«Ich bin nie im Regen gestanden»

Ich bin Livia Caluori von der Zürcher Kantonalbank. Ich habe vier Wochen lang in einer mir fremden Abteilung geführt – die Bank nennt das Projekt Driver Seat. Das ist meine Bilanz.

Text: Livia Caluori / Bild: Flavio Pinton

«Ich kann den Driver Seat allen nur empfehlen», sagt Livia Caluori.

Wie es zustande gekommen ist

Mit Blick auf meinen Entwicklungsplan hat es mich immer gereizt, auch einmal einen Blick in das Wirken anderer Teams zu werfen. Es war dann ein prima Timing, dass es das Programm auch für die Abteilung International Private Banking geben würde. Mir war sofort klar: Das will ich jetzt machen. So habe ich mich bei Reto Jäger, zu jenem Zeitpunkt Leiter International Markt Management, gemeldet.

Der Driver Seat – kurz erklärt

Die Zürcher Kantonalbank ist sich ihrer Verantwortung als Arbeitgeberin bewusst. Sie sieht in der stärkeren Durchmischung der Geschlechter in Führungspositionen einen Erfolgsfaktor für die Zukunft. Mit der Massnahme Driver Seat, die im 2022 in der ganzen Bank umgesetzt wird, entsteht eine neue Möglichkeit für Frauen, einen Monat lang Führungsluft zu schnuppern. Der Driver Seat richtet sich insbesondere an Frauen, die in den nächsten 2 bis 3 Jahren eine (nächsthöhere) Führungsfunktion übernehmen und den entsprechenden Führungsalltag erleben möchten. Ziele sind, den Frauen einen Einblick in die Führungswelt zu geben, sie zu ermutigen, einen Schritt weiter zu gehen und sich sichtbarer zu machen. 109 Frauen profitieren von dieser Massnahme. Die Weiterführung der Massnahme in der Zürcher Kantonalbank wird derzeit diskutiert.

Warum ich es unbedingt wollte

Ich bin seit je neugierig, schaue gern über die Tellerränder unserer Welt. Gleiches gilt für mein Tun in der Bank. Einerseits ist meine Zeit im Driver Seat so etwas wie ein Programmteil meines persönlichen Wunschkonzerts gewesen, andererseits habe ich natürlich mit meiner Vorgesetzten Renate Meier haargenau geschaut, warum es wirklich Sinn macht. Unserer beider Überlegungen fiel eindeutig aus: Die Bank noch mehr kennenlernen, Networking – und erst recht ist Führung ein Thema, das mich schon eine Zeit lang beschäftigt. Bin ich geeignet für Führung, wenn ja, für welche Art von Führung? Insofern: Es war eine Kombination aus alledem, warum ich es, ja, unbedingt wollte.

Was ich mit eingebracht habe

Unabhängig vom Driver Seat ist das Thema Führung Teil meines Entwicklungsplans. Ich darf erwähnen: Ich bin Stellvertreterin von Renate. Mein Ziel ist immer, die von mir betreuten Geschäftseinheiten und überhaupt alle gut dastehen zu lassen. Ich habe insofern punkto Driver Seat eine Aussenperspektive eingebracht, meine Erfahrung, Meinung einzubringen. Es war sicher auch für die neue Abteilung spannend, ab und an zu hören, wie meine Stammabteilung dieses und jenes behandelt hätte, wie es dort läuft. Also: Mein Kommunikationshintergrund ist hinsichtlich eines förderlichen Austauschs ganz sicher von Nutzen gewesen.

Was ich mitnehmen konnte

Vor allem: Die Bestätigung, dass ich führen kann. Zu sehen, wie andere Führung umsetzen. Was für Impulse das sind! Denn: Je mehr Eindrücke und Beobachtungen ich darüber sammle, desto vielschichtiger sind meine eigenen Überlegungen punkto der Frage: Warum wird dieses und jenes so und so entschieden. Ich habe mich auch noch einmal besser kennengelernt, mir ist noch einmal bewusster geworden, wie ich in bestimmten Situationen reagiere. Es ist immer förderlich, sich in neue fachliche Themen hineindenken zu müssen und seine beruflichen Erfahrungen noch einmal fühlbar zu ergänzen. Und natürlich habe ich mir meine Frage beantworten können, wie international wir als Kantonalbank unterwegs sein können.

Wie die Bank am besten kennenzulernen ist

Alles ausprobieren, was sich an Gelegenheiten bietet, alles wahrnehmen, was einem angeboten wird: Stages, Fortbildungen. Auch Leute konkret ansprechen, doch mal einen gemeinsamen Kaffee zu nehmen, sich zum Lunch verabreden, sich bei Apéros blicken lassen; überhaupt auf die Leute zugehen. Mein Motto in den vier Wochen war: nicht Nein sagen, also, ab und zu schon, aber gesamthaft doch offen zu bleiben. Ich habe jede sich bietende Möglichkeit für einen Auftritt genutzt und am Ende auch einen halbtägigen Stage geleitet.

