Jenseits von Makro: Unsere aktuellen Schlüssel­indikatoren

Bloomberg TV, CNBC, BBC und so fort – Newssender erklären das tägliche Auf und Ab der Börsen in Abhängigkeit der neuesten makro­ökonomischen Signale, wie Inflations­daten oder Einkaufs­manager­indizes. Wie wichtig sind sie aktuell für zukünftige Aktien­markt­entwicklungen? Und worauf schauen wir?

Phil Gschwend

Prognosen zu Aktienrenditen erfordern mehrere Indikatoren (Bild: istockphoto.com).

Makroökonomische Signale werden vielfach als Hauptindikatoren für Investitions­entscheide genutzt. Sie bilden aber nur ein Teil einer gesamtheitlichen Analyse. Sie sind vielfach träge und bieten Investorinnen und Investoren teilweise keinen Mehrwert für taktische Entscheide. Aktuell greifen wir auf dynamischere Indikatoren zurück. Sie liefern uns wertvolle Informationen für die Positionierung im aktuellen Umfeld. Es sind dies: 

  • Finanzkonditionen: Dieses Signal evaluiert die finanziellen Bedingungen in der Wirtschaft. Es wurde entwickelt, um Faktoren zu bewerten wie etwa die Verfügbarkeit und die Kosten von Krediten sowie die allgemeine Liquidität in einem Wirtschaftssystem. Lockere Finanzkonditionen sind kurz- bis mittelfristig gut für den Finanzmarkt, straffere Finanzkonditionen bremsen die Dynamik.
  • Sentiment / Positioning: Der Aktienmarkt wird massgeblich von Emotionen beeinflusst. Ein Sentimentsignal ist beispielsweise das AAII Sentiment Survey. Es handelt sich hierbei um eine Stimmungsumfrage unter den Mitgliedern der American Association of Individual Investors (AAII). Die Umfrage misst, wie optimistisch oder pessimistisch Privatanleger in Bezug auf die Börsenentwicklung für die nächsten sechs Monate sind. Solche Signale dienen als Kontra-Indikator: Pessimistische Stimmungsindikatoren können darauf hinweisen, dass der Markt überverkauft ist. Durch Positioning-Daten erkennen wir, wie Investoren konkret positioniert sind und können so Ausreisser identifizieren.
  • Technische Signale: Technische Signale helfen, Ein- und Ausstiegspunkte zu bestimmen und ermöglichen ein besseres Risikomanagement. Insbesondere in Phasen, in denen Fundamentaldaten weniger wirken und Emotionen eine grössere Rolle spielen, können Signale wie etwa Momentum oder Trendkanäle hilfreich sein. Seit einigen Monaten befinden sich diverse Aktienmärkte in einem perfekten Trendkanal und zeigen starkes Momentum.

Ökonomische Indikatoren als Wegweiser

Theoretische Modelle haben zum Ziel, erwartete Renditen eines Aktienportfolios oder einer Aktie zu schätzen. In diesem Zusammenhang ist die Grinold-Kroner-Formel aus den 1980er-Jahren ein bekanntes Beispiel, welches makroökonomische Zahlen zur Schätzung heranzieht.

Was ist die Grinold-Kroner-Formel?

Die Grinold-Kroner-Formel ist ein theoretisches Instrument in der Finanzanalyse, um Investitions­entscheidungen zu treffen. Es handelt sich hierbei um eine Gleichung, die zum Ziel hat, ein theoretisches Verständnis darüber zu generieren, wie und weshalb Aktien Rendite erzielen könnten. Sie zerlegt die erwartete Aktienrendite in mehrere Komponenten (wie oben dargestellt). Trotz ihrer Vorteile, ist aber zu bedenken, dass die Formel stark vereinfacht ist und die Marktdynamik kaum berücksichtigt.

