Eine 60-jährige Erfolgsgeschichte

Jede fünfte Wohnung im Kanton Zürich ist Stockwerkeigentum. Diese Eigenheime werden von Personen jeden Alters bewohnt. Voraussetzung für einen Kauf ist, dass die entsprechenden finanziellen Mittel vorhanden sind. Das durchschnittliche Stockwerkeigentum kostet im Kanton Zürich über 1 Million Franken. Die Geschichte seit der Gründung ist eine mit (Er-)Folgen.

Von Julia Lareida, Andrea Horehájová und Ingrid Rappl, Analytics Immobilien

Illustration: Maria Salvatore

Alles Gute zum Geburtstag! Das Stockwerkeigentum feiert sein 60-jähriges Bestehen seit dem Eintrag im Schweizerischen Zivilgesetzbuch am 1. Januar 1965. Ziel der gesetzlichen Einführung war es, breiten Bevölkerungskreisen Zugang zu Wohneigentum zu ermöglichen. Eine Geschichte mit Folgen: Stockwerkeigentum (STWE) wurde neu gebaut, und alte Mieteinheiten wurden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Heute lässt sich der Erfolg messen. Die schweizweite Wohneigentumsquote nahm gemäss Bundesamt für Statistik seit 1970 von damals 29 Prozent auf heute geschätzte 36 Prozent zu. Im Kanton Zürich war der Anstieg prononcierter: Der Anteil Eigentümer erhöhte sich von 19 Prozent auf 27 Prozent.

Alt und städtisch

Gemäss unserer Analyse gibt es im Kanton Zürich rund 111’000 STWE* – dies sind ungefähr 20 Prozent aller Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Die im schweizweiten Vergleich niedrige Wohneigentumsquote im urbanen Kanton Zürich ist wenig überraschend und unter anderem der Gebäudestruktur geschuldet. Städtische Gebiete waren bereits vor 1965 dicht besiedelt, und die Mietwohnung war die vorherrschende Wohnform. Eine Erhöhung der Wohneigentumsquote bedurfte daher einer regen Bautätigkeit im Eigenheimbereich, um den Vorsprung einzuholen. Ein weiterer Grund ist die fehlende Fläche für neuen Wohnraum in Städten. Stockwerkeigentum konnte hier vielerorts nur durch Umwandlungen geschaffen werden. Dies zeigt sich deutlich am Alter der Gebäude. Über 43 Prozent der Gebäude mit STWE in der Stadt Zürich sind bereits vor der Geburtsstunde des STWE gebaut, also handelt es sich hier um umgewandelte ehemalige Miethäuser. Davon betroffen sind fast ausschliesslich kleine Mehrfamilienhäuser mit maximal zehn Wohnungen. Der Neubau ab 2016 macht in der Stadt Zürich lediglich 8 Prozent aller Gebäude mit STWE aus. Dafür kann man in der Stadt den renovierten Altbau als Eigenheim geniessen. Ganz anders im Rest des Kantons. Zuweilen prägen grosse offene Wohnzimmer und bodentiefe Fenster das Bild. 13 Prozent aller Gebäude mit STWE sind Neubauten. In den Bezirken Affoltern und Andelfingen gilt das sogar für jedes fünfte Gebäude mit Eigentumswohnungen.

 

Ehemalige Mietwohnungen sind vorwiegend in der Stadt

Quellen: GWR, Zürcher Kantonalbank

Stockwerkeigentum für gehobenes Wohnen

Wer sich Eigentum leistet, geniesst meistens grosszügige Platzverhältnisse. Fast zwei von drei STWE-Besitzern nennen eine Wohnung von mindestens vier Zimmern ihr Eigen. Bei Mietwohnungen sind die 1- bis 3-Zimmer-Wohnungen in der Überzahl. Doch damit nicht genug. Selbst bei gleicher Zimmerzahl hat ein STWE zwischen 7 und 17 Quadratmeter mehr Wohnfläche als eine vergleichbare Mietwohnung. Dies ist besonders ausgeprägt in den Seebezirken. Der Bezirk Meilen punktet mit der grössten durchschnittlichen Wohnfläche. So ist beispielsweise das typische 4-Zimmer-STWE in Meilen mit 124 Quadratmeter Wohnfläche 6 Prozent grösser als der Kantonsdurchschnitt und 24 Quadratmeter grösser als eine vergleichbare Wohnung zur Miete. Zum Luxus eines Eigenheims kommt noch dazu, dass die grössere Wohnfläche mit weniger Personen geteilt wird. Im Schnitt wohnen 2,7 Personen in einer 4-Zimmer-Mietwohnung. Das 4-Zimmer-STWE teilen sich hingegen lediglich 2,4 Personen.
 

