Sicherer Aussenhandel in unsicheren Zeiten
Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie geopolitische Spannungen in vielen Teilen der Welt – in unsicheren Zeiten ist der Umgang mit Risiken für exportorientierte Schweizer KMUs zentral.
Text: Adrian Vonlanthen / Bilder: Zürcher Kantonalbank
Die Schweiz, bekannt für ihre stabile Wirtschaft und hohe Lebensqualität, ist ein bedeutender Akteur im internationalen Handel. Ihre geografische Lage im Herzen Europas und ihre gut entwickelte Infrastruktur machen sie zu einer attraktiven Handelspartnerin. Trotz der starken Position der Schweiz im internationalen Handel gibt es verschiedene Risiken, die von den Unternehmen im Aussenhandelsgeschäft zu berücksichtigen sind. Claude Lauper, Leiter Trade und Export Finance bei der Zürcher Kantonalbank, zeigt auf, wo aktuell die grössten Risiken für KMUs liegen und was jene dagegen tun können.
Abgesehen von geopolitischen Krisenherden sind Exporteure wie auch Importeure per se Risiken ausgesetzt. Welchen?
Im Vergleich zum rein inländischen Handel erhöht sich die Komplexität im internationalen Handel nochmals deutlich. Zudem hat jedes Unternehmen seine eigenen Besonderheiten, sei es in Bezug auf die Produkte, die Zielmärkte oder die spezifischen Risiken, die es bewirtschaften muss. Eines der Hauptrisiken ist aber sicherlich das Zahlungsrisiko. Entscheidend sind hier die Zahlungskonditionen, die der Exporteur mit dem Käufer aushandeln kann. Im besten Fall erhält der Verkäufer eine komplette Vorauszahlung und im ungünstigen Fall muss er zuerst produzieren und liefern, bevor der Käufer die Rechnung begleicht. Entscheidend ist hierbei die Verhandlungsmacht des Verkäufers basierend auf der Intensität des Wettbewerbs.
Die wichtigsten Handelspartner der Schweiz
Die Schweiz unterhält Handelsbeziehungen mit zahlreichen Ländern weltweit. Bei einem Exportvolumen von CHF 274,1 Mrd. im Jahr 2023 ist die Europäische Union (EU) mit einem Anteil von 55 Prozent der wichtigste Handelspartner für die Schweiz, wie die Zahlen des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit zeigen. Insbesondere Deutschland und Italien mit einem Exportvolumen im Jahr 2023 von CHF 42,6 Mrd. respektive CHF 21,1 Mrd. spielen eine zentrale Rolle. Diese Länder sind nicht nur geografisch nahe, sondern auch wirtschaftlich eng mit der Schweiz verflochten.
Mit knapp 21 Prozent respektive CHF 56,7 Mrd. folgen Asien und der Mittlere Osten. In den letzten Jahren hat China als Handelspartner an Bedeutung gewonnen. Die Schweiz exportiert eine Vielzahl von Produkten nach China, darunter Maschinen, Chemikalien und Uhren. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA, Nr. 1 der Top-Absatzländer der Schweiz im Jahr 2023, sind ebenfalls stark, insbesondere im Bereich der Pharmazeutika und Finanzdienstleistungen. Die Region Nordamerika stellt mit 19 Prozent die drittgrösste Handelsregion für die Schweiz dar.
Das ist aber kein neues Phänomen.
