Kein Streit bei Immobilien im Nachlass

Nicht selten zerstreiten sich Familien, wenn es ums Erbe geht, gerade wenn Immobilien im Nachlass sind. Stefan Reinhard, Leiter Erbschaften und Stiftungen der Zürcher Kantonalbank, weiss, wo die Fallstricke sind und wie sie vermieden werden können. Wir haben ihn zu einem Interview getroffen.

Text: Othmar Köchle

Herr Reinhard, fünf Geschwister erben ein Mehrfamilienhaus in der Stadt Zürich. Einige Wohnungen werden von Familienmitgliedern bewohnt. Eine Erbin wohnt in Übersee. Die Meinungen über das Vorgehen sind geteilt. Die einen wollen das Haus als Renditeobjekt selbst bewirtschaften, andere wollen zum besten Marktpreis verkaufen. Wie verhindert die Familie Unbill und Streit?

Stefan Reinhard: Dieser Fall ist sehr komplex. Eine Erbengemeinschaft muss sich einig werden, es gibt keine Mehrheitsentscheide. Bei so unterschiedlichen Vorstellungen kann das zu langwierigen Auseinandersetzungen führen. Wichtig scheint mir, dass der Erblasser sich schon frühzeitig Gedanken darüber macht, wie er die Situation nach seinem Ableben vereinfachen kann. Er sollte sich klar darüber sein, wie die Pläne, Vorstellungen und Bedürfnisse der Erben aussehen. Vielleicht setzt man sich schon früh mit einem professionellen Berater zusammen. Dieser kann die verschiedenen Bedürfnisse moderieren und Lösungen aufzeigen, die die Beteiligten auf Anhieb gar nicht sehen.

Stefan Reinhard, Leiter Erbschaften & Stiftungen
Stefan Reinhard, Leiter Erbschaften & Stiftungen

Was passiert, wenn sich die Erbengemeinschaft nicht einig wird?

In solchen Fällen sieht das Gesetz den Verkauf der Immobilie und die Teilung des Erlöses vor. Auf Verlangen eines Erben hat der Verkauf auf dem Wege der Versteigerung stattzufinden. Schmerzhaft ist dies besonders dann, wenn einzelne Familienmitglieder mit der Liegenschaft emotional verbunden sind, weshalb dieser Weg wenn immer möglich vermieden werden sollte.

Eine Möglichkeit liegt darin, dass der Erblasser in seinem Testament eine fachkundige Vertrauensperson als Willensvollstrecker einsetzt. Diese bereitet die Teilung vor, vermittelt bei Unstimmigkeiten unter den Erben und zeigt Lösungen auf.

Trotzdem könnte eine Erbengemeinschaft eine oder gar mehrere Immobilien halten und entwickeln.

Das ist grundsätzlich möglich, aber nicht unproblematisch. Gerade bei Ferienhäusern zum Beispiel sehen wir dieses Vorgehen. Meistens ist das aber nur von vorübergehender Dauer. Sobald eines der erbenden Geschwister verstirbt und die Nachkommen Mitbesitzer werden, wird die Situation vertrackter und schwerfälliger. Eine Übernahme der Immobilie durch eine Partei ist deshalb ratsam.

Zu beachten ist auch Folgendes: Die Erbengemeinschaft ist grundsätzlich nicht auf Dauer ausgerichtet. Ihr Zweck liegt in der Erbteilung, d.h. der Auflösung der Erbengemeinschaft und der vollständigen Aufteilung des Nachlasses unter den Erben. Bis dahin hat die Erbengemeinschaft den Nachlass zu sichern, zu erhalten und sachgerecht zu bewirtschaften. Dieser Zweck wird nicht mehr verfolgt oder tritt in den Hintergrund, wenn die Erben beispielsweise ein gemeinsames Bauprojekt für einen Neubau planen mit dem Ziel eines ganz oder teilweise gewinnbringenden Verkaufs. Steuerrechtlich kann dies dazu führen, dass die Erben als gewerbsmässige Liegenschaftenhändler qualifiziert werden, was erhebliche Steuerfolgen nach sich zieht. Daher sind Erbengemeinschaften gut beraten, bei der Entwicklung einer Immobilie auch die Steuerfolgen abzuklären.

