Das goldene Edelmetall erlebt derzeit einen Höhenflug. Seit Jahresbeginn hat sich der Goldpreis in US-Dollar um rund 12 Prozent verteuert (Stand Mitte Juni 2024) und zwischenzeitlich in sämtlichen Währungen Rekordwerte erreicht. Diese Entwicklung ist keineswegs typisch, denn das Marktumfeld war in den vergangenen Monaten geprägt von steigenden Realzinsen – üblicherweise erwarten wir in dieser Situation einen sinkenden Goldpreis. Tatsächlich spielt das Edelmetall in Europa und in Nordamerika derzeit eine Aussenseiterrolle, in den Schwellenländern steht es allerdings hoch im Kurs.
Hohe Nachfrage trotz Opportunitätskosten
In der Regel zählen die Zinsen zu den wichtigsten Treibern des Goldpreises – genauer sind es die Zinsen bereinigt um die Inflationsrate, also die Realzinsen, die den Kaufpreis des Edelmetalls beeinflussen. Die Korrelation zwischen diesen beiden Grössen ist normalerweise negativ: Je höher die Realzinsen sind, desto günstiger ist Gold. Grund dafür sind die Opportunitätskosten, denn da das Edelmetall keinen Zins abwirft, entgehen Anlegerinnen und Anlegern bei steigenden Realzinsen die Zinseinnahmen, die sie beispielsweise mit einer Investition in Anleihen erzielen können. Die Goldnachfrage sinkt daher mit steigenden Realzinsen und der Edelmetallpreis fällt, so die Annahme. «Die Entwicklung des Goldpreises bildete den Zinszyklus lange gut ab, insbesondere in der 15-jährigen Phase zwischen 2007 und 2022», erklärt Elias Hafner, Anlagestratege FX & Alternative Investments bei der Zürcher Kantonalbank.
Doch seit 2022 scheint dieses Muster nicht mehr zu gelten, denn obwohl die Realzinsen im Dollarraum deutlich angezogen haben, ist auch der Goldpreis in US-Dollar gestiegen. Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Erklärungen. Auffällig ist jedoch, dass Gold insbesondere in den aufstrebenden Ländern beliebt ist. «Generell lässt sich eine Verschiebung der Nachfrage in Richtung der Schwellenländer feststellen, wobei sowohl Zentralbanken wie auch Privatanleger Gold kaufen», sagt Hafner.