Das natürliche Misstrauen zwischen zwei Geschäftspartnern, insbesondere über grosse geografische Distanzen hinweg, existiert schon seit je. Eine Absicherung dieser Risiken beschäftigt die Unternehmen mindestens genauso lange. Im Verlauf der Zeit wurden verschiedene Absicherungsinstrumente entwickelt. Die Banken spielen hier als unabhängige Partnerinnen der beiden Geschäftsparteien eine besonders wichtige und vertrauensbildende Rolle. Mithilfe ihrer Aussenhandelsprodukte (z.B. Garantien, Akkreditive oder Inkassi) bieten sie standardisierte Lösungen sowohl für den Verkäufer wie auch für den Käufer an. Dazu ist es unabdingbar, dass Banken international untereinander vernetzt und bereit sind, die Zahlungs- oder Leistungsrisiken ihrer Kunden zu übernehmen. Je nach Ausgestaltung des Produkts eignen sich diese auch als Finanzierungsinstrumente. Mit einer Exportfinanzierung mit der Deckung der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) wird beispielsweise der Schweizer Exporteur nach Lieferung bezahlt, währenddessen der ausländische Käufer eine mehrjährige Kreditfrist von der Bank des Exporteurs erhält.
Inwiefern beeinflussen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten das Aussenhandelsgeschäft?
In erster Linie führen Kriege zu unendlichem Leid für alle Betroffenen. Gleichzeitig kommt es zu wirtschaftlichen Unsicherheiten, welche sich auf verschiedene Arten manifestieren können. In den betroffenen Regionen wird weniger oder gar nicht mehr investiert, was direkten Einfluss auf die Aussenhandelsgeschäfte hat. Wirtschaftssanktionen gegen Länder und/oder Unternehmen beeinträchtigen zudem die Handelsbeziehungen mit den betroffenen Parteien und können sowohl zu Unterbrechungen von Lieferketten, einer Verlängerung der Transportwege und zu entsprechend höheren Transportkosten führen. Die Ukraine-Krise hat exemplarisch aufgezeigt, welchen Einfluss der Wegfall eines Marktteilnehmers auf die Rohstoffpreise hat und so die Teuerung über alle Wirtschaftszweige beeinflusst.
In Bangladesch kam es 2024 zu einer Regierungskrise und letztlich zu einem politischen Umsturz. Wie wirkte sich diese Krise auf die Kreditrisiken von Handelspartnern in der Schweiz aus?
Ein politischer Umsturz bedeutet immer grosse Unsicherheit insbesondere für die Menschen und die Unternehmen im Land. Unter anderem stellt sich die Frage, welche sozialen, regulatorischen oder fiskalischen Änderungen auf die Bevölkerung zukommen. Im Fall von Bangladesch spielen für die Risikobeurteilung weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Neben der politischen Unsicherheit im letzten Jahr leidet das Land unter einer starken Währungsabwertung und einer hohen Inflation. Erschwerend kam hinzu, dass die Devisenreserven der Zentralbank in den letzten Jahren stark gesunken waren. Knappe Devisenreserven können dazu führen, dass die lokalen Käufer zwar über genügend liquide Mittel in Lokalwährung zur Begleichung von ausländischen Rechnungen verfügen, die lokalen Banken die ausländischen Devisen aber wegen staatlicher Devisenrestriktionen nicht zur Verfügung stellen dürfen beziehungsweise können. Wir sprechen hier von einem «Transferrisiko», welchem die Schweizer Exporteure ausgesetzt sind.
Die Export-Schlager der Schweiz
Die Schweizer Wirtschaft ist stark diversifiziert. Dies spiegelt sich auch im Produktemix der Exporte wider. Laut Zahlen vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit sind in der Pharmaindustrie Unternehmen wie Novartis und Roche weltweit mit führend und tragen erheblich zu den Exporten bei. Chemische und pharmazeutische Produkte schlagen in der Exportstatistik mit einem Anteil von 49 Prozent oder CHF 135,5 Mrd. klar nach oben aus. Hochpräzise Maschinen und elektronische Geräte sind ebenfalls wichtige Exportgüter. Die Schweiz ist bekannt für hochwertige Maschinenbauprodukte, die in verschiedenen Industrien weltweit eingesetzt werden. Die Maschinen- und Elektronikindustrie exportierte 2023 Waren in einem Wert von knapp CHF 33 Mrd., was einem Exportanteil von zwölf Prozent entspricht. Die Schweizer Uhrenindustrie geniesst weltweit einen exzellenten Ruf. Marken wie Rolex, Patek Philippe und Swatch mit seinen Tochtergesellschaften wie etwa Omega sind Synonyme für Qualität und Präzision. Die Schweiz exportierte 2023 Uhren im Gesamtwert von CHF 26,7 Mrd. Sie sind ein bedeutender Exportartikel und tragen zur internationalen Bekanntheit unseres Landes bei.
