Starker Franken: Ein Problem für KMU?

Die reale Aufwertung des Schweizer Frankens Ende 2023 kam zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, befindet sich die hiesige Industrie doch bereits in einer schwierigen Phase. Doch wie stark sind die KMU in der Schweiz tatsächlich davon betroffen? Lesen Sie die Einschätzungen von Kevin Gismondi, Economist Switzerland.

Text: Kevin Gismondi

«Das verarbeitende Gewerbe generiert zusammen rund drei Viertel des Schweizer Exportwertes », erklärt Kevin Gismondi.

Der Schweizer Franken bekam spätestens seit der beeindruckenden Jahresendrallye 2023, als die heimische Währung gegenüber dem Euro neue Höchststände erreichte, wieder mehr mediale Aufmerksamkeit. Während im letzten Jahr vielen Unternehmen der Fachkräftemangel unter den Nägeln brannte, dürfte dieser im Jahr 2024 konjunkturbedingt etwas an Brisanz verlieren. Damit rückte die neuerliche Frankenstärke wieder verstärkt in den Mittelpunkt.

Dies war durchaus berechtigt, denn der handelsgewichtete Schweizer Franken hatte in letzten Monaten des vergangenen Jahres nicht nur nominal, sondern auch real, das heisst inflationsbereinigt, gegenüber den wichtigsten Handelswährungen aufgewertet. Diese Entwicklung kam zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, befindet sich die hiesige Industrie doch bereits in einer schwierigen Phase. Die jüngste Gegenbewegung des Schweizer Frankens, unter anderem aufgrund der überraschenden Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank, verschafft der Exportwirtschaft kurzzeitig etwas Luft. Doch was bedeutet ein stärkerer Franken konkret für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Schweiz?

Nur wenige Firmen erwirtschaften Hauptumsatz im Ausland

Um diese Frage zu beantworten, betrachten wir in einem ersten Schritt den Handel nach Ausfuhrintensität, also den Anteil der Exporte am Gesamtumsatz eines Unternehmens. Ein Blick auf die Details zeigt, dass nur etwas mehr als 5 Prozent aller Unternehmen der Schweiz den Löwenanteil, also mehr als drei Viertel ihrer Umsätze, im Ausland erwirtschaften. Diese Firmen sind entsprechend jeweils stark von einer realen Frankenaufwertung betroffen. Auf der anderen Seite generieren weit über 50 Prozent aller Schweizer Unternehmen weniger als ein Viertel ihres Umsatzes im Ausland. Es kann also festgehalten werden, dass für einen Grossteil der Unternehmen die inländische Wirtschaft für die Umsatzgenerierung nach wie vor zentral ist. Doch wie gross ist der Anteil der KMU, die besonders exportorientiert sind?

Grossunternehmen stemmen über die Hälfte der Schweizer Exporte

Hierzu ziehen wir die Statistik des Aussenhandels nach Unternehmensgrösse heran. Sie erlaubt, Auswirkungen des internationalen Warenverkehrs auf die Beschäftigung und somit die Bedeutung der KMU einzuschätzen. Tatsächlich wird über die Hälfte des jährlich rund CHF 300 Mrd schweren Exportwertes von wenigen Grossunternehmen gestemmt. Diese Beobachtung ist kongruent zur vorherigen Erkenntnis: Relativ betrachtet ist das Auslandsgeschäft nur für wenige Firmen Hauptumsatzquelle.

Im Schweizer Aussenhandel sind chemisch-pharmazeutische Produkte, industrielle Erzeugnisse wie Maschinen, Elektronik, Uhren, Präzisionsinstrumente oder Metalle sowie Nahrungs- und Genussmittel essenziell. Es überrascht daher nicht, dass das verarbeitende Gewerbe zusammen rund drei Viertel des Schweizer Exportwertes generiert. Und gerade in den oben genannten Branchen ist die Dominanz von Grossunternehmen zum Teil beträchtlich. Bekannte Beispiele sind Roche und Novartis in der Chemie- und Pharmaindustrie oder Nestlé im Nahrungsmittelbereich. Die KMU, also alle Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten, erwirtschaften zusammen indes rund 40 Prozent des gesamten Exportwertes der Schweiz. Zum Vergleich: Sie stellen über 99 Prozent aller marktwirtschaftlichen Unternehmen in der Schweiz.

Binnennachfrage entscheidend für Umsätze

Die Analyse der Ausfuhrintensität und des Aussenhandels nach Unternehmensgrösse lässt zwei Schlussfolgerungen zu. Erstens ist das Exportgeschäft lediglich für einen kleinen Anteil der Firmen zentral. Zweitens werden die exportintensiven Bereiche oft von wenigen Grossunternehmen dominiert. Entsprechend ist für einen grossen Teil der Schweizer Unternehmenslandschaft, insbesondere für die Mikrounternehmen mit weniger als zehn Angestellten, die Binnennachfrage für die Umsatzgenerierung entscheidend. Eine starke Aufwertung des Schweizer Frankens kann zwar zum Hauptproblem der exportorientierten KMU werden. Für das Gros der KMU ist eine starke Binnenwirtschaft aber wichtiger.

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