Immobilien – Aufwärtstrend gebrochen
Im aktuellen Immobilienbarometer finden sich wieder spannende Prognosen und Fakten rund um den Zürcher Immobilienmarkt. Was eine Abschaffung des Eigenmietwerts für den Immobilienmarkt bedeuten würde und warum im dritten Quartal gerade die Preise in der attraktiven «See»-Region unter Druck geraten sind – Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch bei der Zürcher Kantonalbank, im Interview.
Interview: Johanna Stauffer
Frau Kubli – ein fester Bestandteil Ihres Immobilienbarometers ist der Zürcher Wohneigentumsindex (ZWEX). Was zeigen die Zahlen fürs dritte Quartal?
Der Aufwärtstrend ist gebrochen. Die Eigenheimpreise zeigen gegenüber dem Vorquartal ein zaghaftes Minus von 0,1 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Preiswachstum mit einem Plus von 2,5 Prozent weiterhin robust. Der Rückgang wurde durch die Seeregion verursacht (minus 1,8 Prozent), welche die Stadt Zürich sowie die Zürcher Seegemeinden umfasst.
Wie kommt es, dass gerade in der attraktiven Seeregion die Preise im Vergleich zum Vorquartal gefallen sind? Zählt die gute Lage weniger als bis anhin?
Der Rückgang der Preise in den Seegemeinden ist eine Gegenbewegung zu dem kräftiger als erwarteten Preiswachstum des Vorquartals (plus 3,9 Prozent). Der Preisanstieg im zweiten Quartal passte nicht zu der beobachteten Abkühlung der Nachfrage. Es ist also nicht so, dass städtisches Wohnen oder das Leben in Seenähe nicht mehr begehrt wären. Potenzielle Käufer sind jedoch auch an den besten Lagen nicht mehr bereit, jeden Preis zu bezahlen.
Weichen Käufer nun eher auf das Land und die Agglomeration aus?
Käufer sind im heutigen Zinsumfeld weniger kompromissbereit. Schliesslich sind die Wohnkosten in einer Mietwohnung sogar niedriger als der Erwerb eines Eigenheims mit einer Maximalbelehnung. «Wenn ich kaufe, dann muss es stimmen», sagen sich viele. Das spricht grundsätzlich eher für kürzere Pendeldistanzen, also urbaneres Wohnen.
Können Eigenheimkäufer nun auf weiter fallende Preise hoffen?
Nein. Auch nach dem ersten negativen Vorzeichen seit 2017 ist der Zürcher Eigenheimmarkt weit davon entfernt, dass die Preise breitflächig sinken. Die Angebotssituation bleibt ausgetrocknet: So haben die Zürcher Baubewilligungen bei Eigenheimen jüngst einen neuen Tiefstand erreicht. In der Schweiz dürften die Preise von Wohneigentum 2023 und 2024 weiterhin um 1 Prozent beziehungsweise 0,5 Prozent steigen; im Kanton Zürich dürfte dem Plus von 2 Prozent in diesem Jahr ein Plus von 1 Prozent folgen. Die Eigenheimpreise schrammen damit knapp an einem Nullwachstum vorbei.
Ein weiterer Schwerpunkt des neuesten Immobilienbarometers ist der Eigenmietwert. Die Diskussion um eine Abschaffung ist nicht neu. Warum ist die Lage hier so komplex? Und was ist der aktuelle Stand?
Die Besteuerung des Eigenmietwerts ist ein Paradebeispiel für die Schweizer Steuerlandschaft. Temporär angedachte Steuern wird man so schnell nicht mehr los. Bereits einige Anläufe zur Abschaffung sind gescheitert. Mittlerweile sind sich National- und Ständerat immerhin in den wichtigsten Eckpunkten zur Abschaffung des Eigenmietwerts einig. Die Knackpunkte bleiben die Besteuerung von Zweitliegenschaften sowie die Abzugsmöglichkeiten der Schuldzinsen – bis zu 40 Prozent oder gar 70 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge? Es wird sich zeigen, ob eine Einigung gelingt und inwiefern die Abschaffung einem Volksreferendum standalten kann.
Würde ein Wegfall die Nachfrage nach Wohneigentum noch weiter ankurbeln?
Ein Wegfall des Eigenmietwerts wird der Nachfrage keinen Schub verleihen. Einzig Ersterwerberpaare könnten im aktuellen Entwurf minim profitieren. Bei allen anderen Käufern wäre die finanzielle Rechnung nach der Reform bei den heutigen Zinsen zu deren Ungunsten. Die Freude älterer Immobilienbesitzerinnen und Immobilienbesitzer am Wegfall des Eigenmietwerts wäre hingegen gross. Sie würden am meisten profitieren.
Heisst dies, dass künftig weniger Wohnungen auf den Markt kommen, weil Ältere jetzt an ihren Eigenheimen festhalten?
Nein, die Verkaufsgründe Älterer sind meist nicht finanzieller Natur.
Immobilienbarometer Q3 2023
Lesen Sie anbei den aktuellen Immobilienbarometer Q3 2023.
Wie sieht die Lage auf dem Mietmarkt aus?
Die zunehmende Knappheit am Mietwohnungsmarkt wird auch künftig die politischen Diskussionen prägen. Dies, da die Anzahl der Mietwohnungen im Bau die hohe Nachfrage nach Wohnraum nicht wird befriedigen können. Die Leerstände werden 2024 weiter sinken und insbesondere in städtischen Gebieten dürften Mietwohnungen immer mehr zur Mangelware werden. Hinzu kommt: Gemäss unseren Prognosen dürften die Angebotsmieten deutlich steigen (2023: 3,5 Prozent in der Schweiz, 5,5 Prozent in Zürich).
Wie sieht es mit den Bestandsmieten aus – per wann erwarten Sie den nächsten Anstieg des Referenzzinssatzes? Wie viele Mieter wären betroffen?
Wir gehen im Dezember 2023 von einer zweiten Erhöhung des Referenzzinssatzes aus. Bis 2027 könnten drei weitere Erhöhungen folgen – schlussendlich hängt dies aber von der Konjunktur- und Inflationsentwicklung ab. Pro Referenzzinssatzerhöhung dürfen die Nettomieten um 3 Prozent angehoben werden. Dazu addieren sich die Verrechnung der Teuerung sowie allgemeine Kostensteigerungen von 0,5 Prozent pro Jahr für diejenigen, bei denen der Mietvertrag auf dem heutigen Referenzzinsniveau von 1,5 Prozent basiert.
Sie erwähnen die geringe Bautätigkeit. Was sind die Gründe?
Seit der Revision der Raumplanung soll das Wachstum in der Schweiz möglichst nicht mehr auf der grünen Wiese erfolgen. Stattdessen soll in städtischen Gebieten gewachsen und qualitätsvolle Verdichtung vorangetrieben werden. Aufgrund der bekannten NIMBY-Problematik (Not In My Backyard) wurde aber manches Bauvorhaben in der Stadt zu einem regelrechten Spiessrutenlauf. Einsprachen und Rekurse führen nicht nur zu Verzögerungen und kostspieligen Planungsänderungen, insbesondere die rigide Umsetzung des Lärmschutzgesetzes seit 2016 hat so manches Bauvorhaben zum Kippen gebracht. Damit wieder mehr gebaut werden kann, braucht es einen pragmatischeren Umgang mit dem Thema Lärm-, Heimat- oder Naturschutz. Zudem wünschen sich Investoren mehr Planungssicherheit.