Über die Heimatliebe beim Anlegen
Anlegerinnen und Anleger neigen dazu, in das zu investieren, was sie kennen und verstehen – ob das Aktien, Anleihen oder Währungen sind. Home Bias nennt sich dieser Fokus auf vertraute Firmen, häufig aus dem eigenen Land. Ein rein inländisches Anlageportfolio kann zwar durchaus seine Vorteile haben, doch bedeutet es gleichzeitig, auf Renditechancen in anderen Ländern zu verzichten.
Text: Marc Duckeck
Home Bias bedeutet, dass Anlegerinnen und Anleger im Vergleich zu ihrem Anteil am Weltmarkt überproportional stark in lokale Vermögenswerte investieren. Diese Tendenz ist je nach Land und Anlageklassen in unterschiedlichem Masse zu beobachten – und sowohl bei privaten als auch bei professionellen Anlegern.
Ein Blick auf die Asset Allokation der Schweizer Pensionskassenvermögen verdeutlicht dieses Phänomen: Innerhalb der Anlageklasse Aktien investiert die durchschnittliche Pensionskasse rund 40 Prozent in Schweizer Aktien (vgl. ZKB Pensionskassenstudie 2023). Nähme man jedoch den breit gefassten MSCI All Country World Index als Orientierungshilfe, so sollten Schweizer Aktien lediglich eine Gewichtung von rund 2,5 Prozent aufweisen. Die Schweizer Anlegerinnen und Anleger sind also rein schon über ihre Vorsorgegelder einem massiven Home Bias ausgesetzt.
Wie sich der Home Bias erklärt
Eine wichtige Erklärung für die Vorliebe für Anlagen aus dem eigenen Land ist, dass die lokalen Anlageklassen, die lokalen Finanzmärkte und vor allem die lokalen Firmen vertrauter sind. Dies mitunter seit langer Zeit. Das geht dann mit dem Gefühl einher, die Ergebnisse besser antizipieren zu können. Doch im Vertrauen auf die eine oder andere Erfahrung überschätzen Anlegerinnen und Anleger manchmal ihre eigenen analytischen Kompetenzen.
Bei Investitionen im Ausland haben Anleger dagegen häufig das Gefühl, ein höheres Risiko einzugehen, da sie die Unternehmen und jeweiligen Märkte weniger gut kennen. Diese Bedenken sind dann berechtigt, wenn ein Mangel an Transparenz herrscht, und das kann ausserhalb der grossen westlichen Kapitalmärkte vorkommen.
Das Risiko, in Fremdwährungen zu investieren, ist ein weiterer zu bedenkender Faktor. Viele Anleger investieren vorwiegend im Heimatland, um in ihrer Lokalwährung handeln zu können – sie wollen sich nicht um Währungsrisiken sorgen müssen. Bei ausländischen Investitionen können politische und wirtschaftliche Risiken teilweise nur schwer eingeschätzt werden. Eine Tendenz zur heimischen Währung kann daher als Absicherung gegen zusätzliche Unwägbarkeiten gesehen werden. Zusätzlich neigt der Schweizer Franken schon länger zur Stärke und gilt als sicherer Hafen.
Doch die moderne Portfoliotheorie (siehe Blog-Beitrag «Kennen Sie Harry Markowitz?») besagt, dass ein deutlicher Home Bias klare Nachteile hat. Nur ein effizientes Marktportfolio weist ein optimales Rendite-Risiko-Profil auf. Portfolios mit einem zu starken Home Bias sind unter Umständen ungenügend diversifiziert und enthalten zusammengefasst unnötig hohe Länder-, Sektor- und Faktor-Risiken.
Es dreht sich alles um die Unternehmen
Bei Aktienanlagen scheint der Home Bias besonders ausgeprägt zu sein. Hier lässt sich als Schweizer Anlegerin durchaus argumentieren, dass eine Investition beispielsweise in Roche, Novartis oder Nestlé zwar aus Sicht der Länderdiversifikation komplett einseitig erscheinen mag, diese Firmen jedoch so international aufgestellt sind, dass der Home Bias durchaus gerechtfertigt sein kann.
Multinationale Unternehmen haben in der heutigen vernetzten Welt hochkomplexe internationale Lieferketten. Sie erwirtschaften daher einen Grossteil ihrer Einnahmen ausserhalb des Landes, in dem sie börsenkotiert sind. Es ist deshalb immer wichtig, das Anlageportfolio auch auf der Mikroebene zu betrachten, um die einzelnen Komponenten innerhalb des Gesamtkontextes beurteilen zu können. Je nach Situation kann dadurch ein Home Bias durchaus seine Berechtigung haben. Letztlich ist es immer eine Risikobetrachtung der alternativen Anlagemöglichkeiten im internationalen Umfeld.
Beispiel Smartphone: Das iPhone wird vom US-amerikanischen Unternehmen Apple entwickelt, dessen Aktie an der US-Börse gehandelt. Das Gerät wird jedoch in China zusammengebaut. Und viele Rohstoffe, wie zum Beispiel seltene Erden, stammen aus der ganzen Welt. Das Alltagsprodukt Apple-Smartphone zeigt somit die Stärke zweier bestimmter Regionen, USA und Asien, und die Bedeutung eines globalen Engagements im Anlageportfolio. Durch den Kauf einer Apple-Aktie wird insofern in ein multinationales Unternehmen investiert, doch damit es dazu kommt, ist der Home Bias bewusst zu überwinden. Nur so lässt sich die Chance auf Rendite dann überhaupt wahrnehmen.
Diversifikation ist wichtig
Was bedeutet das nun konkret für die Anlegerin und den Anleger? Ein diversifiziertes Portfolio sollte die besten Bausteine für einen nachhaltigen Anlageerfolg liefern. Die Diversifikation wird zwar häufig in Bezug auf Anlageklassen diskutiert, sie gilt aber auch für Regionen, Länder, Sektoren und Währungen. Da sich die internationalen Kapitalmärkte aufgrund lokaler Gegebenheiten unterschiedlich entwickeln, kann eine Periode mit niedrigeren Anlagerenditen in einer Region durch eine Mehrrendite (Outperformance) in anderen Regionen ausgeglichen werden.
Doch gleichzeitig muss die geografische Diversifizierung immer auch im Kontext des Gesamtportfolios beurteilt werden. Bei Aktien sollte deshalb der Ort der Börsenkotierung nie der alleinige Grund sein, der für oder gegen die Aufnahme in ein Portfolio spricht. Wieder gilt: Die Expertinnen und Experten der Zürcher Kantonalbank haben die Möglichkeit, Ihr Portfolio ganzheitlich zu analysieren und allfällige Handlungsempfehlungen zu formulieren.