Ende des kurzen Dornröschenschlafs

Der überraschende Zinsanstieg ab 2022 liess zwar die Immobilienpreise nicht einbrechen, hielt jedoch manchen Eigenheiminteressenten vom Kauf ab. Nun wacht der Eigenheimmarkt allmählich auf.

Text: Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research

Die Zinsentwicklung der letzten zwei Jahre sorgte für ein Wechselbad der Gefühle. 2022 kam das Ende der Negativzinsen unerwartet, und es war unklar, wie weit die Zinsen noch steigen würden. Inzwischen hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins bereits dreimal gesenkt und steht in den Startlöchern für weitere Schritte. Obwohl wir aus Umfragen wissen, dass der Eigenheimwunsch von vielen Emotionen begleitet ist, hat das Auf und Ab an der Zinsfront klar gezeigt, wie relevant Zinsen für den Eigenheimmarkt sind.

Wer nach dem Zinsanstieg frisch in die eigenen vier Wände zog, war kostenmässig gegenüber der Miete im Nachteil. Hypothekar- und Unterhaltskosten waren bei einer Standardfinanzierung teurer als die Mietkosten einer vergleichbaren Wohnung. Rechnet man zusätzlich die Opportunitätskosten ein – schliesslich könnte man das Eigenkapital auch anderweitig investieren –, war der finanzielle Nachteil von Wohneigentum noch ausgeprägter. Die höheren Zinsen brachten zwar die Immobilienpreise nicht zum Purzeln, hielten jedoch manchen Interessenten vom Kauf ab. Die Anzahl Freihandtransaktionen sank im Kanton Zürich 2023 auf ein Rekordtief. Insbesondere Neubauprojekte trafen auf ein wenig dynamisches Verkaufsumfeld. Allmählich kommt wieder Schwung in die Immobilienverkäufe, schliesslich hat sich die finanzielle Rechnung bereits wieder zugunsten von Wohneigentum gedreht. Der Eigenheimmarkt erwacht aus seinem kurzen Dornröschenschlaf.

Zukünftige Preissteigerungen in Schach halten

Trotz abnehmender Finanzierungskosten ist der Eigenheimmarkt aber nicht zu den Marktverhältnissen von vor dem Zinsanstieg zurückgekehrt. Einfamilienhausverkäufer konnten im laufenden Jahr ihre Preisvorstellungen häufig nicht durchsetzen und mussten ihre Objekte günstiger verkaufen als inseriert. Das sind gute Neuigkeiten für Eigenheimsuchende! Aufgrund vergangener Zögerlichkeiten bei den Nachfragern gibt es aktuell mehr Eigenheime zum Kaufen. Dies hält zukünftige Preissteigerungen in Schach. Bei 57 Prozent der Einfamilienhaustransaktionen im Kanton Zürich wurde der Preis nach unten korrigiert, bei jedem fünften Verkauf sogar um mehr als 10 Prozent. Dieser Anteil war letztmals 2015 so hoch, als die Eurokrise tobte und der Franken nach dem Wegfall der Euro-Untergrenze durch die Decke ging und die konjunkturellen Aussichten der Schweiz trübte. Als Kontrast zu dieser Situation zeigen sich die Jahre der Pandemie, als bei über 60 Prozent der Einfamilienhausverkäufe der Verkaufspreis gegenüber dem Angebotspreis erhöht wurde. Bei jeder vierten Transaktion betrug die Preiserhöhung über 10 Prozent. Die Eigenheimsuche war frustrierend, da die Interessenten den ohnehin schon hohen Angebotspreis noch weiter in die Höhe trieben.
 

Preisabschläge mehren sich

Preisabweichungen zum Inserat bei Zürcher Einfamilienhäusern, Verteilung in Prozent
 

Preisaufschläge Entwicklung
Quellen: Homegate, Zürcher Kantonalbank

Knappheit am Mietwohnungsmarkt hält an

Bei Mietern ist es schon ein paar Jahre her, dass sie Verhandlungsspielraum bei der Neuvermietung geniessen konnten. Mietzinsfreies Wohnen in den ersten Monaten oder Sachgeschenke wie ein iPad oder Ähnliches waren bis 2018 keine Einzelfälle. In der heutigen Marktsituation ist das schlicht unvorstellbar. Heute sehen wir weitläufige Wohnungsknappheit, insbesondere in den Städten. Schliesslich hält die Wohnbautätigkeit seit mehreren Jahren nicht mit der Bevölkerungsentwicklung Schritt. Hinzu kommt, dass der Wohnbau in urbanen Gebieten hauptsächlich aus Ersatzneubau besteht. Da bei Ersatzneubauten bestehende Wohnungen wegfallen, ist der Anstieg des Wohnungsbestands geringer, als wenn auf der grünen Wiese gebaut würde. Zusätzlich werden vor allem kleine Wohnungen realisiert, weshalb umso mehr Wohnungen gebaut werden müssten, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten.