In welchen Fällen sehen Sie, dass eine professionelle Beratung wichtig ist, weil man als Laie nicht alle Tücken bei Erbschaften kennen kann?

Oft wird übersehen, dass Erbvorbezüge zum Wert im Zeitpunkt des Todes des Schenkers angerechnet werden. Bei Sachwerten wird somit eine seit der Zuwendung eingetretene Wertveränderung ebenfalls berücksichtigt. Dies im Gegensatz zur Schenkung eines Geldbetrages, der nominal unverändert bleibt. Dies kann zu ungerechten Resultaten führen, wenn ein Kind ein Grundstück und das andere einen gleichwertigen Geldbetrag als Erbvorbezug erhält. Auf solche Tücken kann eine professionelle Beratung hinweisen.

Auch wer ein Testament aufsetzt, kann von professioneller Beratung profitieren. Was schreibt man sinnvollerweise in ein Testament, was nicht? Wie kann dem Partner ein Übernahmerecht an der Immobilie eingeräumt werden? Ratsam ist es zum Beispiel, dass man als Erblasser testamentarisch eine oder zwei Immobilienbewertungen bei einem seriösen Anbieter wie dem Hauseigentümerverband oder der Zürcher Kantonalbank vorschreibt, falls sich die Erben über den Wert nicht einigen können. Damit können unterschiedliche Vorstellungen über den Wert der Immobilie schnell ausgeräumt werden.

5 Tipps

Wann ist der beste Zeitpunkt, um das Thema Erben und Vererben anzugehen?

Ein guter Zeitpunkt ist sicher der Erwerb eines Eigenheims. Das liquide Vermögen verlagert sich in diesem Moment in die Immobilie und wird zum Hauptaktivum. Die meisten Paare oder jungen Familien möchten sicherstellen, dass der Partner oder die Partnerin im Falle des eigenen Ablebens weiter im Haus oder in der Wohnung leben kann. Eine weitere Lagebeurteilung empfehle ich bei der Pensionierung. Wie ist die Situation der Kinder? Will ich selbst im Einfamilienhaus bleiben oder vielleicht in eine kleinere Wohnung ziehen? Wer könnte die Immobilie übernehmen? Was kann ich in einem Testament jetzt schon regeln? Als Faustregel könnte man sagen: Wichtige Lebensereignisse, Einschnitte und Meilensteine sind Anlass für eine Standortbestimmung, die auch das Erbe einbeziehen sollte.

Mehrfamilienhäuser sind sehr gesucht auf dem Markt. Da ist es verlockend, so ein Haus in der Familie halten zu wollen, gibt es doch kaum eine bessere Anlagemöglichkeit. Raten Sie dazu, so ein Haus möglichst zu halten?


Sie haben recht. Es ist in der aktuellen Marktsituation nicht einfach, Geld sicher und gleichzeitig rentabel anzulegen. Dennoch sind auch andere Überlegungen wichtig. Nicht jeder hat die Nerven und die Ressourcen, eine Liegenschaft gut zu bewirtschaften. Mieterwechsel, Inkassoprobleme, Handwerkerbetreuung: Das alles kann einem schnell zu viel werden. Von daher sollte man sich das gut überlegen. Man kann einen Teil des Verkaufserlöses auch in einen Immobilienfonds investieren. Zudem ist eine Anlagestrategie, die nur auf eine Anlageklasse setzt – und das ist ein Mehrfamilienhaus –, Risiken ausgesetzt, denen man mit einem diversifizierten Portfolio aus dem Weg gehen kann.

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