«Abschaffung des Eigenmietwertes so wahrscheinlich wie noch nie»

Wer am meisten profitieren würde, welche Auswirkungen auf die Immobilienpreise zu erwarten sind und warum Eigenheimbesitzer nun noch stärker die Zinsentwicklungen spüren – Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch bei der Zürcher Kantonalbank, beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen rund die mögliche Eigenmietwert-Abschaffung.

Text: Johanna Stauffer / Bilder: Selina Meier

«Eine Abschaffung würde vor allem jenen zugutekommen, die ihre Hypothek stark reduziert haben – typischerweise langjährige Immobilienbesitzer.» Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank

Frau Kubli, seit Jahren streitet das Parlament über eine Abschaffung des Eigenmietwertes. Was ist Ihre Einschätzung - kommt es nun zum Durchbruch?

Nach vielen vergeblichen Anläufen ist eine Abschaffung des Eigenmietwertes so wahrscheinlich wie noch nie. Bei den zwei grossen politischen Knackpunkten zwischen Stände- und Nationalrat – dem Wegfall des Eigenmietwertes bei Zweitwohnungen und den Schuldzinsabzugsmöglichkeiten – ist die Wirtschaftskommission des Ständerats auf den Vorschlag des Nationalrates eingegangen. Ob und wann der Eigenmietwert tatsächlich abgeschafft wird, hängt massgeblich davon ab, ob es zu einem Referendum kommt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist mit dem gegenwärtigen Vorschlag gesunken. Die Wirtschaftskommission des Ständerates hat jedoch die Einführung einer Objektsteuer zur Bedingung für die Zustimmung zum vollständigen Systemwechsel gemacht. Die Bergkantone würden die Kompetenz zur Erhebung einer Sondersteuer auf Zweitliegenschaften erhalten, um den Steuerausfall durch den Wegfall des Eigenmietwertes zu kompensieren. Für diese Objektsteuer wäre ein Ja an der Urne erforderlich. Die Abschaffung des Eigenmietwertes ist also noch nicht in trockenen Tüchern.

Was sind die wichtigsten Eckpunkte des vorgeschlagenen Systemwechsels?

Der Eigenmietwert soll bei allen selbstbewohnten Liegenschaften abgeschafft werden. Im Gegenzug entfällt der Steuerabzug für Liegenschaftenunterhalt und der allgemeine Schuldzinsabzug wird reduziert. Bei einem erstmaligen Erwerb einer selbstbewohnten Liegenschaft wird es für zehn Jahre einen Sonderabzug auf Schuldzinsen geben, der über diese Frist auf null sinkt.

Wer würde am meisten profitieren?

Eine Abschaffung kommt vor allem jenen zugute, die ihre Hypothek stark reduziert haben – typischerweise langjährige Immobilienbesitzer. Gemäss Statistischem Amt haben rund 16 Prozent der über 60-jährigen steuerpflichtigen Immobilienbesitzer ihre Hypothek sogar vollständig abbezahlt. Wenn gleichzeitig ein hoher Eigenmietwert (setzt sich zusammen aus Gebäude- und Landwert) dazukommt, ist der Vorteil besonders hoch. Selbst Ersterwerber dürften im heutigen Zinsumfeld dank Zinsabzugsmöglichkeiten in den ersten Jahren leicht profitieren. Auch wenn sich alle Eigenheimbesitzer über den Wegfall des Eigenmietwertes freuen, müssen sie eines wissen: Sie werden künftig das Auf und Ab der Zinsen stärker im Portemonnaie spüren. Im heutigen Regime gab es eine natürliche Zins-Absicherung. Bei hohen Zinsen konnte man Steuern sparen.

Auswirkungen einer kompletten Abschaffung des Eigenmietwertes für Neuerwerber einer typischen Stockwerkeigentumswohnung

Grafik: Zürcher Kantonalbank

Werden damit die Immobilienpreise noch stärker befeuert?

Die direkte Preisauswirkungen dürften gering sein. Denn: Bei Neuerwerbern hält sich der Gewinn aufgrund einer Abschaffung im heutigen Zinsumfeld in Grenzen (siehe Grafik). Die für sie grössten Herausforderungen sind das hohe Preisniveau, die Tragbarkeit und ausreichende Eigenmittel. Daran wird die Anpassung des Steuerregimes nichts ändern.

Was bedeutet der Systemwechsel für Altliegenschaften?

Wenn Unterhaltsarbeiten künftig nicht mehr abzugsfähig sind, könnte dies die Nachfrage nach Altliegenschaften bremsen. Vor Inkraftsetzung der neuen Regelung dürfte es zu einem Sanierungsboom kommen, da ohnehin anstehende Renovationsarbeiten umgesetzt oder vorgezogen werden. Handwerker werden alle Hände voll zu tun haben und ein Fachkräftemangel ist in diesem Bereich absehbar.

Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank

Wie sieht es bei Besitzern von Ferienliegenschaften aus?

Wer ein Ferienobjekt besitzt, wird weiterhin einen Beitrag an die Kassen der Bergkantone leisten müssen. Mit einer Objektsteuer dürften die Bergkantone die steuerlichen Einbussen eines Wegfalls des Eigenmietwertes kompensieren können. Die konkrete Ausgestaltung muss jedoch erst definiert werden.

Und trotzdem dürfte so mancher Zürcher Eigenheimbesitzer demnächst einen Brief mit einer Erhöhung des Eigenmietwertes erhalten. Was ist da los?

Der Kanton Zürich wird die Eigenmietwerte beginnend mit dem Steuerjahr 2026 aktualisieren. Die Anpassung ist notwendig geworden, da die bestehende Berechnungsgrundlage noch aus dem Jahr 2009 stammt und Immobilienwerte und Mieten seitdem deutlich gestiegen sind. Im Durchschnitt wird der Eigenmietwert bei Einfamilienhäusern um 11 Prozent, bei Stockwerkeigentum um 10 Prozent steigen. Was das für die einzelnen Liegenschaftsbesitzer bedeutet, beleuchten wir im Übrigen in der kommenden «Immobilien aktuell»-Publikation.

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