Zinswende: Fluch oder Segen für klimafreundliche Immobilien?
Jahrelange flossen Milliarden in Immobilienanlagen. Die Zinswende verlangsamt den Geldstrom nun spürbar. Immobilien-Investorinnen und -investoren schauen nun genauer hin – insbesondere hinsichtlich Rendite und Klimaverträglichkeit.
Stephan Lüthi, Head Real Estate im Asset Management der Zürcher Kantonalbank
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Jahrelang gab es aufgrund der Negativzinsen kaum Alternativen zu Immobilien. Die Zinswende rückt nun auch Anleihen wieder in den Fokus. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, zu dem die Immobilienquoten bei vielen Schweizer institutionellen Anlegerinnen und Anlegern, namentlich Pensionskassen, auf einem Höhepunkt liegen. Das zeigt die aktuelle Schweizer Pensionskassenstudie von Swisscanto: Die durchschnittliche Immobilienquote kletterte von 18,9 im Jahr 2013 auf 24,1 Prozent im Jahr 2022.
Zeitgleich erhöht die Zinswende die Finanzierungskosten für Immobilienanlegerinnen und -anleger. Die Folgen: Kotierte Immobilienfonds und Immobilienaktien verzeichneten 2022 signifikante Preisabschläge. Die Zuflüsse aus Kapitalerhöhungen verlangsamen sich seit vergangenem Sommer markant. Die neue Situation ist auch auf dem direkten Transaktionsmarkt für Renditeliegenschaften spürbar. Das Angebot an attraktiven Ankaufsmöglichkeiten nimmt zu und die Ankaufsrenditen sind tendenziell angestiegen.
Zinswende macht nachhaltige Renditeliegenschaften sichtbar
Basierend auf dieser veränderten Ausgangslage stellt sich die Frage, ob nun auch das langfristige Klimaziel des Bundes bedroht ist. Demnach müssen die Treibhausgasemissionen hierzulande bis 2050 Netto-Null betragen. Der Treibhausgas-Anteil Schweizer Immobilien beträgt gut 25 Prozent. Er liegt damit hinter dem grössten Emittenten, dem Verkehr, mit fast 31 Prozent. Fest steht: Energetische Sanierung sind kostspielig. Sitzt das Geld nicht mehr so locker, könnte auch das Klimaziel des Bundes bedroht sein.
Doch höhere Zinsen müssen dem Klimaziel nicht abträglich sein. Vielmehr hebt das aktuell höhere Zinsniveau ein zuvor verborgenes Element hervor. Bis vergangenem Sommer divergierten die Preise zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Immobilien aufgrund des ausgeprägten Verkäufermarkts kaum. Nun spiegeln sich die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften in den Transaktionspreisen. Die Käuferschaft kann wieder opportunistischer auf Objekte bieten und ihre Nachhaltigkeitspräferenzen umsetzen. Die bessere Wertstabilität nachhaltiger Gebäude wird zunehmend sichtbar. Die knapperen Mittel führen somit dazu, dass Energieträgerwechsel und energetische Sanierung die Immobilienwerte nachhaltig stützen. Hinzu kommt: Mit nachhaltiger Energie betriebene Gebäude reduzieren Betriebskosten für Eigentümer- und Mieterschaft. Das erleichtert die Vermietbarkeit. Die ökologische Fitnesskur für Immobilienportfolios bleibt daher ein zentraler nachhaltiger Erfolgsfaktor.
Der Einfluss Schweizer Pensionskassen
Schweizer Pensionskassen zählen hierzulande zu den grössten Immobilienbesitzerinnen. Sie schultern damit eine ökologische Verantwortung hinsichtlich der Treibhausgasemissionen. Derer sind sich Pensionskassen zunehmend bewusst. Rund 37 Prozent der in der Schweizer Pensionskassenstudie von Swisscanto befragten Vorsorgeinstitute haben Kriterien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) in ihren Anlagereglementen verankert. Zum Vergleich: 2015 waren es bloss acht Prozent. Aufgrund der besseren Werthaltigkeit nachhaltiger Gebäude und gesetzlichen Vorgaben dürfte die ökologische Transformation des Gebäudeparks anhalten. Vor diesem Hintergrund fordern Investorinnen und Investoren von Asset Managern eine klare Nachhaltigkeits-Strategie.
Systematisches Messen als Grundlage
Verlässliche Daten zum aktuellen Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Liegenschaften sind der Schlüssel für eine effektive CO2-Reduktionsstrategie. Das Asset Management der Zürcher Kantonalbank hat in den vergangenen Jahren ein Energie- und CO2-Monitoring für die Liegenschaften und Portfolios aufgebaut. Die Flächen-, Energie- und Verbrauchsdaten werden systematisch manuell oder automatisiert gemessen, in einem Energiemanagementsystem erfasst und pro Immobilienportfolio aggregiert ausgewiesen. Eine unabhängige Drittpartei validiert die Datenqualität. Bei der Festlegung der Reduktionsziels bekannte sich das Asset Management der Zürcher Kantonalbank im Frühjahr 2020 zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens in all seinen aktiv gemanagten Anlageprodukten. Für die direkten Immobilienanlagen wird in Anlehnung des Schweizer Klimastrategie ein Netto-Null-Ziel in bis 2050 angestrebt.
Absenkpfad der Swisscanto Anlagestiftung Immobilien Responsible Schweiz
Absenkpfad als Steuerungstool
Das zentrale Steuerungs- und Reportingtool zur Umsetzung des Netto-Null-Zieles bilden CO2-Absenkpfade für die einzelnen Immobilienanlageprodukte. Die Absenkpfade basieren in einem ersten Schritt auf einer ökonomischen und ökologischen Beurteilung aller Bestandsobjekte. Jede Immobilie hat einen eigenen Lebenszyklus und Eigenheiten, die in die Analyse einfliessen. Beantwortet werden unter anderem Fragen nach optimalen Energieträgern, dem Solarstrompotenzial oder dem Sanierungszyklus. Die Antworten auf diese Fragen konkretisieren sich in objektspezifische Instandsetzungsmassnahmen. In einem zweiten Schritt werden die einzelnen Massnahmen auf Portfolioebene aggregiert und zeitlich optimiert. Das Ziel der Optimierung ist eine portfolioweite Glättung der jährlich erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen. Zugleich können dadurch mögliche zukünftige technologische Fortschritte in der Planung berücksichtigt werden.
Konkret werden Energieträgerwechsel und Sanierungen bei älteren Liegenschaften mit hohen Treibhausemissionen an attraktiven Lagen grundsätzlich vorgezogen, da sich solche Investitionen aus ökologischer und ökonomischer Sicht rascher lohnen. Nach hinten priorisiert werden indes Liegenschaften, wenn etwa für den Standort kein Anschluss ans Fernwärmenetz besteht, doch zukünftig einer geplant ist.
In den drei von der Zürcher Kantonalbank betreuten Swisscanto Immobilienprodukten konnten die jährlichen Treibhausgasemissionen zwischen 2016 und 2021 bereits um rund 3'200 Tonnen bzw. elf Prozent gesenkt werden. Die durchschnittliche Emissionsintensität reduzierte sich über den Zeitraum sogar um über 14 Prozent von 13 auf 11,1 kg CO2 pro m2.
Ökonomische und ökologische Ziele vereinen
Der Trend in der Asset-Management-Branche geht klar in Richtung CO2-Absenkpfade. Der entscheidende Punkt dabei ist, eine zeitgerechte Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu gewährleisten und gleichzeitig den Renditeerwartungen der Anlegerinnen und Anleger gerecht zu werden.