Hallo, Nachbar!

Nachbarschaft entsteht durch Begegnung. In der Siedlungsplanung und Quartiergestaltung spielen Begegnungszonen daher eine zentrale Rolle. Gerade Aussen- und Grünräume fördern das spontane Aufeinandertreffen und tragen so zum nachbarschaftlichen Miteinander und zur Lebensqualität bei. Ein Augenschein.

Aufgezeichnet: Rahel Perrot / Bilder: Nico Schaerer | aus dem Magazin «ZH» 2/2022

Familiengarten, Dübendorf

Grenzen lösen sich auf

«Mein Bild von Schrebergärten war immer jenes: abgezäunte Flächen, Häuschen drauf, jeder bleibt für sich. Hier auf dem Ifang-Areal ist das anders. Die Anlage ist bewusst offen gestaltet, ich kann durch die verschiedenen Gärten laufen – das gefällt mir. Das Miteinander steht im Zentrum. Jeder hat zwar seine ihm zugewiesene Parzelle, die Grenzen sind aber auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Da darf auch mal etwas zum Nachbarn rüberwachsen, das stört hier niemanden. Der Umgang untereinander ist herzlich, gemeinschaftlich. Alle helfen allen, geben Tipps, wenn etwas nicht wie gewünscht wächst. Bei unseren Familiengärten, wie sie hier heissen, legen wir Wert auf Bio­diversität und naturnahes Gärtnern ohne Einsatz von Pestiziden. Die Pächter sind punkto Alter und Herkunft bunt gemischt. Viele haben ihren festen Tagesrhythmus, andere wiederum sehe ich zwei Wochen mal gar nicht, dann wieder jeden Tag. Die Begegnungen sind meist zufällig, mit der ‹Nachbarsfamilie› haben wir uns aber auch schon verabredet. Nicht, um zu gärtnern, sondern um zusammenzu­sitzen, zu plaudern und den Garten zu geniessen, während unsere Kinder gemeinsam spielten.»

Martina Nommsen, Pächterin und Mitglied Verein für Familiengärten Dübendorf

Singen, essen, geniessen

«Unsere drei Terrassen sind erst recht bei einer Pandemie Gold wert. Wir begegnen uns dort, tauschen uns aus, singen auch mal gemeinsam. Unter Einhaltung des Abstands, klar. Als wir Bewohnerinnen und Bewohner im Frühjahr 2020 in den Neubau einzogen, kannten wir uns bereits ein wenig. Wir hatten die Möglichkeit gehabt, bei der Entstehung des Projekts mitzusprechen, und entwickelten deshalb die Gemeinschaftsräume und Terrassen massgeblich mit. Wichtig ist uns allen, aktiv zu bleiben – und das gemeinsam. Dennoch haben wir alle unterschiedliche Bedürfnisse. Die verschiedenen Begegnungsorte berücksichtigen das: Der Stadtbalkon ist unser ‹Dorf- und Festplatz›; wegen seiner Nordausrichtung ist er kühler und daher geeignet für ein gemeinsames Mittagessen. Auf der Dachterrasse, unserer ‹Bar›, philosophieren wir über dies und das, während wir den Sonnenuntergang geniessen. Schliesslich ist da noch die Pflanzterrasse mit den Hochbeeten. Sie ist unsere ‹Dorfstrasse›, denn ein Teil der Wohnungen hat seinen Eingang auf dieser Terrasse. Dort herrscht ein Kommen und Gehen, auch weil die Bewohnerinnen und Bewohner sich beim Blumengiessen begegnen.»

Regina Bötschi, Bewohnerin und Terrassen­verantwortliche Siedlung zusammen_h_alt, Winterthur

Spielend wachsen

«Unser Sohn ist am liebsten draussen. Die grosszügigen Aussenflächen waren auch der Grund, weshalb wir 2017 hierherzogen. Es gibt zwischen den Häusern einen grossen Platz mit Sandkasten, einen kleinen Spielplatz auf einer Anhöhe und eine Feuerstelle mit Sitzgelegenheiten vor dem Gruppenraum, unserer «Stube». Dort findet das spontane Siedlungsleben mehrheitlich statt. Wir haben einen gemeinsamen Chat, in den jede oder jeder reinschreiben kann, dass sie / er beispielsweise einen Grillabend plane und dass sich alle, die Lust dazu haben, dazugesellen können. Mit einem Kind läuft in Sachen Nachbarschaftspflege vieles automatisch. Neuzuzüger ohne Kinder kommen sich aktiv persönlich vorstellen. Es herrscht ein geselliges, unkompliziertes Miteinander, das weit weg ist von steriler Anonymität. Es gibt aber auch genügend Rückzugsmöglichkeiten, niemand muss, wenn er nicht will. Für diejenigen, die wollen, ist es schön, solch eine Gemeinschaft erleben zu können. Möglich machen dies all die verschiedenen Orte ausserhalb der eigenen vier Wände, an denen wir uns begegnen können. So entsteht gelebte Nachbarschaft.»

Beatrice Studler, Bewohnerin und Mitglied Stubengruppe der Siedlung Flarzett, Elsau

Natur erleben

«Ich lebe seit den 1960er-Jahren hier. Die Siedlung hat sich seither sehr verändert. Verschiedene Gebäude wurden saniert, mit Dachwohnungen aufgestockt oder von Grund auf neu gebaut. Viel Grünraum gab es jedoch schon immer. Das ist unserer Wohnbaugenossenschaft sehr wichtig. Wir tragen der Natur Sorge. Auch wenn neu gebaut wurde, ging dies nie zulasten der Grünfläche. Im Gegenteil, wir haben sogar noch zugelegt. Kinder sollen wissen, woher die Früchte kommen, die sie essen. Oder woher das Frühstücksei stammt. Bei uns finden sich daher Obstbäume und Mietgärten, wir halten Hühner und Schafe. Wir wollen, dass sich Bewohnerinnen und Bewohner jeden Alters draussen begegnen können. Verschiedene Sitzgelegenheiten, Grillstellen, Spielplätze, ein Teich und ein renaturierter Bach laden dazu ein. Das kommt sehr gut an. Wir verplanen aber nicht jeden Quadratmeter. Es braucht auch Raum, in dem sich etwas spontan entwickeln kann. Unsere Siedlungskommission hat zudem den klaren Auftrag, die Menschen mittels Veranstaltungen und gemeinsamen Aktivitäten zusammenzubringen. So wollen wir dem allgemeinen Trend des Auseinanderlebens der Gesellschaft und der Generationen entgegenwirken.»

Alfred Schär, Bewohner GEWOBAG Siedlung Albisrieden und Präsident GEWOBAG

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