Viel Platz in den eigenen vier Wänden

Quellen: GWR, Zürcher Kantonalbank

Ein Eigenheim für jedes Alter

Wer sich den Luxus eines grosszügigen Eigenheimes leisten möchte, muss sich entscheiden: Zum Einfamilienhaus (EFH) gesellt sich seit 1965 das STWE als mögliche Eigentumsform. Der Entscheid für eine dieser Wohnformen ist bei vielen heutigen Eigentümern in jungen Jahren gefallen. Dadurch wohnen vorwiegend ältere Personen im STWE. Wir betrachten deshalb nur den Neubau ab 2016 und nur Personen ab einem Alter von 30 Jahren, um ein Bild zu erhalten, welche Altersgruppen der Eigentümer sich für ein STWE und nicht für ein Einfamilienhaus (EFH) entschieden haben. Unter 30-jährige STWE-Bewohner sind oftmals nicht Eigentümer, sondern wohnen noch im Elternhaus und werden daher von der Analyse ausgeschlossen. Im Neubau-EFH sind drei Viertel der Erwachsenen zwischen 30 und 49 Jahre, im Neubau-STWE zwischen 30 und 59 Jahre alt. Das EFH ist die passende Wahl für viele junge Familien mit Kindern und wird mehrheitlich von vier oder mehr Personen bewohnt. Das STWE hingegen wird meistens von Haushalten mit ein bis drei Personen bewohnt. Diese Wohnform findet Anklang bei Personen jeden Alters, insbesondere auch bei Personen in der zweiten Lebenshälfte. Zum einen befinden sich STWE oftmals an zentralen Lagen, zum anderen muss weniger Umschwung unterhalten werden. Das macht STWE zu einer attraktiven Alternative zum Einfamilienhaus für viele Lebensabschnitte.
 

STWE im Neubau bietet Wohnraum für jedes Alter

Quellen: GWS, GWR, Zürcher Kantonalbank

Alles hat seinen Preis

Zur Verwirklichung des Eigenheimtraums braucht es auch für Eigentumswohnungen die nötigen finanziellen Mittel. Mittlerweile kostet ein STWE im Kanton Zürich im Durchschnitt 1,3 Millionen Franken. Dem See entlang von Rüschlikon bis Meilen, rechts und links der Stadt Zürich, bezahlt man für ein dort übliches STWE über 1,9 Millionen Franken. In der Stadt Zürich sind es 1,7 Millionen Franken. Das tiefere Preisniveau ist den kleineren und älteren städtischen Eigentumswohnungen geschuldet. Der Quadratmeterpreis in der Limmatstadt gehört zu den höchsten im ganzen Kanton. Dabei ist der Kreis 5 der teuerste. Das Industriequartier ist längst kein Geheimtipp mehr und zum Inbegriff eines hippen und urbanen Szeneviertels geworden, mit den entsprechend luxuriösen STWE-Hochhäusern. Hier schlägt im Durchschnitt ein Quadratmeter im STWE mit Aussicht auf den Prime Tower mit über 19’000 Franken zu Buche. Die Preise sind besonders in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Das grosse Interesse an Eigentum während der Pandemie, gepaart mit einem Niedrigzinsumfeld, hat die Zahlungsbereitschaft vieler Interessenten erhöht. Gleichzeitig war kaum Angebot vorhanden. In der Folge sind beispielsweise in der Stadt Zürich, in Thalwil oder Herrliberg die mittleren Preise rund 450’000 Franken höher als noch vor fünf Jahren. Die grösste absolute Preissteigerung hat Erlenbach erfahren. Hier kostet das mittlere STWE mit 2,27 Millionen über 650’000 Franken mehr als noch 2019.

Die Preisschere zwischen ländlichen und urbanen Gebieten ist mittlerweile enorm. Für den Preis eines durchschnittlichen STWE in der teuersten Gemeinde Erlenbach kann man sich fast vier STWE in der günstigsten Gemeinde Fischenthal leisten. Für Eigenheimsuchende bietet STWE noch immer eine günstige Alternative zum Einfamilienhaus. STWE unter 1 Million Franken findet man noch zahlreich in den Bezirken Bülach, Hinwil, Uster und Winterthur. Insgesamt macht STWE für unter 1 Million Franken immerhin noch ein Drittel aller STWE-Wohnungen im Kanton aus und bietet damit fast das fünffache Angebot im Vergleich zu Einfamilienhäusern der gleichen Preiskategorie. Ein kleiner Lichtblick für alle Eigenheimsuchenden.
 

Die grössten Preissteigerungen verzeichnen die Seegemeinden

Quelle: Zürcher Kantonalbank

Grosse Preisdifferenzen im Stockwerkeigentum

Quelle: Zürcher Kantonalbank

Ein geglückter Start

Ein 60. Geburtstag bietet traditionell eine Gelegenheit, zurückzuschauen und Bilanz zu ziehen. Für das Stockwerkeigentum lässt sich ein positives Fazit ziehen. Denn es hat sich bisher in der Schweiz bewährt. Die alternative Eigentumsform ist längst nicht mehr die zweite Wahl zum Einfamilienhaus. Vielmehr ist ein Leben im STWE zur gewünschten Wohnform für viele geworden. STWE schafft ein Angebot an Eigenheimen in Regionen, wo Einfamilienhäuser unbezahlbar oder nicht vorhanden sind oder ein Haus mit Umschwung nicht zum Puls der Zeit passt. Das Stockwerkeigentum findet dabei Liebhaber jeglichen Alters und deckt ein breites Spektrum an Bedürfnissen ab, von der kleinen Altbauwohnung in der Stadt bis zum gehobenen Neubau. STWE ist eine Erfolgsgeschichte. Das Ende ist dabei noch nicht erzählt.
 

* Stockwerkeigentum?
Es fehlen öffentliche Registerdaten, um Stockwerkeigentum von Mietwohnungen zu unterscheiden. Die genaue Anzahl, die Standorte und Eigenschaften von Stockwerkeigentumswohnungen sind daher in der Schweiz unbekannt. Wir greifen bei unserer Analyse unter anderem auf eine Historie von 25 Jahren Inseratedaten der wichtigsten Immobilienportale sowie auf Baubewilligungen, Adressen gemeinnütziger Bauträger und anonymisierte bankinterne Daten zurück und können so für den Kanton Zürich ein umfassendes Bild zeichnen.
 

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