 

Suchradius der Mietinteressenten weitet sich aus

Anzahl Suchabonnements, in Prozent
 

Suchradius Wohnungssuche
Quellen: Homegate, Zürcher Kantonalbank

Eigenheimsuchende wissen längst, dass es eine gewisse Flexibilität bezüglich des Wohnortes braucht, wenn die Suche erfolgreich sein soll. Nun weiten auch Mieter ihre Suche aus. Nur noch 28 Prozent der neu aufgeschalteten Miet-Suchabonnements in der Schweiz beschränken sich auf eine bestimmte Postleitzahl. Vor einem Jahr betrug dieser Anteil noch fast 40 Prozent. Hingegen suchen heute Mietinteressenten vielmehr in zwei bis neun verschiedenen Postleitzahlgebieten. Im Kanton Zürich ist die Wohnungssuche in nur einem PLZ-Bereich mit 26 Prozent nochmals leicht geringer und deutet auf die angespannte Situation am Zürcher Mietwohnungsmarkt. An dieser Ausgangslage dürfte sich wenig ändern. Die sich im Bau befindenden Wohnungen werden nicht ausreichen, um die zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum zu stillen.
 

Prognosentabelle Q4-24

Baldige Senkung des Referenzzinses

Immerhin gibt es seitens Referenzzins erfreuliche Neuigkeiten für Bestandesmieter. Spätestens im nächsten Frühling wird der Referenzzinssatz wieder sinken, nachdem er 2023 zum ersten Mal seit seinem Bestehen gestiegen ist. Es zeichnet sich ein unübliches Auf und Ab des sonst sehr trägen durchschnittlichen Hypothekarzinssatzes ab. Meine Mutter hat immer gesagt: «Willst du einen Brief, dann schreibe einen Brief.» Mit dieser Absicht haben Vermieter ihre Mietzinserhöhungen in letzter Zeit wohl nicht verschickt. Doch meine Mutter könnte recht haben. Institutionelle Vermieter haben Mietzinserhöhungen in den letzten 12 Monaten häufiger weitergegeben als Privatvermieter. Dementsprechend müssen sie sich auf Post von ihren Mietern einstellen, die die baldige Referenzzinssatzsenkung einfordern werden. Insgesamt schätzen wir, dass rund zwei Drittel der Mieter eine Mietzinssenkung verlangen können. Die Entwicklung des Referenzzinssatzes wird nicht nur einen direkten Einfluss auf Bestandesmieten haben, sondern sich auch in der Dynamik der Angebotsmieten niederschlagen. Wir erwarten ein robustes, wenn auch weniger starkes Wachstum der Angebotsmieten.


 

Unübliches Auf und Ab beim Referenzzins

Durchschnittszins und Referenzzins inklusive Prognose in Prozent
 

Referenzzins
Quellen: BWO, Zürcher Kantonalbank

Währenddessen entwickelt sich der Büromarkt ruhiger als gedacht. Die Sorge war gross, dass die zunehmenden Homeoffice-Möglichkeiten zu einer drastischen Konsolidierung der Büroflächen führen würden. Arbeiten die Mitarbeiter häufiger zu Hause, brauchen sie weniger Platz im Büro – könnte man meinen. Bislang ist bei den Büroflächen jedoch keine drastische Zunahme der Leerstände zu verzeichnen. Aktuell ist sogar ein leichter Rückgang der inserierten Büroflächen zu beobachten. Auch der kurzfristige Angebotsüberhang in der Stadt Zürich, der aufgrund der Neuvermietung des ehemaligen CS-Bürohauses in Oerlikon entstand, wird allmählich absorbiert. Langfristige Mietverträge sowie eine gewisse Homeoffice-Müdigkeit dürften die stabile Situation am Büromarkt teilweise erklären. Hinzu kommt, dass Firmen ihre Flächen auch bei zeitweisem Homeoffice nicht massiv verringern können, wenn sie sich an der oberen personellen Auslastung orientieren.

Grosse Konsolidierung der Büroflächen bislang nicht eingetreten

Inserierte Büroflächen in Tausend m², Kanton Zürich
 

Büroflächen
Quellen: Homegate, Zürcher Kantonalbank

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