Sie haben vor zwei Jahren die Leitung des Immobilien Researchs der Zürcher Kantonalbank übernommen. Was ist heute anders als damals?
Die Marktsituation hat sich verändert. Früher lag der Risikofokus auf dem Eigenheimmarkt, heute mehr auf dem Markt der Mehrfamilienhäuser.
Hat sich dadurch Ihr Arbeitsalltag verändert?
Die damit zusammenhängenden Themen haben mehr Priorität erhalten. So haben Themen wie die Leerstandproblematik und die adäquate Messung dieses Risikos an Bedeutung gewonnen. Während wir in unseren Publikationen den gesamten Schweizer Immobilienmarkt betrachten, lassen wir die daraus gewonnenen Erkenntnisse in eine Portfoliobetrachtung fliessen, um das Exposure der Zürcher-Kantonalbank-Finanzierungen gegenüber diesem Risiko besser beurteilen zu können.
Sie und Ihr Team beherbergen einen begehrten Schatz - die Immobiliendaten der Bank. Was stellen Sie damit an?
Sehr viele dieser Daten nutzen wir. Als einzige Bank betreiben wir ein eigenes hedonisches Modell (Anmerkung der Unternehmenskommunikation: Eine hedonische Bewertung ist eine statistisch fundierte Vergleichswertmethode). Für modellbasierte Schätzungen brauchen wir für sämtliche Adressen die Informationen aller preisrelevanten Eigenschaften. Deshalb erheben und berechnen wir stets die aktuellen Daten wie zum Beispiel Lärm, Sonne, Sicht, Steuern und vieles mehr. Dadurch arbeiten wir täglich mit unseren eigenen Daten. Diese Informationen können wir weit über die Verwendung in den hedonischen Modellen verwenden. Es handelt sich bei unseren Immobiliendaten tatsächlich um einen Schatz, den wir über die einzelnen Geschäftseinheiten hinweg nutzen können. Das wird im Vertrieb und Beratungsprozess sichtbar, wenn wir die Daten visuell so aufarbeiten, dass sie räumlich vorstellbar werden.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Gehen wir zum eingangs erwähnten Leerstandsrisiko zurück: Wir haben zum Beispiel für jede Gemeinde berechnet, wie lange es dauern wird, bis die leerstehenden Mietwohnungen vom Markt absorbiert werden können. In einem Excel-Sheet hätte man keine Chance ein räumliches Muster zu erkennen und sähe vor lauter Bäumen keinen Wald. Mit Hilfe unserer GIS-Kompetenz können wir die Berechnungen in eine Kartenanwendung fliessen lassen. So sehen wir rasch, wo der Schuh drückt - namentlich in den touristischen Regionen im Tessin, Wallis und Graubünden sowie im Oberaargau und Kanton Solothurn. Mit einfachen Klicks findet jeder seine Gemeinde und erhält die wichtigsten Informationen zum Thema Leerstand.
Die grössten Rezessionen gehen häufig von Immobilienkrisen aus. Wie sieht die Lage aktuell auf dem Schweizer Immobilienmarkt aus?
Die Coronakrise hat die ganze Wirtschaft durchgeschüttelt. Anfangs sorgte die unsichere Situation der kommerziellen Immobilien für grosse Bedenken. Dort liegen auch sicher die grössten Risiken, da die Entwicklung stark vom wirtschaftlichen Verlauf abhängt. Hinzu kommt, dass Büroflächen auch wegen des zunehmenden Homeoffice-Bedarfs weniger stark wachsen werden. Im Eigenheimbereich läuft es aber weiter wie bis anhin. Kurzzeitig gingen die Verkaufsinserate zwar etwas zurück, weil die Verkäufer etwas zurückhaltender geworden sind. Wenn man jedoch schaut, wie häufig diese Inserate angeklickt wurden, so konnten wir eine rege Nachfrage beobachten.