, die sie wirklich ist. Diese Phase des Lebens kann sehr emotional sein und ist von Unsicherheiten und Ängsten geprägt – hier schafft die Pride ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Zudem trägt die Pride zur Sichtbarkeit bei und bietet jüngeren Menschen, die noch am Anfang ihres eigenen Wegs stehen, das Gefühl, nicht allein zu sein.

Was ist die Vision des «Queers & Peers»-Netzwerks?

Unsere langfristige Vision ist es, dass unser Verein irgendwann überflüssig wird, weil die Anliegen, die wir vertreten, wie selbstverständlich von allen gelebt werden, sodass jeder Mensch sich selbst sein kann. Aktuell setzen wir uns dafür ein, dass Diversität weiter gefördert wird und insbesondere Inklusion vorangetrieben wird, im Sinne von «jeder Mensch ist anders, aber wir alle sind Teil des grossen Ganzen». Unser Ziel ist es, dass unsere Belegschaft den Mehrwert von Vielfalt versteht und wertschätzt. Unsere Arbeit besteht darin, ein Netzwerk für den Austausch innerhalb der Community und der Peers zu bieten, was wir durch regelmässige Veranstaltungen erreichen. Diese Veranstaltungen sind sehr beliebt und gut besucht. Teilweise nutzen wir sie auch für Impulsreferate, die spannende Themen für Queers und Peers abdecken. Zudem stehen wir in engem Kontakt mit Ann-Kathrin Greutmann von der Fachstelle Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Wir schätzen es sehr, unsere Inputs geben zu können und den guten Austausch zu nutzen, um intern gemeinsam etwas zu bewegen.

Der Inklusionsgedanke stärkt jede einzelne Persönlichkeit eines Unternehmens, in dem alle Menschen wertgeschätzt und unterstützt werden. Wichtig ist, dass wir verstehen und lernen, wie wir uns auf den Weg machen können zu mehr Inklusion. Deshalb freue ich mich über die Aufklärungsarbeit unseres Netzwerks Queers & Peers und dessen ungebrochenes Engagement.

Ann-Kathrin Greutmann, Fachverantwortliche Diversität, Gleichstellung und Inklusion bei der Zürcher Kantonalbank

«Blau ist bunt» steht für Ihre Arbeitgeberin, die Zürcher Kantonalbank, welche sich für die Vielfalt stark macht. Wie schafft die ZKB eine LGBTI-freundliche Atmosphäre und engagiert sich für die LGBTI-Community?

Diversität und Inklusion sind schon lange wichtige Themen bei der Zürcher Kantonalbank und seit 2023 zusätzlich in unserem Leistungsauftrag verankert, was sie zum festen Bestandteil unseres Fundaments macht. Die ZKB ist die Bank für alle Zürcherinnen und Zürcher, daher sind auch unsere Sponsoring-Engagements sehr vielfältig. Als Bekenntnis zur Förderung der Vielfalt unterstützt die ZKB bedeutende LGBTI-Plattformen. Konkret gehören dazu das Sponsoring der Zurich Pride sowie des Pink Apple Film Festivals. Diese beiden Engagements sind Meilensteine der vergangenen Jahre, auf die ich stolz bin. Es ist wichtig zu erwähnen, dass ein solches Sponsoring nicht für jedes Unternehmen machbar ist. Die Organisatoren dieser Kulturfestivals sind häufig sehr selektiv in ihrer Auswahl an Sponsoren und legen grossen Wert darauf, dass eine Marke gut zu ihren Werten passt. Solche Engagements werden auch von unseren Kundinnen und Kunden sehr geschätzt. Der nächste grössere Meilenstein, der ansteht, ist das Relabeling des LGBTI-Labels im nächsten Jahr.

Seit 2019 ist die ZKB stolze Inhaberin des LGBTI-Labels – für was steht es und warum ist es für die Community ein wichtiges Zeichen?

Das Label steht dafür, dass ein Unternehmen nachweislich eine LGBTI-freundliche Kultur hat und dass dies durch eine unabhängige Stelle geprüft und bestätigt wird. Als moderne, aufgeschlossene Arbeitgeberin haben wir dieses Label im Jahr 2019 erlangt, was ein starkes Zeichen für die Inklusion und Wertschätzung aller Mitarbeitenden setzt. Die Erlangung dieses Labels ist keine leichte Aufgabe, da von Arbeitgebern erwartet wird, dass sie sich kontinuierlich im Bereich der LGBTI-Inklusion weiterentwickeln. Dieses Label hat definitiv eine grosse Bedeutung für die Queer-Community.

Queers & Peers

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Queers & Peers, das bunteste Netzwerk der Zürcher Kantonalbank – das LGBTI-Netzwerk – setzt sich für Vielfalt ein. «Queers» steht für alle, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht der gesellschaftlichen Norm von Geschlecht und Sexualität entspricht. «Peers» sind Gleichgesinnte mit übereinstimmenden Wertvorstellungen und gleicher Denkrichtung.

Wo sehen Sie aktuell den grössten Handlungsbedarf in Bezug auf die Inklusion der LGBTI-Community?

Häufig gibt es Kritik an der queeren Community, dass wir eine bevorzugte Behandlung suchen würden. Für mich jedoch geht es grundlegend darum, dass wir alle, ob queer oder nicht, mit Würde behandelt werden. Denn als queere Person hat man sich nicht selbst für diesen Weg entschieden, und auch ich habe mir in meinen jüngeren Jahren oft gewünscht, «normal» zu sein, sprich heterosexuell. Deshalb ist es mir wichtig, dass meine Kolleginnen und Kollegen verstehen, dass es Personen auf dem queeren Spektrum gibt, dass sie sie als Teil der Gesellschaft wahrnehmen und ihre Existenz anerkennen sowie inklusiv behandeln.

Wie kann man als Peer die Community unterstützen?

Es ist klar, dass wir ohne Peers nichts erreichen können. Wir geniessen grossen Support von verschiedenen Schlüsselpersonen innerhalb der Bank, was für uns enorm wichtig ist, um Fortschritte zu erzielen. Erfreulich ist, dass innerhalb unseres Netzwerks jede dritte Person ein Peer ist und dass diese uns unterstützen. Häufig hat es eine grössere Wirkung, wenn Peers beziehungsweise heterosexuelle Personen unsere Botschaften mittragen und nach aussen tragen.

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