Zinserhöhungszyklus der SNB wohl noch nicht zu Ende
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat an ihrer heutigen geldpolitischen Lagebeurteilung beschlossen, den Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf 1,75 Prozent und damit auf das höchste Niveau seit 2008 zu erhöhen. Eine Einschätzung aus dem CIO Office von David Marmet, Chefökonom Schweiz.
Text: David Marmet
Obwohl die Inflation innerhalb dreier Monate von 3,4 Prozent im Februar auf 2,2 Prozent im Mai gefallen war und die Kerninflation bereits wieder unter 2 Prozent notiert, ist die SNB mit ihrer Arbeit zur Inflationsbekämpfung noch nicht am Ende. Die SNB lässt in ihrer Medienmitteilung durchblicken, dass eine weitere Leitzinserhöhung durchaus im Bereich des Möglichen liegt.
Inflationsrückgang ist temporärer Natur
Dem jüngst erfolgten Inflationsrückgang in der Schweiz wird auch seitens der SNB durchaus Beachtung gezollt. Dennoch scheint das Risiko immer noch nicht gebannt, dass es zu Zweit- und Drittrundeneffekten kommen wird. Auch wenn die Inflationsrate gemäss Einschätzung der SNB in den nächsten Monaten wieder unter 2 Prozent fallen wird, ist dies nur temporärer Natur. So wird sich der in diesem Monat angehobene hypothekarische Referenzzinssatz ab November 2023 in steigenden Inflationsraten niederschlagen. Zudem wird per 1. Januar 2024 der Normalsatz der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte auf 8.1 Prozent angehoben. Entsprechend hartnäckig gestaltet sich die Inflation. In ihrer heute veröffentlichten bedingten Inflationsprognose geht die SNB von einer durchschnittlichen Inflation von 2,2 Prozent im Jahr 2024 und einer solchen von 2,1 Prozent im 2025 aus. Damit liegt die Inflation knapp über dem oberen Ende des Toleranzbandes von 0 bis 2 Prozent. In der im März veröffentlichten Prognose erwartete sie noch eine Inflation von 2 Prozent sowohl für 2024 als auch für 2025 – bei einem konstanten Leitzins von 1,5 Prozent. Der Bremseffekt durch die höheren Leitzinsen ist anscheinend noch ungenügend.
Weitere Zinserhöhung im September denkbar
Wie gewohnt lässt sich die SNB bei der künftigen Leitzinsentwicklung nicht in die Karten blicken, es sollen alle Optionen offenbleiben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass weitere Zinserhöhungen nötig werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten – so die SNB in ihrer Medienmitteilung. Dieses Argument wird mit der aktuellen SNB-Inflationsprognose untermauert. Zudem ist das internationale Umfeld zu berücksichtigen. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins deutlich stärker angehoben als die SNB und der Zinserhöhungszyklus in der Eurozone ist noch nicht abgeschlossen. Die Zinsdifferenz zur Eurozone wächst und folglich auch das Risiko, dass sich der Franken zum Euro abwertet. Ein sich abschwächender Franken ist bekanntlich Gift für die Inflationsbekämpfung, haben doch die importierten Güter im Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) ein Gewicht von knapp 25 Prozent. Um für angemessene monetäre Bedingungen zu sorgen, sei die SNB weiterhin bereit, auch am Devisenmarkt aktiv zu sein, so die Währungshüter. Die Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft bleiben verhalten, was sich dämpfend auf den Schweizer Wirtschaftsgang auswirkt. Das Wachstum dürfte in diesem Jahr bescheiden ausfallen. Die SNB prognostiziert ein BIP-Wachstum von 1 Prozent.
Einschätzung des CIO Office
Wir gehen davon aus, dass die SNB im September einen weiteren Zinsschritt von 25 Basispunkten vornehmen wird. Zwar werden gemäss unseren Einschätzungen die Inflationsraten in den nächsten Monaten weiter fallen. Bereits der Juni-Wert wird wieder innerhalb des Zielbandes notieren. Für Ende 2023 prognostizieren wir indes Inflationsraten, die wieder klar über dem SNB-Zielband zu liegen kommen. Unserer Ansicht nach dürften ab Frühjahr 2024 die Inflationsraten aber wieder nachhaltig unter 2 Prozent liegen. Zudem trübt sich die Konjunktur ein. Der private Konsum normalisiert sich nach dem pandemiebedingten Aufholeffekt zusehends und der Aussenhandel liefert kaum mehr Wachstumsimpulse. Innerhalb eines Jahres hat die SNB den Leitzins von –0,75 Prozent auf nunmehr 1,75 Prozent erhöht. Dies ist der schnellste Zinsanstieg in diesem Jahrtausend. Dennoch lassen die Ausführungen der SNB vermuten, dass im September ein weiterer Zinsschritt ansteht.
Die Finanzmärkte tendierten bereits seit den geldpolitischen Entscheidungen des Fed und der EZB von letzter Woche eher schwach. Die Entscheidungen beider Notenbanken haben zwar nicht überrascht, aber deren Neueinschätzung der Lage sowie die Kommunikation weisen darauf hin, dass der restriktive geldpolitische Kurs länger als erwartet andauern wird und weitere Straffungen nicht ausgeschlossen sind. Die Zinserhöhung der SNB um 25 Basispunkte entspricht den Erwartungen der meisten Marktteilnehmer, weshalb wir nicht mit ungewöhnlichen Marktreaktionen rechnen.
Die Gesamtinflation befindet sich zwar weltweit auf dem Rückzug und die Wachstumsdynamik kühlt sich ebenfalls ab. Allerdings bleibt die Kerninflation in den entwickelten Ländern hartnäckig hoch. Vor diesem Hintergrund war zu erwarten, dass die SNB rhetorisch in die gleiche Kerbe schlägt wie das Fed und die EZB und den Anlegern eine längere Phase mit einer restriktiven Geldpolitik in Aussicht stellt.