Grundsätzlich sollte die Wirtschaft und der Aktienmarkt in dieselbe Richtung laufen, wie obiges Modell zeigt. Wir benötigen aber Signale, welche uns bei taktischen Entscheidungen unterstützen, denn Makro-Zahlen sind tendenziell rückwärts­gewandt, während Marktteilnehmende nach vorne schauen.

Wie hilfreich sind Wirtschaftsindikatoren für taktische Anlageentscheide?

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung passen Anlegerinnen und Anleger ihre Positionen an, was Marktbewegungen zur Folge hat. Eine positive Überraschung sollte demzufolge ein gutes Signal sein für den Markt und vice versa. Im Intraday-Handel konnten diverse Studien wie bspw. jene von Li Li und Zuliu F. Hu (IMF) einen positiven Zusammenhang finden. Beobachtet man die Marktentwicklung indes über mehrere Wochen und Monate während eines Zeitraums von 20 Jahren verliert dieser Zusammenhang an Stärke. Die folgende Grafik zeigt einen sehr geringen positiven Zusammenhang zwischen den Überraschungen (x-Achse: Citi Eco Surprises) und den darauffolgenden 3-Monats-Aktienrenditen.

Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg

Wirtschaftsdaten irrelevant? Auf den Zeitraum kommt es an

Für die Prognose von Aktienrenditen haben Wirtschaftsdaten teilweise Gewicht. Allerdings schwankt es über Zeit. Aktuell ist beispielsweise die Korrelation zwischen Aktien und ISM Manufacturing, ein Einkaufsmangerindex für das verarbeitende Gewerbe, tief. In den Jahren nach der Finanzkrise stieg die Korrelation beispielsweise an. Dies war auch eine Phase, in welcher Makro Hedge Funds andere Hedge Funds (seeblaue Linie) oder auch den S&P 500 outperformen konnten. Die meiste Zeit ist die Korrelation jedoch gering oder nicht vorhanden.

(Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg).

Drei Gründe, weshalb das aktuell nicht funktioniert:

  • Konzentration: Je höher der Anteil von nicht-konjunktursensitiven Titeln, desto weniger relevant sind Makro-Indikatoren. Aktuell besteht der Aktienmarkt aus ca. 60 Prozent nicht-konjunktursensitiven Titeln, welche weniger direkt von Wirtschaftsindikatoren getrieben sind.
Indexgewicht in %, EN = Energy, MA = Materials, FI = Financials, IN = Industrials, CD = Consumer Discretionary, RE = Real Estate, IT = Information Technology, HC = Health Care, ST = Staples, UT = Utilities, CO = Communication (Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg).
  • Dominanz der Notenbanken: Notenbanken auf der ganzen Welt griffen in den vergangenen Jahren stark in den Markt ein. Beispielsweise wurde in den Covid-Monaten massiv Liquidität in das System gepumpt. In der Folge kletterten Risk-on Assets trotz zeitweise düsterer Wirtschaftsaussichten rasch wieder auf Höchst­stände.
  • Spekulieren statt Investieren: Die durchschnittliche Haltedauer einer Aktie hat von fünf Jahren in den 1970er Jahren auf zehn Monate abgenommen. Emotionsgetriebene Käufe und Verkäufe, um ans grosse Geld zu kommen, rückten in den Vordergrund. Zudem nehmen Algo-Trades zu, welche nach technischen Trends statt nach realen Faktoren handeln.

Fazit

Sowohl Wirtschaftsindikatoren als auch dynamische Indikatoren spielen bei der Prognose von Aktienrenditen eine Rolle. Welcher Typ von Indikatoren zum welchem Zeitpunkt besser ist, hängt von diversen Faktoren ab. Dazu zählt etwa die Marktbe­dingungen, der Anlagehorizont oder die Eingriffe der Zentralbanken. In der Praxis gilt es, die richtige Gewichtsverteilung zwischen Wirtschaftsindikatoren und dynamischen Indikatoren unter Berücksichtigung der erwähnten Faktoren zu finden – mitentscheidend über den Anlageerfolg ist somit der richtige Mix.

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