Auftakt – ich bin da

Nicht unerwähnt lassen möchte ich vorab, dass vor meinem Start schon viele Informationen bekommen habe, von Reto Jäger, von anderen – insofern war für mich nicht alles Neuland. Mein Auftakt war: sehr wohlwollend, sehr freundlich. Ich habe Blumen auf dem Tisch gehabt. Und am ersten Tag bin ich ins Panorama-Restaurant eingeladen worden. Besser hätte es nicht sein können. Ich muss lächeln, wenn ich daran zurückdenke. Viele Begegnungen hatte ich, viele Hände geschüttelt habe ich. Mit Fachlichem wurde ich am ersten Tag natürlich auch konfrontiert. Aber sanft. Wir hatten dann immer verschiedene Schwerpunktthemen pro Woche, manche gingen über die Woche hinaus. Um einige besondere zu nennen: Strategie, Bereichsambition, Bank für Auslandsschweizer, Verfertigen eines Einführungsplans für jene, die neu in die Abteilung stossen, sicher, Ukraine auch.

Driver-Seat-Geber Reto Jäger sagt

Livia hatte zum damaligen Zeitpunkt bereits verschiedene Facetten von Führung erlebt. Als ehemaliger Captain einer Volleyballmannschaft auf höchster Niveaustufe war sie sich gewohnt, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. In ihrer heutigen Funktion als Kommunikationsexpertin müssen verschiedene Informationen vernetzt werden und es braucht einen ganzheitlichen Blick. Aus dem Förderprogramm hatte sie ebenfalls bereits einschlägige Erfahrung in wirkungsvoller Kommunikation. Somit hat sie ideale Voraussetzungen für den Driver Seat mitgebracht.

Führungskraft – coole Sache und hartes Los

Was es mir vielleicht etwas einfacher gemacht hat: Es ist personell ein kleines Team gewesen. Andererseits hatten wir mit ganz vielen anderen kleinen Unterteams zu tun. Was wirklich cool war: Ich wurde von Beginn an total respektiert – das weiss man ja vorher nicht, ob es so sein wird –, ich komme schliesslich aus einer ganz anderen Abteilung. Ich bin nie im Regen gestanden, immer sehr gut unterstützt worden, habe alle fragen dürfen; hartes Los vielleicht deshalb, weil ich noch einmal gemerkt habe, wie kostbar Zeit ist. Erst recht in einer Führungsposition will ich immer ein offenes Ohr haben, das ist zeitlich mitunter wirklich schwierig, hier noch ein Meeting, dort noch, dieses Gespräch, jenes Gespräch. Führung heisst immer auch, es ist immer viel los!

Die besondere Begebenheit

Untereinander haben wir im Tagtäglichen natürlich Schwiizerdütsch gesprochen. Doch es war schön, wieder einmal regelmässig andere Sprachen zu hören und mit den Kundinnen und Kunden entsprechend zu kommunizieren. Und: Der Stage am Schluss von WA – ich habe ihn organisiert und selbst auch präsentiert mit zwei anderen, aber ich habe als Driver-Seat-Nehmerin eben schon eine exponierte Rolle gehabt. Das war speziell. Spannend war auch die Strategieanpassung, die während meiner Zeit passiert ist.

Augenblick des Innehaltens

Ich merkte, wie sich in der Führung Selbstverständlichkeiten ergaben, mehr Selbstsicherheit bedeutet, sich nicht mehr so oft infrage zu stellen; sich und etwas einfach auszuprobieren, es einfach tun, sich dem zu vergewissern – das ist sehr hilfreich. Insgesamt bin ich wenig zum Innehalten gekommen. Viele Meetings bedeutete, durchgebucht zu sein. Bei der Zugfahrt am Abend, da konnte ich am ehesten innehalten.

Warum ich den Driver Seat empfehle

Dass wir die Möglichkeit kriegen, in einen völlig unbekannten Bereich einzutauchen, ist wunderbar. Wie sich dadurch das persönliche Netzwerk erweitert! Es ist im Grunde ein letzter Check, bevor ich entscheide, zu führen. Ich kann den Driver Seat allen nur empfehlen.

Zukunftsmusik

Ich kann klar mit Ja beantworten, dass ich führen will. Ich fühle mich jetzt wohler mit dieser Sicherheit, mich entschieden zu haben. Ich werde das nicht mehr hinterfragen.