Die Schweiz exportiert zirka einen Viertel ihrer Waren in sogenannte Schwellenländer. In diesen Ländern existiert häufig eine erhöhte oder sogar hohe Inflation. Was bedeutet dies für Schweizer Exporteure in Bezug auf mögliche Zahlungsausfallrisiken von Käufern in diesen Ländern?
In Schwellenländern kann die Inflation aus verschiedenen Gründen hoch sein, darunter wirtschaftliche Instabilität, politische Unsicherheiten oder strukturelle Probleme. Hohe Inflation führt zu einem Verlust der Kaufkraft der lokalen Währung. Dies bedeutet für den Schweizer Exporteur, dass seine Kunden zunehmend Schwierigkeiten haben, die Rechnungen zu bezahlen. Insbesondere dann, wenn diese nicht in der Lokalwährung des Käufers ausgestellt wurden (z.B. Rechnung in Schweizerfranken für eine Lieferung in die Türkei) und der Käufer selbst über keine Devisen (z.B. aus dem Verkauf ins Ausland) verfügt.
Eine hohe Inflation in Schwellenländern stellt für Schweizer Exporteure ein erhebliches Zahlungsausfallrisiko dar. Durch den Einsatz geeigneter Risikomanagementstrategien können Exporteure diese Risiken jedoch effektiv mindern. Eine sorgfältige Planung und Überwachung der wirtschaftlichen Bedingungen in den Zielmärkten ist entscheidend, um langfristig erfolgreich im internationalen Handel zu bleiben.
Martin Weder, Head of Economic Research der Zürcher Kantonalbank, hat kürzlich im Rahmen des Aussenhandels- und Zollsymposiums über den Wirtschaftsausblick für die wichtigsten Handelspartner der Schweizer KMUs gesprochen. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
Es ist in den kommenden fünf Jahren ein moderates globales Wachstum von Weltwirtschaft und Güterverkehr von rund drei Prozent pro Jahr zu erwarten. Positiv ist zudem, dass sich die Inflationsraten in den wichtigsten Handelsmärkten der Schweiz normalisiert haben. Dennoch stellen geopolitische Krisen und drohende Handelskonflikte Wachstumsrisiken dar. Gleichzeitig zerfallen Wirtschaft und Handel zunehmend in einen demokratischen und in einen autoritären Block. Europa ist trotz einiger Herausforderungen besser als sein Ruf und die US-Wirtschaft bleibt auf absehbare Zeit dynamisch, attraktiv und innovativ. Und auch der asiatische Raum wird weiterhin eine wichtige Handelsregion für die Schweizer Wirtschaft sein.
Banken bieten Sicherheit
Indem Banken den Vertragspartnern Lösungen zur Verfügung stellen, die eine für beide Seiten akzeptable Risikostruktur schaffen, unterstützen sie die schweizerische Exportwirtschaft und tragen ihren Teil zu erfolgreichen Vertragsverhandlungen bei. Die Zürcher Kantonalbank verfügt zum einen über ein grosses internationales Bankennetzwerk und zum anderen über jahrzehntelange Erfahrungen in diesem Bereich. Dadurch erhöhen wir die Chance, dass die Kunden als Produzent den Zuschlag für den Auftrag aus dem Ausland erhalten oder als Käufer Zahlungen nur für korrekt erbrachte Leistungen des ausländischen Verkäufers leisten müssen.