Musik am Eigenheimmarkt

(Geld-)Politische Entscheidungen prägen den Immobilienmarkt, sowohl im Miet- als auch im Eigentumssektor.

Von Ursina Kubli, Leiterin Immobilien-Research

Stellen sie sich vor, Sie sind auf einer Party, und plötzlich geht die Musik aus. Ungefähr dieses Gefühl hatten Eigenheimbesitzer, als die Zinsen nach dem Ende der Pandemie und dem Beginn des Ukrainekriegs in die Höhe schossen. Der Immobilienmarkt kam kurzfristig zum Stillstand, die Transaktionen sanken auf ein Rekordtief. Rückblickend war es ein Weckruf, sich nicht dauerhaft auf tiefe Zinsen zu verlassen. Dank deutlicher Leitzinssenkungen beginnt die Musik am Immobilienmarkt allmählich wieder zu spielen. Wer heute eine Eigentumswohnung kauft, hat niedrigere Wohnkosten, als wenn er in eine vergleichbare Mietwohnung ziehen würde. Mögliche Wertsteigerungen des Eigenheims kommen noch dazu.

Wer über seine Wohnsituation nachdenkt, wird sich wieder eher für die eigenen vier Wände entscheiden. Dies wird auch der Vermarktung von Neubauprojekten neues Leben einhauchen, insbesondere im günstigeren bis mittleren Preissegment. In Zeiten steigender Zinsen gestaltete sich die Vermarktung von Neubauprojekten harzig. Allmählich reduziert sich das aufgebaute Angebot und liegt nur noch leicht über dem Niveau der Vorjahre. Die Knappheit am Eigenheimmarkt spitzt sich wieder zu. Dies dürfte im Kanton Zürich wie auch schweizweit zu weiteren Preiszuwächsen führen. Würde ein Wegfall des Eigenmietwerts die Preise nochmals anziehen lassen?

Illustration: Grafikatelier JoosWolfangel

Wenn der Eigenmietwert fällt …


Den Mietern ist die für Eigenheimbesitzer vorteilhafte Zinsentwicklung wohl nicht entgangen, während sie selbst mit den Folgen der Knappheit am Mietwohnungsmarkt zu kämpfen haben. Ihr Erbarmen aufgrund des zu versteuernden Eigenmietwerts dürfte sich daher in Grenzen halten. Das «Ja» zur Objektsteuer, die mit der Abschaffung des Eigenmietwerts verknüpft ist und voraussichtlich im September zur Abstimmung vorliegen wird, ist alles andere als gesichert. Doch was würde ein Wegfall für den Immobilienmarkt bedeuten? Eine Auslegeordnung soll Gewinner identifizieren und mögliche Konsequenzen für den Immobilienmarkt abschätzen.
 

Die perfekte Konstellation, um von einem Wegfall des Eigenmietwerts zu profitieren, wäre eine selbstfinanzierte Neubau-Villa mit Umschwung an bester Lage. Um den Preiseinfluss eines möglichen Wegfalls abschätzen zu können, muss man sich die steuerlichen Konsequenzen für einen typischen Käufer vor Augen führen. Denn Verkäufer werden ihr Verhalten nicht anpassen – für sie geben veränderte Lebensbedingungen und familiäre Verhältnisse den Ausschlag, ob sie verkaufen wollen oder nicht. Der typische Eigenheimkäufer ist auf eine hohe Belehnung angewiesen und hat insbesondere bei Einfamilienhäusern aufgrund des Alters des Objekts erhöhten Unterhalts- oder sogar Sanierungsbedarf. Ohne Eigenmietwert wäre er aufgrund der fehlenden Abzugsmöglichkeiten nicht bessergestellt. Ein Wegfall, der bei einem «Ja» im September bereits ab 2028 Realität sein könnte, wäre daher kein Katalysator für weitere Preissteigerungen am Immobilienmarkt. Im Einzelfall sowie bei einzelnen Objektkategorien wären die Konsequenzen jedoch erheblich. So würde zum Beispiel der finanzielle Anreiz zum Erwerb sanierungsbedürftiger Gebäude erheblich sinken.

Die eigenen vier Wände lohnen sich (wieder)

Wohnkosten-Differenz Miete und Eigentum
 

Quellen: Homegate, SRED, Zürcher Kantonalbank

Renditeimmobilien sind politischen Risiken ausgesetzt


Bei Renditeimmobilien ist der Einfluss des Zinsumfeldes naturgemäss höher als im Eigenheimsegment. Die günstigen Finanzierungsbedingungen werden insbesondere in den Städten vom Risiko vermehrter Mietregulierungen überschattet. Trotz einer leichten Beruhigung des Bevölkerungswachstums wird die Knappheit im Mietsegment bestehen bleiben. Die Leerstände dürften sich weiter reduzieren und für steigende Angebotsmieten sorgen. Das ist der perfekte Nährboden für weitere Mietrechtsverschärfungen. Das Beispiel des Kantons Basel-Stadt könnte dabei wegweisend sein. Am Rheinknie verbietet das Gesetz Ersatzneubauten, die nicht mindestens 20–40 Prozent mehr Wohnraum kreieren. Renovations- und Transformationsvorhaben und die daraus folgenden Mietzinsaufschläge müssen von der Wohnschutzkommission genehmigt werden. Ausserdem werden die nach dem Abschluss der baulichen Massnahmen gültigen Mietpreise stichprobenartig kontrolliert. Diese Verschärfungen traten am 1. Januar 2022 in Kraft und schränken insbesondere das Mietertragspotenzial von Altbauten ein. Die Zürcher Wohnschutz-Initiative, die im Februar 2024 eingereicht worden ist, geht in eine ähnliche Richtung. In der Stadt Zürich dürften Immobilieninvestoren dieses Risiko am Transaktionsmarkt einpreisen. Wohnlagen vor den Toren der Stadt Zürich könnten kurzfristig attraktiv sein, da sie von der städtischen Knappheit profitieren und nicht unmittelbaren politischen Risiken ausgesetzt sind. Verschärft sich jedoch die Situation am Mietwohnungsmarkt, ist es auch ausserhalb der Stadt Zürich nur eine Frage der Zeit, bis strengere Regulierungen Sympathien finden. (Geld-)Politische Entscheidungen werden den Wohnungsmarkt in naher Zukunft formen.
 

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